dieser Leidenschaften gewesen sein mußte, vielleicht noch war. Er hatte den jungen Mann vor ein paar Jahren gesehen, als dieser eben die Cadettenschule verließ. Damals hatte er eine angenehme Erinnerung an den schlanken, kräftig gebauten Jüngling mit dem frischen hübschen Gesicht und den lebhaften hellen Augen davongetragen; jetzt sah er von dieser aller¬ liebsten Erscheinung nur noch einen traurigen Schat¬ ten. Eine gespenstige Magerkeit, tiefe Furchen in dem jugendlich-alten Gesicht, die großen blauen Augen gläsern oder von einem fieberhaften Glanze leuchtend und stets mit dem starren, frechen Blick, der deut¬ licher spricht, als eine lange Lebensbeschreibung -- die Bewegungen hastig und fahrig, offenbar in der Absicht, die innere Mattigkeit und Schlaffheit zu ver¬ decken -- die Rede vorlaut und über Alles mit der¬ selben souveränen Oberflächlichkeit weghuschend -- das ganze Wesen von einer krankhaften Eitelkeit wie zerfressen -- so oder ungefähr so erschien Felix dem besorgten Vater, trotzdem dessen Menschenfreundlichkeit hier wie überall die schlimmsten Flecken des Bildes gutmüthig vertuschte.
Es that ihm leid, daß er sich von seiner Gemalin das Versprechen hatte abnehmen lassen, in dieser An¬ gelegenheit nicht selbstständig handelnd aufzutreten. Es
F. Spielhagen, Problematische Naturen. IV. 2
dieſer Leidenſchaften geweſen ſein mußte, vielleicht noch war. Er hatte den jungen Mann vor ein paar Jahren geſehen, als dieſer eben die Cadettenſchule verließ. Damals hatte er eine angenehme Erinnerung an den ſchlanken, kräftig gebauten Jüngling mit dem friſchen hübſchen Geſicht und den lebhaften hellen Augen davongetragen; jetzt ſah er von dieſer aller¬ liebſten Erſcheinung nur noch einen traurigen Schat¬ ten. Eine geſpenſtige Magerkeit, tiefe Furchen in dem jugendlich-alten Geſicht, die großen blauen Augen gläſern oder von einem fieberhaften Glanze leuchtend und ſtets mit dem ſtarren, frechen Blick, der deut¬ licher ſpricht, als eine lange Lebensbeſchreibung — die Bewegungen haſtig und fahrig, offenbar in der Abſicht, die innere Mattigkeit und Schlaffheit zu ver¬ decken — die Rede vorlaut und über Alles mit der¬ ſelben ſouveränen Oberflächlichkeit weghuſchend — das ganze Weſen von einer krankhaften Eitelkeit wie zerfreſſen — ſo oder ungefähr ſo erſchien Felix dem beſorgten Vater, trotzdem deſſen Menſchenfreundlichkeit hier wie überall die ſchlimmſten Flecken des Bildes gutmüthig vertuſchte.
Es that ihm leid, daß er ſich von ſeiner Gemalin das Verſprechen hatte abnehmen laſſen, in dieſer An¬ gelegenheit nicht ſelbſtſtändig handelnd aufzutreten. Es
F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. IV. 2
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0027"n="17"/>
dieſer Leidenſchaften geweſen ſein mußte, vielleicht<lb/>
noch war. Er hatte den jungen Mann vor ein paar<lb/>
Jahren geſehen, als dieſer eben die Cadettenſchule<lb/>
verließ. Damals hatte er eine angenehme Erinnerung<lb/>
an den ſchlanken, kräftig gebauten Jüngling mit dem<lb/>
friſchen hübſchen Geſicht und den lebhaften hellen<lb/>
Augen davongetragen; jetzt ſah er von dieſer aller¬<lb/>
liebſten Erſcheinung nur noch einen traurigen Schat¬<lb/>
ten. Eine geſpenſtige Magerkeit, tiefe Furchen in<lb/>
dem jugendlich-alten Geſicht, die großen blauen Augen<lb/>
gläſern oder von einem fieberhaften Glanze leuchtend<lb/>
und ſtets mit dem ſtarren, frechen Blick, der deut¬<lb/>
licher ſpricht, als eine lange Lebensbeſchreibung —<lb/>
die Bewegungen haſtig und fahrig, offenbar in der<lb/>
Abſicht, die innere Mattigkeit und Schlaffheit zu ver¬<lb/>
decken — die Rede vorlaut und über Alles mit der¬<lb/>ſelben ſouveränen Oberflächlichkeit weghuſchend — das<lb/>
ganze Weſen von einer krankhaften Eitelkeit wie zerfreſſen<lb/>—ſo oder ungefähr ſo erſchien Felix dem beſorgten<lb/>
Vater, trotzdem deſſen Menſchenfreundlichkeit hier wie<lb/>
überall die ſchlimmſten Flecken des Bildes gutmüthig<lb/>
vertuſchte.</p><lb/><p>Es that ihm leid, daß er ſich von ſeiner Gemalin<lb/>
das Verſprechen hatte abnehmen laſſen, in dieſer An¬<lb/>
gelegenheit nicht ſelbſtſtändig handelnd aufzutreten. Es<lb/><fwplace="bottom"type="sig">F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. <hirendition="#aq">IV</hi>. 2<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[17/0027]
dieſer Leidenſchaften geweſen ſein mußte, vielleicht
noch war. Er hatte den jungen Mann vor ein paar
Jahren geſehen, als dieſer eben die Cadettenſchule
verließ. Damals hatte er eine angenehme Erinnerung
an den ſchlanken, kräftig gebauten Jüngling mit dem
friſchen hübſchen Geſicht und den lebhaften hellen
Augen davongetragen; jetzt ſah er von dieſer aller¬
liebſten Erſcheinung nur noch einen traurigen Schat¬
ten. Eine geſpenſtige Magerkeit, tiefe Furchen in
dem jugendlich-alten Geſicht, die großen blauen Augen
gläſern oder von einem fieberhaften Glanze leuchtend
und ſtets mit dem ſtarren, frechen Blick, der deut¬
licher ſpricht, als eine lange Lebensbeſchreibung —
die Bewegungen haſtig und fahrig, offenbar in der
Abſicht, die innere Mattigkeit und Schlaffheit zu ver¬
decken — die Rede vorlaut und über Alles mit der¬
ſelben ſouveränen Oberflächlichkeit weghuſchend — das
ganze Weſen von einer krankhaften Eitelkeit wie zerfreſſen
— ſo oder ungefähr ſo erſchien Felix dem beſorgten
Vater, trotzdem deſſen Menſchenfreundlichkeit hier wie
überall die ſchlimmſten Flecken des Bildes gutmüthig
vertuſchte.
Es that ihm leid, daß er ſich von ſeiner Gemalin
das Verſprechen hatte abnehmen laſſen, in dieſer An¬
gelegenheit nicht ſelbſtſtändig handelnd aufzutreten. Es
F. Spielhagen, Problematiſche Naturen. IV. 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/27>, abgerufen am 28.03.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.