aufrichtig liebte, ein recht häßliches Schauspiel. Ver¬ gebens bat und beschwor ich Melitta, an ihren kranken Gemal, an ihr Kind zu denken. Ich predigte tauben Ohren. Da entschloß ich mich zu einem verzweifelten Mittel. Um ihr Oldenburgs Treulosigkeit -- von der mir von anderen Seiten die fabelhaftesten Dinge erzählt waren -- zu beweisen, ließ ich mich herbei, ihn glauben zu machen, ich selbst liebte ihn. Es ge¬ hörte dazu nicht viel, denn der Baron ist eben so eitel, wie er verrätherisch und zügellos in seinen Lei¬ denschaften ist. Bald verfolgte er jetzt mich mit seinen Huldigungen -- natürlich, ohne sich Melitta gegen¬ über zu verrathen. Dabei sprach er so lieblos, so schlecht von meiner armen Cousine, daß ich kaum im Stande war, die Maske, die ich vorgenommen hatte, festzuhalten. Und doch mußte ich es, bis Oldenburg, von seiner Leidenschaft hingerissen, blind in das Netz rannte, das ich ihm stellte. Ich wußte es so einzu¬ richten, daß er -- es war im Garten der Villa Serra di Falco bei Palermo -- mir eine feurige Liebeser¬ klärung machte, während Melitta sechs Schritte davon hinter einem Myrthengebüsche stand. Die Arme! es war eine schmerzliche Operation, aber ich konnte ihr nicht anders helfen. Oldenburg war natürlich am nächsten Morgen verschwunden. Ich suchte Melitta
aufrichtig liebte, ein recht häßliches Schauſpiel. Ver¬ gebens bat und beſchwor ich Melitta, an ihren kranken Gemal, an ihr Kind zu denken. Ich predigte tauben Ohren. Da entſchloß ich mich zu einem verzweifelten Mittel. Um ihr Oldenburgs Treuloſigkeit — von der mir von anderen Seiten die fabelhafteſten Dinge erzählt waren — zu beweiſen, ließ ich mich herbei, ihn glauben zu machen, ich ſelbſt liebte ihn. Es ge¬ hörte dazu nicht viel, denn der Baron iſt eben ſo eitel, wie er verrätheriſch und zügellos in ſeinen Lei¬ denſchaften iſt. Bald verfolgte er jetzt mich mit ſeinen Huldigungen — natürlich, ohne ſich Melitta gegen¬ über zu verrathen. Dabei ſprach er ſo lieblos, ſo ſchlecht von meiner armen Couſine, daß ich kaum im Stande war, die Maske, die ich vorgenommen hatte, feſtzuhalten. Und doch mußte ich es, bis Oldenburg, von ſeiner Leidenſchaft hingeriſſen, blind in das Netz rannte, das ich ihm ſtellte. Ich wußte es ſo einzu¬ richten, daß er — es war im Garten der Villa Serra di Falco bei Palermo — mir eine feurige Liebeser¬ klärung machte, während Melitta ſechs Schritte davon hinter einem Myrthengebüſche ſtand. Die Arme! es war eine ſchmerzliche Operation, aber ich konnte ihr nicht anders helfen. Oldenburg war natürlich am nächſten Morgen verſchwunden. Ich ſuchte Melitta
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0071"n="61"/>
aufrichtig liebte, ein recht häßliches Schauſpiel. Ver¬<lb/>
gebens bat und beſchwor ich Melitta, an ihren kranken<lb/>
Gemal, an ihr Kind zu denken. Ich predigte tauben<lb/>
Ohren. Da entſchloß ich mich zu einem verzweifelten<lb/>
Mittel. Um ihr Oldenburgs Treuloſigkeit — von<lb/>
der mir von anderen Seiten die fabelhafteſten Dinge<lb/>
erzählt waren — zu beweiſen, ließ ich mich herbei,<lb/>
ihn glauben zu machen, ich ſelbſt liebte ihn. Es ge¬<lb/>
hörte dazu nicht viel, denn der Baron iſt eben ſo<lb/>
eitel, wie er verrätheriſch und zügellos in ſeinen Lei¬<lb/>
denſchaften iſt. Bald verfolgte er jetzt mich mit ſeinen<lb/>
Huldigungen — natürlich, ohne ſich Melitta gegen¬<lb/>
über zu verrathen. Dabei ſprach er ſo lieblos, ſo<lb/>ſchlecht von meiner armen Couſine, daß ich kaum im<lb/>
Stande war, die Maske, die ich vorgenommen hatte,<lb/>
feſtzuhalten. Und doch mußte ich es, bis Oldenburg,<lb/>
von ſeiner Leidenſchaft hingeriſſen, blind in das Netz<lb/>
rannte, das ich ihm ſtellte. Ich wußte es ſo einzu¬<lb/>
richten, daß er — es war im Garten der Villa Serra<lb/>
di Falco bei Palermo — mir eine feurige Liebeser¬<lb/>
klärung machte, während Melitta ſechs Schritte davon<lb/>
hinter einem Myrthengebüſche ſtand. Die Arme! es<lb/>
war eine ſchmerzliche Operation, aber ich konnte ihr<lb/>
nicht anders helfen. Oldenburg war natürlich am<lb/>
nächſten Morgen verſchwunden. Ich ſuchte Melitta<lb/></p></div></body></text></TEI>
[61/0071]
aufrichtig liebte, ein recht häßliches Schauſpiel. Ver¬
gebens bat und beſchwor ich Melitta, an ihren kranken
Gemal, an ihr Kind zu denken. Ich predigte tauben
Ohren. Da entſchloß ich mich zu einem verzweifelten
Mittel. Um ihr Oldenburgs Treuloſigkeit — von
der mir von anderen Seiten die fabelhafteſten Dinge
erzählt waren — zu beweiſen, ließ ich mich herbei,
ihn glauben zu machen, ich ſelbſt liebte ihn. Es ge¬
hörte dazu nicht viel, denn der Baron iſt eben ſo
eitel, wie er verrätheriſch und zügellos in ſeinen Lei¬
denſchaften iſt. Bald verfolgte er jetzt mich mit ſeinen
Huldigungen — natürlich, ohne ſich Melitta gegen¬
über zu verrathen. Dabei ſprach er ſo lieblos, ſo
ſchlecht von meiner armen Couſine, daß ich kaum im
Stande war, die Maske, die ich vorgenommen hatte,
feſtzuhalten. Und doch mußte ich es, bis Oldenburg,
von ſeiner Leidenſchaft hingeriſſen, blind in das Netz
rannte, das ich ihm ſtellte. Ich wußte es ſo einzu¬
richten, daß er — es war im Garten der Villa Serra
di Falco bei Palermo — mir eine feurige Liebeser¬
klärung machte, während Melitta ſechs Schritte davon
hinter einem Myrthengebüſche ſtand. Die Arme! es
war eine ſchmerzliche Operation, aber ich konnte ihr
nicht anders helfen. Oldenburg war natürlich am
nächſten Morgen verſchwunden. Ich ſuchte Melitta
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/71>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.