hier einen Ausweg fand, an den er noch gar nicht gedacht hatte -- denn Anna-Maria's Gemüthlosigkeit in Geldangelegenheiten war ihm aus Erfahrung be¬ kannt -- griff mit beiden Händen zu, obgleich eine Heirat nicht eben nach seinem Geschmack war. In¬ dessen war er bereit, sich auf jeden Fall auch in diese Bedingung zu fügen. Wie angenehm war er deshalb überrascht, als ihm in seiner Cousine, die er bis da¬ hin nicht gekannt hatte, ein Wesen entgegentrat, schö¬ ner, anmuthiger, als irgend eine der Damen, die er bisher mit seiner Neigung beehrt hatte -- ein Wesen, das die Seine zu nennen, den Stolzesten der Stolzen entzückt haben würde. So waren denn nicht zwei Tage vergangen, als Felix für seine schöne Cousine in seinem Herzen eine Leidenschaft fühlte, die freilich, genau betrachtet, bloße Eitelkeit war, ihm selbst aber wie ein ganzes Wunder vorkam. Selbstische Menschen sind auf Alles eitel, selbst auf die natürlichsten Ge¬ fühle, und so konnte denn Felix nicht müde werden, die Baronin von seiner Liebe, wie von einem achten Wunder der Welt, zu unterhalten und sich auch gegen die Uebrigen, besonders Oswald, über die Herr¬ lichkeit eines auf das Höchste gerichteten Strebens auszulassen. Ob seine Leidenschaft erwiedert wurde? Felix zweifelte nicht einen Augenblick daran. Hatte
hier einen Ausweg fand, an den er noch gar nicht gedacht hatte — denn Anna-Maria's Gemüthloſigkeit in Geldangelegenheiten war ihm aus Erfahrung be¬ kannt — griff mit beiden Händen zu, obgleich eine Heirat nicht eben nach ſeinem Geſchmack war. In¬ deſſen war er bereit, ſich auf jeden Fall auch in dieſe Bedingung zu fügen. Wie angenehm war er deshalb überraſcht, als ihm in ſeiner Couſine, die er bis da¬ hin nicht gekannt hatte, ein Weſen entgegentrat, ſchö¬ ner, anmuthiger, als irgend eine der Damen, die er bisher mit ſeiner Neigung beehrt hatte — ein Weſen, das die Seine zu nennen, den Stolzeſten der Stolzen entzückt haben würde. So waren denn nicht zwei Tage vergangen, als Felix für ſeine ſchöne Couſine in ſeinem Herzen eine Leidenſchaft fühlte, die freilich, genau betrachtet, bloße Eitelkeit war, ihm ſelbſt aber wie ein ganzes Wunder vorkam. Selbſtiſche Menſchen ſind auf Alles eitel, ſelbſt auf die natürlichſten Ge¬ fühle, und ſo konnte denn Felix nicht müde werden, die Baronin von ſeiner Liebe, wie von einem achten Wunder der Welt, zu unterhalten und ſich auch gegen die Uebrigen, beſonders Oswald, über die Herr¬ lichkeit eines auf das Höchſte gerichteten Strebens auszulaſſen. Ob ſeine Leidenſchaft erwiedert wurde? Felix zweifelte nicht einen Augenblick daran. Hatte
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hier einen Ausweg fand, an den er noch gar nicht
gedacht hatte — denn Anna-Maria's Gemüthloſigkeit
in Geldangelegenheiten war ihm aus Erfahrung be¬
kannt — griff mit beiden Händen zu, obgleich eine
Heirat nicht eben nach ſeinem Geſchmack war. In¬
deſſen war er bereit, ſich auf jeden Fall auch in dieſe
Bedingung zu fügen. Wie angenehm war er deshalb
überraſcht, als ihm in ſeiner Couſine, die er bis da¬
hin nicht gekannt hatte, ein Weſen entgegentrat, ſchö¬
ner, anmuthiger, als irgend eine der Damen, die er
bisher mit ſeiner Neigung beehrt hatte — ein Weſen,
das die Seine zu nennen, den Stolzeſten der Stolzen
entzückt haben würde. So waren denn nicht zwei
Tage vergangen, als Felix für ſeine ſchöne Couſine
in ſeinem Herzen eine Leidenſchaft fühlte, die freilich,
genau betrachtet, bloße Eitelkeit war, ihm ſelbſt aber
wie ein ganzes Wunder vorkam. Selbſtiſche Menſchen
ſind auf Alles eitel, ſelbſt auf die natürlichſten Ge¬
fühle, und ſo konnte denn Felix nicht müde werden,
die Baronin von ſeiner Liebe, wie von einem achten
Wunder der Welt, zu unterhalten und ſich auch
gegen die Uebrigen, beſonders Oswald, über die Herr¬
lichkeit eines auf das Höchſte gerichteten Strebens
auszulaſſen. Ob ſeine Leidenſchaft erwiedert wurde?
Felix zweifelte nicht einen Augenblick daran. Hatte
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/50>, abgerufen am 22.12.2024.
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