es gäbe gewisse Leute, die über gewisse Dinge eine ziemlich gewisse Auskunft geben könnten, daß aber Verschwiegenheit die erste Pflicht eines guten Bedien¬ ten sei. Er wolle nur so viel sagen, daß sein Herr eine Sache, die er angefangen habe, auch zu Ende bringe, und daß er (der Kammerdiener) der unma߬ geblichen Meinung sei, es gebe kein Mädchen auf Erden, das seinem Herrn auf die Dauer widerstehen könne -- eine Behauptung, die von dem weiblichen Theil der Gesellschaft mit großer Entrüstung zurückgewiesen wurde.
Was den Blicken dieser Leute nicht entging, konnte Oswald's durch die Liebe hundertfach geschärftem Auge nicht verborgen bleiben. Mußte er doch täglich wahr¬ nehmen, wie Baron Felix Alles aufbot, sich die Gunst seiner schönen Cousine zu erwerben: Alle Gewandt¬ heit, die er sich in tausend Intriguen auf den glatten Parquets großstädtischer Salons angeeignet, allen Witz, mit dem ihm die Natur keineswegs kärglich ver¬ sehen hatte; alle Vortheile, die ihm sein Verhältniß als naher Verwandter gestattete. Mußte er doch sehen, mit welcher Umsicht die Baronin diese Bemühungen auf alle Weise unterstützte, und Felix in jeder Hinsicht ebenso unermüdlich wie geschickt secundirte. Zwar sagte er nein! oder schwieg, wenn Bruno nach Tische,
es gäbe gewiſſe Leute, die über gewiſſe Dinge eine ziemlich gewiſſe Auskunft geben könnten, daß aber Verſchwiegenheit die erſte Pflicht eines guten Bedien¬ ten ſei. Er wolle nur ſo viel ſagen, daß ſein Herr eine Sache, die er angefangen habe, auch zu Ende bringe, und daß er (der Kammerdiener) der unma߬ geblichen Meinung ſei, es gebe kein Mädchen auf Erden, das ſeinem Herrn auf die Dauer widerſtehen könne — eine Behauptung, die von dem weiblichen Theil der Geſellſchaft mit großer Entrüſtung zurückgewieſen wurde.
Was den Blicken dieſer Leute nicht entging, konnte Oswald's durch die Liebe hundertfach geſchärftem Auge nicht verborgen bleiben. Mußte er doch täglich wahr¬ nehmen, wie Baron Felix Alles aufbot, ſich die Gunſt ſeiner ſchönen Couſine zu erwerben: Alle Gewandt¬ heit, die er ſich in tauſend Intriguen auf den glatten Parquets großſtädtiſcher Salons angeeignet, allen Witz, mit dem ihm die Natur keineswegs kärglich ver¬ ſehen hatte; alle Vortheile, die ihm ſein Verhältniß als naher Verwandter geſtattete. Mußte er doch ſehen, mit welcher Umſicht die Baronin dieſe Bemühungen auf alle Weiſe unterſtützte, und Felix in jeder Hinſicht ebenſo unermüdlich wie geſchickt ſecundirte. Zwar ſagte er nein! oder ſchwieg, wenn Bruno nach Tiſche,
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es gäbe gewiſſe Leute, die über gewiſſe Dinge eine
ziemlich gewiſſe Auskunft geben könnten, daß aber
Verſchwiegenheit die erſte Pflicht eines guten Bedien¬
ten ſei. Er wolle nur ſo viel ſagen, daß ſein Herr
eine Sache, die er angefangen habe, auch zu Ende
bringe, und daß er (der Kammerdiener) der unma߬
geblichen Meinung ſei, es gebe kein Mädchen auf Erden,
das ſeinem Herrn auf die Dauer widerſtehen könne
— eine Behauptung, die von dem weiblichen Theil
der Geſellſchaft mit großer Entrüſtung zurückgewieſen
wurde.
Was den Blicken dieſer Leute nicht entging, konnte
Oswald's durch die Liebe hundertfach geſchärftem Auge
nicht verborgen bleiben. Mußte er doch täglich wahr¬
nehmen, wie Baron Felix Alles aufbot, ſich die Gunſt
ſeiner ſchönen Couſine zu erwerben: Alle Gewandt¬
heit, die er ſich in tauſend Intriguen auf den glatten
Parquets großſtädtiſcher Salons angeeignet, allen
Witz, mit dem ihm die Natur keineswegs kärglich ver¬
ſehen hatte; alle Vortheile, die ihm ſein Verhältniß
als naher Verwandter geſtattete. Mußte er doch ſehen,
mit welcher Umſicht die Baronin dieſe Bemühungen
auf alle Weiſe unterſtützte, und Felix in jeder Hinſicht
ebenſo unermüdlich wie geſchickt ſecundirte. Zwar
ſagte er nein! oder ſchwieg, wenn Bruno nach Tiſche,
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/131>, abgerufen am 22.12.2024.
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