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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

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gemächer. Da Reiten, Schießen und Jagen Vergnü¬
gungen sind, die durch Gemeinsamkeit wesentlich erhöht
werden, so waren Oswald, Albert und selbst Bruno
in keinem Augenblick vor Felix sicher, der fortwährend
auf der Jagd nach einem Gefährten zu dieser oder
jener Unternehmung war, und stets so lange bat und
quälte, bis man sich wol oder übel seinen Wünschen
accommodirte. Felix gehörte zu den Menschen, die
niemals müßig sind, ohne doch eigentlich jemals wirk¬
lich beschäftigt zu sein, mochte er nun stundenlang bei
seiner Toilette zubringen und zwischendurch die Chan¬
sons von Beranger, oder ein paar Capitel aus den
liaisons dangereuses (seinen Lieblingsbüchern) lesen;
mochte er sich mit der zweckmäßigsten Construction
einer Angelruthe die Zeit vertreiben oder die mangel¬
hafte Dressur seines Hühnerhundes vervollständigen,
oder von ein paar Musikstücken die ersten Takte spie¬
len, um mit keinem zu Ende zu kommen -- er war
stets und zu jeder Zeit der geschäftige Müßiggänger,
der die vortrefflichsten Naturanlagen in der Verfol¬
gung von lauter frivolen und oberflächlichen Zwecken
vergeudete. Denn Felix war eine sehr begabte Natur,
deren nachhaltige Kraft selbst ein überaus wüstes und
leichtsinniges Leben nicht gänzlich hatte vernichten kön¬
nen. Ein Streben nach dem Höheren, die Ahnung

gemächer. Da Reiten, Schießen und Jagen Vergnü¬
gungen ſind, die durch Gemeinſamkeit weſentlich erhöht
werden, ſo waren Oswald, Albert und ſelbſt Bruno
in keinem Augenblick vor Felix ſicher, der fortwährend
auf der Jagd nach einem Gefährten zu dieſer oder
jener Unternehmung war, und ſtets ſo lange bat und
quälte, bis man ſich wol oder übel ſeinen Wünſchen
accommodirte. Felix gehörte zu den Menſchen, die
niemals müßig ſind, ohne doch eigentlich jemals wirk¬
lich beſchäftigt zu ſein, mochte er nun ſtundenlang bei
ſeiner Toilette zubringen und zwiſchendurch die Chan¬
ſons von Béranger, oder ein paar Capitel aus den
liaisons dangéreuses (ſeinen Lieblingsbüchern) leſen;
mochte er ſich mit der zweckmäßigſten Conſtruction
einer Angelruthe die Zeit vertreiben oder die mangel¬
hafte Dreſſur ſeines Hühnerhundes vervollſtändigen,
oder von ein paar Muſikſtücken die erſten Takte ſpie¬
len, um mit keinem zu Ende zu kommen — er war
ſtets und zu jeder Zeit der geſchäftige Müßiggänger,
der die vortrefflichſten Naturanlagen in der Verfol¬
gung von lauter frivolen und oberflächlichen Zwecken
vergeudete. Denn Felix war eine ſehr begabte Natur,
deren nachhaltige Kraft ſelbſt ein überaus wüſtes und
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nen. Ein Streben nach dem Höheren, die Ahnung

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[38/0048] gemächer. Da Reiten, Schießen und Jagen Vergnü¬ gungen ſind, die durch Gemeinſamkeit weſentlich erhöht werden, ſo waren Oswald, Albert und ſelbſt Bruno in keinem Augenblick vor Felix ſicher, der fortwährend auf der Jagd nach einem Gefährten zu dieſer oder jener Unternehmung war, und ſtets ſo lange bat und quälte, bis man ſich wol oder übel ſeinen Wünſchen accommodirte. Felix gehörte zu den Menſchen, die niemals müßig ſind, ohne doch eigentlich jemals wirk¬ lich beſchäftigt zu ſein, mochte er nun ſtundenlang bei ſeiner Toilette zubringen und zwiſchendurch die Chan¬ ſons von Béranger, oder ein paar Capitel aus den liaisons dangéreuses (ſeinen Lieblingsbüchern) leſen; mochte er ſich mit der zweckmäßigſten Conſtruction einer Angelruthe die Zeit vertreiben oder die mangel¬ hafte Dreſſur ſeines Hühnerhundes vervollſtändigen, oder von ein paar Muſikſtücken die erſten Takte ſpie¬ len, um mit keinem zu Ende zu kommen — er war ſtets und zu jeder Zeit der geſchäftige Müßiggänger, der die vortrefflichſten Naturanlagen in der Verfol¬ gung von lauter frivolen und oberflächlichen Zwecken vergeudete. Denn Felix war eine ſehr begabte Natur, deren nachhaltige Kraft ſelbſt ein überaus wüſtes und leichtſinniges Leben nicht gänzlich hatte vernichten kön¬ nen. Ein Streben nach dem Höheren, die Ahnung

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/48>, abgerufen am 20.04.2024.