Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

"Ich hörte nichts."

"Sind wir hier auch vor jeder Störung sicher?"

"Vollkommen. Indessen, laß uns in's Haus zurück¬
kehren; mir däucht, der Nachtthau beginnt zu fallen."

Sie erhoben sich und gingen Arm in Arm nach
der Treppe, die von der Terrasse in den Garten
führte. Als sie die letzte Stufe hinabstiegen, stand
plötzlich ein Mann vor ihnen. Das Zusammentreffen
war für Oswald und Melitta so unerwartet, daß sie
unwillkürlich zurückzuckten. Indessen war an ein Aus¬
weichen nicht mehr zu denken, und überdies hatte Herr
Bemperlein -- denn Niemand anderes war es -- sie
schon erkannt, denn die Sterne leuchteten jetzt in voller
Pracht, und aus den Fenstern des Gartensaales fiel
ein Lichtschimmer den Gang hinab, gerade in die Ge¬
sichter der Beiden.

"Mein Gott, gnädige Frau, wie kommen Sie hier¬
her?" rief Herr Bemperlein.

"Ich gebe die Frage zurück," sagte Melitta, und
dann zu Oswald, dessen Arm sie nicht losgelassen
hatte, leise: "Sei ruhig, Herz; er verräth uns nicht."

"Es ist doch Julius kein Unglück zugestoßen?
Sprechen Sie, lieber Bemperlein, ich habe keine Ge¬
heimnisse vor -- Oswald."

Herr Bemperlein ergriff Oswald's Hand und

„Ich hörte nichts.“

„Sind wir hier auch vor jeder Störung ſicher?“

„Vollkommen. Indeſſen, laß uns in's Haus zurück¬
kehren; mir däucht, der Nachtthau beginnt zu fallen.“

Sie erhoben ſich und gingen Arm in Arm nach
der Treppe, die von der Terraſſe in den Garten
führte. Als ſie die letzte Stufe hinabſtiegen, ſtand
plötzlich ein Mann vor ihnen. Das Zuſammentreffen
war für Oswald und Melitta ſo unerwartet, daß ſie
unwillkürlich zurückzuckten. Indeſſen war an ein Aus¬
weichen nicht mehr zu denken, und überdies hatte Herr
Bemperlein — denn Niemand anderes war es — ſie
ſchon erkannt, denn die Sterne leuchteten jetzt in voller
Pracht, und aus den Fenſtern des Gartenſaales fiel
ein Lichtſchimmer den Gang hinab, gerade in die Ge¬
ſichter der Beiden.

„Mein Gott, gnädige Frau, wie kommen Sie hier¬
her?“ rief Herr Bemperlein.

„Ich gebe die Frage zurück,“ ſagte Melitta, und
dann zu Oswald, deſſen Arm ſie nicht losgelaſſen
hatte, leiſe: „Sei ruhig, Herz; er verräth uns nicht.“

„Es iſt doch Julius kein Unglück zugeſtoßen?
Sprechen Sie, lieber Bemperlein, ich habe keine Ge¬
heimniſſe vor — Oswald.“

Herr Bemperlein ergriff Oswald's Hand und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0085" n="75"/>
        <p>&#x201E;Ich hörte nichts.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sind wir hier auch vor jeder Störung &#x017F;icher?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Vollkommen. Inde&#x017F;&#x017F;en, laß uns in's Haus zurück¬<lb/>
kehren; mir däucht, der Nachtthau beginnt zu fallen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Sie erhoben &#x017F;ich und gingen Arm in Arm nach<lb/>
der Treppe, die von der Terra&#x017F;&#x017F;e in den Garten<lb/>
führte. Als &#x017F;ie die letzte Stufe hinab&#x017F;tiegen, &#x017F;tand<lb/>
plötzlich ein Mann vor ihnen. Das Zu&#x017F;ammentreffen<lb/>
war für Oswald und Melitta &#x017F;o unerwartet, daß &#x017F;ie<lb/>
unwillkürlich zurückzuckten. Inde&#x017F;&#x017F;en war an ein Aus¬<lb/>
weichen nicht mehr zu denken, und überdies hatte Herr<lb/>
Bemperlein &#x2014; denn Niemand anderes war es &#x2014; &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;chon erkannt, denn die Sterne leuchteten jetzt in voller<lb/>
Pracht, und aus den Fen&#x017F;tern des Garten&#x017F;aales fiel<lb/>
ein Licht&#x017F;chimmer den Gang hinab, gerade in die Ge¬<lb/>
&#x017F;ichter der Beiden.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mein Gott, gnädige Frau, wie kommen Sie hier¬<lb/>
her?&#x201C; rief Herr Bemperlein.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich gebe die Frage zurück,&#x201C; &#x017F;agte Melitta, und<lb/>
dann zu Oswald, de&#x017F;&#x017F;en Arm &#x017F;ie nicht losgela&#x017F;&#x017F;en<lb/>
hatte, lei&#x017F;e: &#x201E;Sei ruhig, Herz; er verräth uns nicht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es i&#x017F;t doch Julius kein Unglück zuge&#x017F;toßen?<lb/>
Sprechen Sie, lieber Bemperlein, ich habe keine Ge¬<lb/>
heimni&#x017F;&#x017F;e vor &#x2014; Oswald.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Herr Bemperlein ergriff Oswald's Hand und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0085] „Ich hörte nichts.“ „Sind wir hier auch vor jeder Störung ſicher?“ „Vollkommen. Indeſſen, laß uns in's Haus zurück¬ kehren; mir däucht, der Nachtthau beginnt zu fallen.“ Sie erhoben ſich und gingen Arm in Arm nach der Treppe, die von der Terraſſe in den Garten führte. Als ſie die letzte Stufe hinabſtiegen, ſtand plötzlich ein Mann vor ihnen. Das Zuſammentreffen war für Oswald und Melitta ſo unerwartet, daß ſie unwillkürlich zurückzuckten. Indeſſen war an ein Aus¬ weichen nicht mehr zu denken, und überdies hatte Herr Bemperlein — denn Niemand anderes war es — ſie ſchon erkannt, denn die Sterne leuchteten jetzt in voller Pracht, und aus den Fenſtern des Gartenſaales fiel ein Lichtſchimmer den Gang hinab, gerade in die Ge¬ ſichter der Beiden. „Mein Gott, gnädige Frau, wie kommen Sie hier¬ her?“ rief Herr Bemperlein. „Ich gebe die Frage zurück,“ ſagte Melitta, und dann zu Oswald, deſſen Arm ſie nicht losgelaſſen hatte, leiſe: „Sei ruhig, Herz; er verräth uns nicht.“ „Es iſt doch Julius kein Unglück zugeſtoßen? Sprechen Sie, lieber Bemperlein, ich habe keine Ge¬ heimniſſe vor — Oswald.“ Herr Bemperlein ergriff Oswald's Hand und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/85
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/85>, abgerufen am 06.05.2024.