Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

er nicht bis jetzt noch überall reüssirt? war sein Glück
bei den Frauen nicht sprichwörtlich selbst unter den
Kameraden, von denen sich doch so ziemlich jeder
Einzelne für einen Paris hielt? und hatte er nicht
schon so oft erfahren, daß sich die Liebe hinter dem
Anschein der Gleichgültigkeit, ja der Abneigung ver¬
birgt? Freilich trieb seine schöne Cousine die Komödie
ziemlich weit; freilich behandelte sie ihn mit einer
Kälte, einer Geringschätzung, die manchmal gradezu
beleidigend war -- aber er ließ sich dadurch in dem
felsenfesten Glauben an seine unwiderstehliche Liebens¬
würdigkeit nicht beirren und verspottete die Baronin,
wenn diese ihn wieder und immer wieder zur Vor¬
sicht ermahnte. Denn Anna Maria sah, da keine per¬
sönliche Eitelkeit die Klarheit ihres Blickes trübte, in
dieser Angelegenheit viel schärfer als Felix. Sie, die
an sich selbst die Energie des Charakters so hoch
schätzte, mußte im Stillen die consequente Gleich¬
mäßigkeit in Helene's Betragen, die bescheidene Festig¬
keit, mit der sie ihre Ansichten aussprach und be¬
hauptete. bewundern. Es war ein Etwas in der
stolzen Schönheit ihrer Tochter, wovor sie sich unwill¬
kürlich beugte - ein Lichtglanz aus einer höheren
Welt, als die Welt durchaus egoistischer Interessen,
in welcher sie selbst sich bewegte. -- Helene selbst

er nicht bis jetzt noch überall reüſſirt? war ſein Glück
bei den Frauen nicht ſprichwörtlich ſelbſt unter den
Kameraden, von denen ſich doch ſo ziemlich jeder
Einzelne für einen Paris hielt? und hatte er nicht
ſchon ſo oft erfahren, daß ſich die Liebe hinter dem
Anſchein der Gleichgültigkeit, ja der Abneigung ver¬
birgt? Freilich trieb ſeine ſchöne Couſine die Komödie
ziemlich weit; freilich behandelte ſie ihn mit einer
Kälte, einer Geringſchätzung, die manchmal gradezu
beleidigend war — aber er ließ ſich dadurch in dem
felſenfeſten Glauben an ſeine unwiderſtehliche Liebens¬
würdigkeit nicht beirren und verſpottete die Baronin,
wenn dieſe ihn wieder und immer wieder zur Vor¬
ſicht ermahnte. Denn Anna Maria ſah, da keine per¬
ſönliche Eitelkeit die Klarheit ihres Blickes trübte, in
dieſer Angelegenheit viel ſchärfer als Felix. Sie, die
an ſich ſelbſt die Energie des Charakters ſo hoch
ſchätzte, mußte im Stillen die conſequente Gleich¬
mäßigkeit in Helene's Betragen, die beſcheidene Feſtig¬
keit, mit der ſie ihre Anſichten ausſprach und be¬
hauptete. bewundern. Es war ein Etwas in der
ſtolzen Schönheit ihrer Tochter, wovor ſie ſich unwill¬
kürlich beugte - ein Lichtglanz aus einer höheren
Welt, als die Welt durchaus egoiſtiſcher Intereſſen,
in welcher ſie ſelbſt ſich bewegte. — Helene ſelbſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0051" n="41"/>
er nicht bis jetzt noch überall reü&#x017F;&#x017F;irt? war &#x017F;ein Glück<lb/>
bei den Frauen nicht &#x017F;prichwörtlich &#x017F;elb&#x017F;t unter den<lb/>
Kameraden, von denen &#x017F;ich doch &#x017F;o ziemlich jeder<lb/>
Einzelne für einen Paris hielt? und hatte er nicht<lb/>
