er nicht bis jetzt noch überall reüssirt? war sein Glück bei den Frauen nicht sprichwörtlich selbst unter den Kameraden, von denen sich doch so ziemlich jeder Einzelne für einen Paris hielt? und hatte er nicht schon so oft erfahren, daß sich die Liebe hinter dem Anschein der Gleichgültigkeit, ja der Abneigung ver¬ birgt? Freilich trieb seine schöne Cousine die Komödie ziemlich weit; freilich behandelte sie ihn mit einer Kälte, einer Geringschätzung, die manchmal gradezu beleidigend war -- aber er ließ sich dadurch in dem felsenfesten Glauben an seine unwiderstehliche Liebens¬ würdigkeit nicht beirren und verspottete die Baronin, wenn diese ihn wieder und immer wieder zur Vor¬ sicht ermahnte. Denn Anna Maria sah, da keine per¬ sönliche Eitelkeit die Klarheit ihres Blickes trübte, in dieser Angelegenheit viel schärfer als Felix. Sie, die an sich selbst die Energie des Charakters so hoch schätzte, mußte im Stillen die consequente Gleich¬ mäßigkeit in Helene's Betragen, die bescheidene Festig¬ keit, mit der sie ihre Ansichten aussprach und be¬ hauptete. bewundern. Es war ein Etwas in der stolzen Schönheit ihrer Tochter, wovor sie sich unwill¬ kürlich beugte - ein Lichtglanz aus einer höheren Welt, als die Welt durchaus egoistischer Interessen, in welcher sie selbst sich bewegte. -- Helene selbst
er nicht bis jetzt noch überall reüſſirt? war ſein Glück bei den Frauen nicht ſprichwörtlich ſelbſt unter den Kameraden, von denen ſich doch ſo ziemlich jeder Einzelne für einen Paris hielt? und hatte er nicht ſchon ſo oft erfahren, daß ſich die Liebe hinter dem Anſchein der Gleichgültigkeit, ja der Abneigung ver¬ birgt? Freilich trieb ſeine ſchöne Couſine die Komödie ziemlich weit; freilich behandelte ſie ihn mit einer Kälte, einer Geringſchätzung, die manchmal gradezu beleidigend war — aber er ließ ſich dadurch in dem felſenfeſten Glauben an ſeine unwiderſtehliche Liebens¬ würdigkeit nicht beirren und verſpottete die Baronin, wenn dieſe ihn wieder und immer wieder zur Vor¬ ſicht ermahnte. Denn Anna Maria ſah, da keine per¬ ſönliche Eitelkeit die Klarheit ihres Blickes trübte, in dieſer Angelegenheit viel ſchärfer als Felix. Sie, die an ſich ſelbſt die Energie des Charakters ſo hoch ſchätzte, mußte im Stillen die conſequente Gleich¬ mäßigkeit in Helene's Betragen, die beſcheidene Feſtig¬ keit, mit der ſie ihre Anſichten ausſprach und be¬ hauptete. bewundern. Es war ein Etwas in der ſtolzen Schönheit ihrer Tochter, wovor ſie ſich unwill¬ kürlich beugte - ein Lichtglanz aus einer höheren Welt, als die Welt durchaus egoiſtiſcher Intereſſen, in welcher ſie ſelbſt ſich bewegte. — Helene ſelbſt
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er nicht bis jetzt noch überall reüſſirt? war ſein Glück
bei den Frauen nicht ſprichwörtlich ſelbſt unter den
Kameraden, von denen ſich doch ſo ziemlich jeder
Einzelne für einen Paris hielt? und hatte er nicht
ſchon ſo oft erfahren, daß ſich die Liebe hinter dem
Anſchein der Gleichgültigkeit, ja der Abneigung ver¬
birgt? Freilich trieb ſeine ſchöne Couſine die Komödie
ziemlich weit; freilich behandelte ſie ihn mit einer
Kälte, einer Geringſchätzung, die manchmal gradezu
beleidigend war — aber er ließ ſich dadurch in dem
felſenfeſten Glauben an ſeine unwiderſtehliche Liebens¬
würdigkeit nicht beirren und verſpottete die Baronin,
wenn dieſe ihn wieder und immer wieder zur Vor¬
ſicht ermahnte. Denn Anna Maria ſah, da keine per¬
ſönliche Eitelkeit die Klarheit ihres Blickes trübte, in
dieſer Angelegenheit viel ſchärfer als Felix. Sie, die
an ſich ſelbſt die Energie des Charakters ſo hoch
ſchätzte, mußte im Stillen die conſequente Gleich¬
mäßigkeit in Helene's Betragen, die beſcheidene Feſtig¬
keit, mit der ſie ihre Anſichten ausſprach und be¬
hauptete. bewundern. Es war ein Etwas in der
ſtolzen Schönheit ihrer Tochter, wovor ſie ſich unwill¬
kürlich beugte - ein Lichtglanz aus einer höheren
Welt, als die Welt durchaus egoiſtiſcher Intereſſen,
in welcher ſie ſelbſt ſich bewegte. — Helene ſelbſt
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/51>, abgerufen am 22.12.2024.
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