uneins sind;" sagte der gute alte Mann und die Thränen standen ihm in den Augen. "Ich habe Gott alle diese Tage gebeten, er möge mich erleuchten, daß ich in dieser Sache das Rechte thue, wie ich es denn gern in allen Dingen thäte. Es thut mir weh, wenn ich Dich gekränkt haben sollte, liebe Anna-Maria, denn ich weiß, zu welcher Dankbarkeit ich Dir ver¬ pflichtet bin; aber ich habe auch Pflichten gegen meine Tochter und darf nicht zugeben, daß Du sie mit dem besten Willen von der Welt unglücklich machst. Gott weiß, daß ich nur euer Aller Bestes will; und nun, liebe Anna-Maria, laß uns zu Tisch gehen, denn, wenn ich nicht irre, hat Johann schon zweimal gerufen."
Die Baronin sollte heute nicht zur Ruhe kommen.
Das melancholische Mittagsmahl, an welchem weder Oswald, der Bruno nicht verlassen wollte, noch Helene, die sich mit Kopfschmerzen entschuldigen ließ, Theil genommen hatten, war vorüber und der Baron eben fortgegangen, um sich mit Helenen auszusprechen und sich nach Bruno's Befinden zu erkundigen. Die Baronin war mit Felix allein geblieben und jetzt in der äußerst peinlichen Lage, ihm sagen zu müssen, daß ihr gemeinsames Project an dem hartnäckigen Wider¬ stand Helenen's und der Unbeugsamkeit des Barons gescheitert sei. Und das sollte sie eingestehen, sie, die
uneins ſind;“ ſagte der gute alte Mann und die Thränen ſtanden ihm in den Augen. „Ich habe Gott alle dieſe Tage gebeten, er möge mich erleuchten, daß ich in dieſer Sache das Rechte thue, wie ich es denn gern in allen Dingen thäte. Es thut mir weh, wenn ich Dich gekränkt haben ſollte, liebe Anna-Maria, denn ich weiß, zu welcher Dankbarkeit ich Dir ver¬ pflichtet bin; aber ich habe auch Pflichten gegen meine Tochter und darf nicht zugeben, daß Du ſie mit dem beſten Willen von der Welt unglücklich machſt. Gott weiß, daß ich nur euer Aller Beſtes will; und nun, liebe Anna-Maria, laß uns zu Tiſch gehen, denn, wenn ich nicht irre, hat Johann ſchon zweimal gerufen.“
Die Baronin ſollte heute nicht zur Ruhe kommen.
Das melancholiſche Mittagsmahl, an welchem weder Oswald, der Bruno nicht verlaſſen wollte, noch Helene, die ſich mit Kopfſchmerzen entſchuldigen ließ, Theil genommen hatten, war vorüber und der Baron eben fortgegangen, um ſich mit Helenen auszuſprechen und ſich nach Bruno's Befinden zu erkundigen. Die Baronin war mit Felix allein geblieben und jetzt in der äußerſt peinlichen Lage, ihm ſagen zu müſſen, daß ihr gemeinſames Project an dem hartnäckigen Wider¬ ſtand Helenen's und der Unbeugſamkeit des Barons geſcheitert ſei. Und das ſollte ſie eingeſtehen, ſie, die
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uneins ſind;“ ſagte der gute alte Mann und die
Thränen ſtanden ihm in den Augen. „Ich habe Gott
alle dieſe Tage gebeten, er möge mich erleuchten, daß
ich in dieſer Sache das Rechte thue, wie ich es denn
gern in allen Dingen thäte. Es thut mir weh, wenn
ich Dich gekränkt haben ſollte, liebe Anna-Maria,
denn ich weiß, zu welcher Dankbarkeit ich Dir ver¬
pflichtet bin; aber ich habe auch Pflichten gegen meine
Tochter und darf nicht zugeben, daß Du ſie mit dem
beſten Willen von der Welt unglücklich machſt. Gott
weiß, daß ich nur euer Aller Beſtes will; und nun, liebe
Anna-Maria, laß uns zu Tiſch gehen, denn, wenn
ich nicht irre, hat Johann ſchon zweimal gerufen.“
Die Baronin ſollte heute nicht zur Ruhe kommen.
Das melancholiſche Mittagsmahl, an welchem
weder Oswald, der Bruno nicht verlaſſen wollte, noch
Helene, die ſich mit Kopfſchmerzen entſchuldigen ließ,
Theil genommen hatten, war vorüber und der Baron
eben fortgegangen, um ſich mit Helenen auszuſprechen
und ſich nach Bruno's Befinden zu erkundigen. Die
Baronin war mit Felix allein geblieben und jetzt in
der äußerſt peinlichen Lage, ihm ſagen zu müſſen, daß
ihr gemeinſames Project an dem hartnäckigen Wider¬
ſtand Helenen's und der Unbeugſamkeit des Barons
geſcheitert ſei. Und das ſollte ſie eingeſtehen, ſie, die
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/231>, abgerufen am 22.12.2024.
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