Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.daß er eine Speise genießen sollte, so mußten sie Da er seinen Geschwistern, ob sie ihn gleich Marie. Willst du denn auch mit mir nicht *) Die Tiroler nennen jeden, auch den größten Herrn
Du. Ich führe dies blos deswegen hier an, damit man mich keiner Etiketssünde beschuldige, wenn die Magd ihren Herrn Du nennt. daß er eine Speiſe genießen ſollte, ſo mußten ſie Da er ſeinen Geſchwiſtern, ob ſie ihn gleich Marie. Willſt du denn auch mit mir nicht *) Die Tiroler nennen jeden, auch den groͤßten Herrn
Du. Ich fuͤhre dies blos deswegen hier an, damit man mich keiner Etiketsſuͤnde beſchuldige, wenn die Magd ihren Herrn Du nennt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0123" n="109"/> daß er eine Speiſe genießen ſollte, ſo mußten ſie<lb/> ihm ſolche entweder ſelbſt reichen, oder ſich alle<lb/> aus dem Zimmer entfernen.</p><lb/> <p>Da er ſeinen Geſchwiſtern, ob ſie ihn gleich<lb/> oft dringend baten, keine einzige Frage beantwor-<lb/> tete, und dieſe nun wirklichen Wahnſinn argwohn-<lb/> ten, ſo beſchloſſen ſie, ſeine ehemalige Haushaͤl-<lb/> terinn zu ihm zu ſenden, und zu verſuchen: ob<lb/> dieſe ihn nicht zu einer Antwort vermoͤgen koͤnne?<lb/> Die arme Marie war ſogleich, als Jakob ver-<lb/> lohren gieng, aus dem Hauſe verſtoßen worden,<lb/> ein Bauer hatte ſie aus Mitleid in die Herberge<lb/> genommen, hier beweinte ſie im Stillen ihr un-<lb/> verdientes Ungluͤck, und weigerte ſich anfangs,<lb/> im Hofe zu erſcheinen; wie ſie aber die wahre Ur-<lb/> ſache und den Zuſtand ihres Geliebten erfuhr, ſo<lb/> weigerte ſie ſich nicht laͤnger, und trat mit naſſen<lb/> Augen in die Stube, in welcher ſie abſichtlich<lb/> den armen Jakob allein fand. Gruͤß dich Gott,<lb/> lieber Jakob, ſprach ſie ſchluchzend, wo biſt du <note place="foot" n="*)"><lb/> Die Tiroler nennen jeden, auch den groͤßten Herrn<lb/><hi rendition="#g">Du</hi>. Ich fuͤhre dies blos deswegen hier an, damit<lb/> man mich keiner Etiketsſuͤnde beſchuldige, wenn die<lb/> Magd ihren Herrn <hi rendition="#g">Du</hi> nennt.</note><lb/> denn ſo lange geweſen? Warum willſt du denn<lb/> nicht ordentlich mit den Leuten reden? Jakob ſah<lb/> ſie lange ſchmachtend an, laͤchelte und ſchwieg.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Marie</hi>. Willſt du denn auch mit mir nicht<lb/> reden?</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [109/0123]
daß er eine Speiſe genießen ſollte, ſo mußten ſie
ihm ſolche entweder ſelbſt reichen, oder ſich alle
aus dem Zimmer entfernen.
Da er ſeinen Geſchwiſtern, ob ſie ihn gleich
oft dringend baten, keine einzige Frage beantwor-
tete, und dieſe nun wirklichen Wahnſinn argwohn-
ten, ſo beſchloſſen ſie, ſeine ehemalige Haushaͤl-
terinn zu ihm zu ſenden, und zu verſuchen: ob
dieſe ihn nicht zu einer Antwort vermoͤgen koͤnne?
Die arme Marie war ſogleich, als Jakob ver-
lohren gieng, aus dem Hauſe verſtoßen worden,
ein Bauer hatte ſie aus Mitleid in die Herberge
genommen, hier beweinte ſie im Stillen ihr un-
verdientes Ungluͤck, und weigerte ſich anfangs,
im Hofe zu erſcheinen; wie ſie aber die wahre Ur-
ſache und den Zuſtand ihres Geliebten erfuhr, ſo
weigerte ſie ſich nicht laͤnger, und trat mit naſſen
Augen in die Stube, in welcher ſie abſichtlich
den armen Jakob allein fand. Gruͤß dich Gott,
lieber Jakob, ſprach ſie ſchluchzend, wo biſt du *)
denn ſo lange geweſen? Warum willſt du denn
nicht ordentlich mit den Leuten reden? Jakob ſah
ſie lange ſchmachtend an, laͤchelte und ſchwieg.
Marie. Willſt du denn auch mit mir nicht
reden?
*)
Die Tiroler nennen jeden, auch den groͤßten Herrn
Du. Ich fuͤhre dies blos deswegen hier an, damit
man mich keiner Etiketsſuͤnde beſchuldige, wenn die
Magd ihren Herrn Du nennt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |