unter der glatten Hülle geselliger Höflichkeit und pein¬ lich genau beobachteter Formen in der Tiefe gährte und kochte: geheime Liebe und tief versteckter Haß! Feindschaften unter der Maske trefflichsten Einver¬ nehmens und guter Kameradschaft! herzliche Sym¬ pathien, die sich unter dem Anschein von Gleichgültig¬ keit, ja Abneigung verbargen! Selbst die Physiogno¬ mie des äußeren Lebens war verändert. Die tiefe, fast beängstigende Stille, die sonst in dem weiten Raume, welchen der Schloßwall einschloß, herrschte, wurde jetzt gar vielfach gestört. Baron Felix, der zum Anachoreten sehr wenig Talent besaß, mochte es sich nicht versagen, wenigstens einer oder der andern seiner gewohnten Beschäftigungen in der Einsamkeit von Schloß Grenwitz nachzuhängen. Am Tage nach seiner Ankunft waren seine beiden schönen Reitpferde glücklich angelangt, und so konnten bei den weiteren Ausflügen der Gesellschaft, die zu Wagen unternommen wurden, wenigstens zwei der Herren beritten gemacht werden. In einem entlegeneren Theile des Gartens war unter seiner Leitung ein kleiner Schießstand hergerichtet wor¬ den, und in den späteren Nachmittagsstunden ertönte jetzt sehr oft (zu der Baronin geheimem Entsetzen) der kurze, scharfe Knall gezogener Pistolen bis in die ge¬ heiligte Stille der nach dem Garten gelegenen Wohn¬
unter der glatten Hülle geſelliger Höflichkeit und pein¬ lich genau beobachteter Formen in der Tiefe gährte und kochte: geheime Liebe und tief verſteckter Haß! Feindſchaften unter der Maske trefflichſten Einver¬ nehmens und guter Kameradſchaft! herzliche Sym¬ pathien, die ſich unter dem Anſchein von Gleichgültig¬ keit, ja Abneigung verbargen! Selbſt die Phyſiogno¬ mie des äußeren Lebens war verändert. Die tiefe, faſt beängſtigende Stille, die ſonſt in dem weiten Raume, welchen der Schloßwall einſchloß, herrſchte, wurde jetzt gar vielfach geſtört. Baron Felix, der zum Anachoreten ſehr wenig Talent beſaß, mochte es ſich nicht verſagen, wenigſtens einer oder der andern ſeiner gewohnten Beſchäftigungen in der Einſamkeit von Schloß Grenwitz nachzuhängen. Am Tage nach ſeiner Ankunft waren ſeine beiden ſchönen Reitpferde glücklich angelangt, und ſo konnten bei den weiteren Ausflügen der Geſellſchaft, die zu Wagen unternommen wurden, wenigſtens zwei der Herren beritten gemacht werden. In einem entlegeneren Theile des Gartens war unter ſeiner Leitung ein kleiner Schießſtand hergerichtet wor¬ den, und in den ſpäteren Nachmittagsſtunden ertönte jetzt ſehr oft (zu der Baronin geheimem Entſetzen) der kurze, ſcharfe Knall gezogener Piſtolen bis in die ge¬ heiligte Stille der nach dem Garten gelegenen Wohn¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0047"n="37"/>
unter der glatten Hülle geſelliger Höflichkeit und pein¬<lb/>
lich genau beobachteter Formen in der Tiefe gährte<lb/>
und kochte: geheime Liebe und tief verſteckter Haß!<lb/>
Feindſchaften unter der Maske trefflichſten Einver¬<lb/>
nehmens und guter Kameradſchaft! herzliche Sym¬<lb/>
pathien, die ſich unter dem Anſchein von Gleichgültig¬<lb/>
keit, ja Abneigung verbargen! Selbſt die Phyſiogno¬<lb/>
mie des äußeren Lebens war verändert. Die tiefe,<lb/>
faſt beängſtigende Stille, die ſonſt in dem weiten<lb/>
Raume, welchen der Schloßwall einſchloß, herrſchte,<lb/>
wurde jetzt gar vielfach geſtört. Baron Felix, der<lb/>
zum Anachoreten ſehr wenig Talent beſaß, mochte es<lb/>ſich nicht verſagen, wenigſtens einer oder der andern<lb/>ſeiner gewohnten Beſchäftigungen in der Einſamkeit von<lb/>
Schloß Grenwitz nachzuhängen. Am Tage nach ſeiner<lb/>
Ankunft waren ſeine beiden ſchönen Reitpferde glücklich<lb/>
angelangt, und ſo konnten bei den weiteren Ausflügen<lb/>
der Geſellſchaft, die zu Wagen unternommen wurden,<lb/>
wenigſtens zwei der Herren beritten gemacht werden.<lb/>
In einem entlegeneren Theile des Gartens war unter<lb/>ſeiner Leitung ein kleiner Schießſtand hergerichtet wor¬<lb/>
den, und in den ſpäteren Nachmittagsſtunden ertönte<lb/>
jetzt ſehr oft (zu der Baronin geheimem Entſetzen) der<lb/>
kurze, ſcharfe Knall gezogener Piſtolen bis in die ge¬<lb/>
heiligte Stille der nach dem Garten gelegenen Wohn¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[37/0047]
unter der glatten Hülle geſelliger Höflichkeit und pein¬
lich genau beobachteter Formen in der Tiefe gährte
und kochte: geheime Liebe und tief verſteckter Haß!
Feindſchaften unter der Maske trefflichſten Einver¬
nehmens und guter Kameradſchaft! herzliche Sym¬
pathien, die ſich unter dem Anſchein von Gleichgültig¬
keit, ja Abneigung verbargen! Selbſt die Phyſiogno¬
mie des äußeren Lebens war verändert. Die tiefe,
faſt beängſtigende Stille, die ſonſt in dem weiten
Raume, welchen der Schloßwall einſchloß, herrſchte,
wurde jetzt gar vielfach geſtört. Baron Felix, der
zum Anachoreten ſehr wenig Talent beſaß, mochte es
ſich nicht verſagen, wenigſtens einer oder der andern
ſeiner gewohnten Beſchäftigungen in der Einſamkeit von
Schloß Grenwitz nachzuhängen. Am Tage nach ſeiner
Ankunft waren ſeine beiden ſchönen Reitpferde glücklich
angelangt, und ſo konnten bei den weiteren Ausflügen
der Geſellſchaft, die zu Wagen unternommen wurden,
wenigſtens zwei der Herren beritten gemacht werden.
In einem entlegeneren Theile des Gartens war unter
ſeiner Leitung ein kleiner Schießſtand hergerichtet wor¬
den, und in den ſpäteren Nachmittagsſtunden ertönte
jetzt ſehr oft (zu der Baronin geheimem Entſetzen) der
kurze, ſcharfe Knall gezogener Piſtolen bis in die ge¬
heiligte Stille der nach dem Garten gelegenen Wohn¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/47>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.