&#x017F;chon &#x017F;o oft erfahren, daß &#x017F;ich die Liebe hinter dem<lb/>
An&#x017F;chein der Gleichgültigkeit, ja der Abneigung ver¬<lb/>
birgt? Freilich trieb &#x017F;eine &#x017F;chöne Cou&#x017F;ine die Komödie<lb/>
ziemlich weit; freilich behandelte &#x017F;ie ihn mit einer<lb/>
Kälte, einer Gering&#x017F;chätzung, die manchmal gradezu<lb/>
beleidigend war &#x2014; aber er ließ &#x017F;ich dadurch in dem<lb/>
fel&#x017F;enfe&#x017F;ten Glauben an &#x017F;eine unwider&#x017F;tehliche Liebens¬<lb/>
würdigkeit nicht beirren und ver&#x017F;pottete die Baronin,<lb/>
wenn die&#x017F;e ihn wieder und immer wieder zur Vor¬<lb/>
&#x017F;icht ermahnte. Denn Anna Maria &#x017F;ah, da keine per¬<lb/>
&#x017F;önliche Eitelkeit die Klarheit ihres Blickes trübte, in<lb/>
die&#x017F;er Angelegenheit viel &#x017F;chärfer als Felix. Sie, die<lb/>
an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t die Energie des Charakters &#x017F;o hoch<lb/>
&#x017F;chätzte, mußte im Stillen die con&#x017F;equente Gleich¬<lb/>
mäßigkeit in Helene's Betragen, die be&#x017F;cheidene Fe&#x017F;tig¬<lb/>
keit, mit der &#x017F;ie ihre An&#x017F;ichten aus&#x017F;prach und be¬<lb/>
hauptete. bewundern. Es war ein Etwas in der<lb/>
&#x017F;tolzen Schönheit ihrer Tochter, wovor &#x017F;ie &#x017F;ich unwill¬<lb/>
kürlich beugte - ein Lichtglanz aus einer höheren<lb/>
Welt, als die Welt durchaus egoi&#x017F;ti&#x017F;cher Intere&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
in welcher &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ich bewegte. &#x2014; Helene &#x017F;elb&#x017F;t<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41/0051] er nicht bis jetzt noch überall reüſſirt? war ſein Glück bei den Frauen nicht ſprichwörtlich ſelbſt unter den Kameraden, von denen ſich doch ſo ziemlich jeder Einzelne für einen Paris hielt? und hatte er nicht ſchon ſo oft erfahren, daß ſich die Liebe hinter dem Anſchein der Gleichgültigkeit, ja der Abneigung ver¬ birgt? Freilich trieb ſeine ſchöne Couſine die Komödie ziemlich weit; freilich behandelte ſie ihn mit einer Kälte, einer Geringſchätzung, die manchmal gradezu beleidigend war — aber er ließ ſich dadurch in dem felſenfeſten Glauben an ſeine unwiderſtehliche Liebens¬ würdigkeit nicht beirren und verſpottete die Baronin, wenn dieſe ihn wieder und immer wieder zur Vor¬ ſicht ermahnte. Denn Anna Maria ſah, da keine per¬ ſönliche Eitelkeit die Klarheit ihres Blickes trübte, in dieſer Angelegenheit viel ſchärfer als Felix. Sie, die an ſich ſelbſt die Energie des Charakters ſo hoch ſchätzte, mußte im Stillen die conſequente Gleich¬ mäßigkeit in Helene's Betragen, die beſcheidene Feſtig¬ keit, mit der ſie ihre Anſichten ausſprach und be¬ hauptete. bewundern. Es war ein Etwas in der ſtolzen Schönheit ihrer Tochter, wovor ſie ſich unwill¬ kürlich beugte - ein Lichtglanz aus einer höheren Welt, als die Welt durchaus egoiſtiſcher Intereſſen, in welcher ſie ſelbſt ſich bewegte. — Helene ſelbſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/51
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/51>, abgerufen am 02.05.2024.