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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

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denken und sprechen und thöricht handeln sind be¬
kanntlich sehr heterogene Dinge, die ganz vortrefflich
Hand in Hand gehen können.

Freilich mochte es einem leidenschaftlichen Herzen
schwer fallen, von so viel Schönheit, Anmuth und
Geist nicht gerührt zu werden. Empfanden doch Alle,
die mit Helene in Berührung kamen, den wunderbaren
Zauber ihrer Persönlichkeit; schien es doch fast un¬
möglich, nicht mit Heftigkeit für oder gegen sie Partei
zu nehmen; gab es doch selbst in der Gesindestube
unter den Leuten lebhafte Scenen, da der schweigsame
Kutscher, auf die junge Baronesse anspielend, brummte:
es sei nicht Alles Gold, was glänze, worauf die alte
brave Köchin erwiederte: zu schlechten und misgün¬
stigen Menschen kämen die lieben Engel allerdings
nicht, was denn eine unerquickliche Debatte über
schlechte Menschen im Allgemeinen und Besondern
herbeiführte, bei der es von beiden Seiten ziemlich
scharf herging und, wie es bei solchen Gelegenheiten
zu geschehen pflegt, verschiedene helle Streiflichter auf
die Familienangelegenheiten der gnädigen Herrschaft
geworfen wurden. Denn selbst in diesen Regionen
war man so ziemlich darüber einig, daß Baron Felix
sich nicht bloß zum Vergnügen so lange auf Schloß
Grenwitz aufhielt; ja Felix' Kammerdiener behauptete:

denken und ſprechen und thöricht handeln ſind be¬
kanntlich ſehr heterogene Dinge, die ganz vortrefflich
Hand in Hand gehen können.

Freilich mochte es einem leidenſchaftlichen Herzen
ſchwer fallen, von ſo viel Schönheit, Anmuth und
Geiſt nicht gerührt zu werden. Empfanden doch Alle,
die mit Helene in Berührung kamen, den wunderbaren
Zauber ihrer Perſönlichkeit; ſchien es doch faſt un¬
möglich, nicht mit Heftigkeit für oder gegen ſie Partei
zu nehmen; gab es doch ſelbſt in der Geſindeſtube
unter den Leuten lebhafte Scenen, da der ſchweigſame
Kutſcher, auf die junge Baroneſſe anſpielend, brummte:
es ſei nicht Alles Gold, was glänze, worauf die alte
brave Köchin erwiederte: zu ſchlechten und misgün¬
ſtigen Menſchen kämen die lieben Engel allerdings
nicht, was denn eine unerquickliche Debatte über
ſchlechte Menſchen im Allgemeinen und Beſondern
herbeiführte, bei der es von beiden Seiten ziemlich
ſcharf herging und, wie es bei ſolchen Gelegenheiten
zu geſchehen pflegt, verſchiedene helle Streiflichter auf
die Familienangelegenheiten der gnädigen Herrſchaft
geworfen wurden. Denn ſelbſt in dieſen Regionen
war man ſo ziemlich darüber einig, daß Baron Felix
ſich nicht bloß zum Vergnügen ſo lange auf Schloß
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[120/0130] denken und ſprechen und thöricht handeln ſind be¬ kanntlich ſehr heterogene Dinge, die ganz vortrefflich Hand in Hand gehen können. Freilich mochte es einem leidenſchaftlichen Herzen ſchwer fallen, von ſo viel Schönheit, Anmuth und Geiſt nicht gerührt zu werden. Empfanden doch Alle, die mit Helene in Berührung kamen, den wunderbaren Zauber ihrer Perſönlichkeit; ſchien es doch faſt un¬ möglich, nicht mit Heftigkeit für oder gegen ſie Partei zu nehmen; gab es doch ſelbſt in der Geſindeſtube unter den Leuten lebhafte Scenen, da der ſchweigſame Kutſcher, auf die junge Baroneſſe anſpielend, brummte: es ſei nicht Alles Gold, was glänze, worauf die alte brave Köchin erwiederte: zu ſchlechten und misgün¬ ſtigen Menſchen kämen die lieben Engel allerdings nicht, was denn eine unerquickliche Debatte über ſchlechte Menſchen im Allgemeinen und Beſondern herbeiführte, bei der es von beiden Seiten ziemlich ſcharf herging und, wie es bei ſolchen Gelegenheiten zu geſchehen pflegt, verſchiedene helle Streiflichter auf die Familienangelegenheiten der gnädigen Herrſchaft geworfen wurden. Denn ſelbſt in dieſen Regionen war man ſo ziemlich darüber einig, daß Baron Felix ſich nicht bloß zum Vergnügen ſo lange auf Schloß Grenwitz aufhielt; ja Felix' Kammerdiener behauptete:

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/130>, abgerufen am 22.12.2024.