wie dankbar ich für die liebenswürdige Gastfreund¬ schaft, die Sie mir stets und besonders in den letzten, so glücklich verlebten Tagen bewiesen haben, gewesen bin. Wenn ich daher etwas sage oder thue, was mit diesen Gefühlen im Widerspruch zu stehen scheint, so können Sie mit Bestimmtheit annehmen, daß dieser Widerspruch eben nur scheinbar ist, und daß mich ein höheres Princip als persönliche Freundschaft und individuelle Hochachtung zum Handeln zwingt: nämlich die Achtung vor der Gerechtigkeit, die wir Allen schuldig sind.
Dieses mir inwohnende Rechtlichkeitsgefühl aber (ein Erbstück ohne Zweifel meines seligen Vaters) will, daß ich Ihnen eine höchst eigenthümliche Ent¬ deckung, die ich in diesen Tagen gemacht habe, und die für Sie von einer gewissen Bedeutung sein dürfte, nicht einen Augenblick länger vorenthalte.
Sie wissen, daß mein verstorbener Vater die Stellung eines Advocaten in Grünwald bekleidete, daß seine Praxis eben so groß war, wie der Ruf seiner Rechtlichkeit, Gewissenhaftigkeit und Klugheit, und daß die angesehensten Familien des Landes zu seiner Clientel gehörten. Unter andern stand er auch mit dem verstorbenen Herrn Baron Harald von Gren¬ witz in steter Geschäftsverbindung, aus der sich, wie
wie dankbar ich für die liebenswürdige Gaſtfreund¬ ſchaft, die Sie mir ſtets und beſonders in den letzten, ſo glücklich verlebten Tagen bewieſen haben, geweſen bin. Wenn ich daher etwas ſage oder thue, was mit dieſen Gefühlen im Widerſpruch zu ſtehen ſcheint, ſo können Sie mit Beſtimmtheit annehmen, daß dieſer Widerſpruch eben nur ſcheinbar iſt, und daß mich ein höheres Princip als perſönliche Freundſchaft und individuelle Hochachtung zum Handeln zwingt: nämlich die Achtung vor der Gerechtigkeit, die wir Allen ſchuldig ſind.
Dieſes mir inwohnende Rechtlichkeitsgefühl aber (ein Erbſtück ohne Zweifel meines ſeligen Vaters) will, daß ich Ihnen eine höchſt eigenthümliche Ent¬ deckung, die ich in dieſen Tagen gemacht habe, und die für Sie von einer gewiſſen Bedeutung ſein dürfte, nicht einen Augenblick länger vorenthalte.
Sie wiſſen, daß mein verſtorbener Vater die Stellung eines Advocaten in Grünwald bekleidete, daß ſeine Praxis eben ſo groß war, wie der Ruf ſeiner Rechtlichkeit, Gewiſſenhaftigkeit und Klugheit, und daß die angeſehenſten Familien des Landes zu ſeiner Clientel gehörten. Unter andern ſtand er auch mit dem verſtorbenen Herrn Baron Harald von Gren¬ witz in ſteter Geſchäftsverbindung, aus der ſich, wie
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wie dankbar ich für die liebenswürdige Gaſtfreund¬
ſchaft, die Sie mir ſtets und beſonders in den letzten,
ſo glücklich verlebten Tagen bewieſen haben, geweſen
bin. Wenn ich daher etwas ſage oder thue, was mit
dieſen Gefühlen im Widerſpruch zu ſtehen ſcheint, ſo
können Sie mit Beſtimmtheit annehmen, daß dieſer
Widerſpruch eben nur ſcheinbar iſt, und daß mich ein
höheres Princip als perſönliche Freundſchaft und
individuelle Hochachtung zum Handeln zwingt: nämlich
die Achtung vor der Gerechtigkeit, die wir Allen
ſchuldig ſind.
Dieſes mir inwohnende Rechtlichkeitsgefühl aber
(ein Erbſtück ohne Zweifel meines ſeligen Vaters)
will, daß ich Ihnen eine höchſt eigenthümliche Ent¬
deckung, die ich in dieſen Tagen gemacht habe, und
die für Sie von einer gewiſſen Bedeutung ſein dürfte,
nicht einen Augenblick länger vorenthalte.
Sie wiſſen, daß mein verſtorbener Vater die
Stellung eines Advocaten in Grünwald bekleidete,
daß ſeine Praxis eben ſo groß war, wie der Ruf
ſeiner Rechtlichkeit, Gewiſſenhaftigkeit und Klugheit,
und daß die angeſehenſten Familien des Landes zu
ſeiner Clientel gehörten. Unter andern ſtand er auch
mit dem verſtorbenen Herrn Baron Harald von Gren¬
witz in ſteter Geſchäftsverbindung, aus der ſich, wie
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/236>, abgerufen am 22.12.2024.
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