thasar nicht getroffen habe. Derselbe sei auf ein ent¬ ferntes Gut gefahren, wo sich ein Mann den Arm gebrochen. Man wolle ihm indessen, sobald er zurück komme, was wohl vor Einbruch der Nacht nicht ge¬ schehen werde, die Bestellung ausrichten, und zweifle nicht, daß er derselben Folge leisten werde, wenn er selbst nicht zu angegriffen sei.
Dabei mußte sich denn also Oswald beruhigen, so gut er es vermochte. Bruno's Zustand war so ziem¬ lich derselbe geblieben. Die Schmerzen hatten viel¬ leicht etwas nachgelassen, aber sich über eine größere Fläche verbreitet. Er gab sich die größte Mühe, Oswald, dessen Angst mit jeder Stunde wuchs, je später es wurde, ohne daß ärztliche Hülfe erschien, seine Befürchtungen auszureden. "Es ist nichts; es wird morgen schon wieder besser sein; daß der Brief noch immer in unseren Händen ist, macht mir viel größere Sorge, als meine Krankheit. Könntest Du nicht einen Versuch machen, Oswald, ihn, wie ich es gestern wollte, durchs Fenster in ihr Zimmer zu wer¬ fen? Wenn Dir Felix begegnet, sag' ihm nur: er solle an gestern Nacht denken, dann wird er sich schon aus dem Staube machen; oder besser, sage nichts, und thu', was ich leider nicht gethan habe, erwürge ihn auf der Stelle."
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thaſar nicht getroffen habe. Derſelbe ſei auf ein ent¬ ferntes Gut gefahren, wo ſich ein Mann den Arm gebrochen. Man wolle ihm indeſſen, ſobald er zurück komme, was wohl vor Einbruch der Nacht nicht ge¬ ſchehen werde, die Beſtellung ausrichten, und zweifle nicht, daß er derſelben Folge leiſten werde, wenn er ſelbſt nicht zu angegriffen ſei.
Dabei mußte ſich denn alſo Oswald beruhigen, ſo gut er es vermochte. Bruno's Zuſtand war ſo ziem¬ lich derſelbe geblieben. Die Schmerzen hatten viel¬ leicht etwas nachgelaſſen, aber ſich über eine größere Fläche verbreitet. Er gab ſich die größte Mühe, Oswald, deſſen Angſt mit jeder Stunde wuchs, je ſpäter es wurde, ohne daß ärztliche Hülfe erſchien, ſeine Befürchtungen auszureden. „Es iſt nichts; es wird morgen ſchon wieder beſſer ſein; daß der Brief noch immer in unſeren Händen iſt, macht mir viel größere Sorge, als meine Krankheit. Könnteſt Du nicht einen Verſuch machen, Oswald, ihn, wie ich es geſtern wollte, durchs Fenſter in ihr Zimmer zu wer¬ fen? Wenn Dir Felix begegnet, ſag' ihm nur: er ſolle an geſtern Nacht denken, dann wird er ſich ſchon aus dem Staube machen; oder beſſer, ſage nichts, und thu', was ich leider nicht gethan habe, erwürge ihn auf der Stelle.“
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thaſar nicht getroffen habe. Derſelbe ſei auf ein ent¬
ferntes Gut gefahren, wo ſich ein Mann den Arm
gebrochen. Man wolle ihm indeſſen, ſobald er zurück
komme, was wohl vor Einbruch der Nacht nicht ge¬
ſchehen werde, die Beſtellung ausrichten, und zweifle
nicht, daß er derſelben Folge leiſten werde, wenn er
ſelbſt nicht zu angegriffen ſei.
Dabei mußte ſich denn alſo Oswald beruhigen, ſo
gut er es vermochte. Bruno's Zuſtand war ſo ziem¬
lich derſelbe geblieben. Die Schmerzen hatten viel¬
leicht etwas nachgelaſſen, aber ſich über eine größere
Fläche verbreitet. Er gab ſich die größte Mühe,
Oswald, deſſen Angſt mit jeder Stunde wuchs, je
ſpäter es wurde, ohne daß ärztliche Hülfe erſchien,
ſeine Befürchtungen auszureden. „Es iſt nichts; es
wird morgen ſchon wieder beſſer ſein; daß der Brief
noch immer in unſeren Händen iſt, macht mir viel
größere Sorge, als meine Krankheit. Könnteſt Du
nicht einen Verſuch machen, Oswald, ihn, wie ich es
geſtern wollte, durchs Fenſter in ihr Zimmer zu wer¬
fen? Wenn Dir Felix begegnet, ſag' ihm nur: er
ſolle an geſtern Nacht denken, dann wird er ſich ſchon
aus dem Staube machen; oder beſſer, ſage nichts,
und thu', was ich leider nicht gethan habe, erwürge
ihn auf der Stelle.“
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/205>, abgerufen am 22.12.2024.
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