Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.entsetzlicher Angst, da trat sie noch näher -- bog sich "Gute Nacht, Du Wilder!" Oswald küßte seinen Liebling auf die Stirn und "Dein Leben gleicht dieser Nacht," sprach Oswald entſetzlicher Angſt, da trat ſie noch näher — bog ſich „Gute Nacht, Du Wilder!“ Oswald küßte ſeinen Liebling auf die Stirn und „Dein Leben gleicht dieſer Nacht,“ ſprach Oswald <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0044" n="34"/> entſetzlicher Angſt, da trat ſie noch näher — bog ſich<lb/> ſogar herüber — und da wurde mir es ſchwarz vor<lb/> den Augen — nun und das Uebrige weißt Du ja.<lb/> Aber ich höre Malte kommen. Gute Nacht, Oswald.“</p><lb/> <p>„Gute Nacht, Du Wilder!“</p><lb/> <p>Oswald küßte ſeinen Liebling auf die Stirn und<lb/> ging nachdenklich auf ſein Zimmer. Er lehnte ſich<lb/> in das offene Fenſter und ſchaute lange, in Sinnen<lb/> und Brüten verloren, in den Garten hinab. Die<lb/> Nacht war finſter; nur hier und da ſchimmerte ein<lb/> Stern auf Augenblicke durch den Wolkendunſt. Manch¬<lb/> mal rauſchten die Bäume lauter auf, als ſprächen ſie<lb/> ängſtlich in einem wirren, unruhigen Schlaf; der Brun¬<lb/> nen der Najade plätſcherte dazwiſchen, leiſe und ab¬<lb/> gebrochen, als erzähle er eine alte unheimliche Ge¬<lb/> ſchichte.</p><lb/> <p>„Dein Leben gleicht dieſer Nacht,“ ſprach Oswald<lb/> bei ſich: „hier und da ein Stern, der ſo bald wieder<lb/> verſchwunden iſt, und ſonſt Alles chaotiſches Dunkel.<lb/> Du haſt recht, guter Berger: unſer Leben iſt ein<lb/> hohles Nichts, und wer nur überhaupt einen Ver¬<lb/> ſtand zu verlieren hat, muß ihn darüber verlieren.<lb/> Wollteſt Du bewirken, daß Dir Dein Schüler ſobald<lb/> als möglich nachfolgen könnte, als Du mich hierher<lb/> ſchickteſt? Da biſt Du nun an demſelben Orte, wo<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [34/0044]
entſetzlicher Angſt, da trat ſie noch näher — bog ſich
ſogar herüber — und da wurde mir es ſchwarz vor
den Augen — nun und das Uebrige weißt Du ja.
Aber ich höre Malte kommen. Gute Nacht, Oswald.“
„Gute Nacht, Du Wilder!“
Oswald küßte ſeinen Liebling auf die Stirn und
ging nachdenklich auf ſein Zimmer. Er lehnte ſich
in das offene Fenſter und ſchaute lange, in Sinnen
und Brüten verloren, in den Garten hinab. Die
Nacht war finſter; nur hier und da ſchimmerte ein
Stern auf Augenblicke durch den Wolkendunſt. Manch¬
mal rauſchten die Bäume lauter auf, als ſprächen ſie
ängſtlich in einem wirren, unruhigen Schlaf; der Brun¬
nen der Najade plätſcherte dazwiſchen, leiſe und ab¬
gebrochen, als erzähle er eine alte unheimliche Ge¬
ſchichte.
„Dein Leben gleicht dieſer Nacht,“ ſprach Oswald
bei ſich: „hier und da ein Stern, der ſo bald wieder
verſchwunden iſt, und ſonſt Alles chaotiſches Dunkel.
Du haſt recht, guter Berger: unſer Leben iſt ein
hohles Nichts, und wer nur überhaupt einen Ver¬
ſtand zu verlieren hat, muß ihn darüber verlieren.
Wollteſt Du bewirken, daß Dir Dein Schüler ſobald
als möglich nachfolgen könnte, als Du mich hierher
ſchickteſt? Da biſt Du nun an demſelben Orte, wo
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