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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

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stelle vertritt, machen? Weshalb dieses geheimnißvolle
Rendezvous? Weshalb ein Kind, das Nachricht von
dem Tode seines Vaters erwartet, zwingen, einen
Schritt zu thun, den dieser Vater, wenn er lebte,
niemals billigen würde? Ich werde nicht umsonst an
Ihr Herz appelliren; ich weiß, daß es der Großmuth
fähig ist.

Meine Wohnung ist Marienstraße 21. Wenn Sie
die drei engen Treppen nicht scheuen, so werde ich
Morgen Sonntag, zwischen 10 und 12 Uhr zu Ihrem

Empfang bereit sein.

Ihre ergebenste Dienerin
Marie Montbert.

Nr. 4. Sie bestehen auf dem Rendezvous, das,
wie Sie sagen, durchaus kein geheimnißvolles sei, denn
es fände auf offener Straße, an einem der belebtesten
Punkte der Stadt und zu einer Zeit, wo die Straßen
noch von Fußgängern schwärmten, statt. Sie wollen
mir die Gründe, die Sie bestimmen, meinen Wunsch,
"so schmerzlich es Ihnen auch sei," nicht zu erfüllen,
selbst sagen, und Sie schwören mir, ich werde diese
Gründe, wenn ich sie erfahren, billigen. Sind Sie
dessen so gewiß? -- Aber freilich, Sie sind der Ge¬
ber -- ich die Empfängerin -- ich muß mich wol
Ihren Wünschen fügen; daß Sie mich täuschen wollten,

ſtelle vertritt, machen? Weshalb dieſes geheimnißvolle
Rendezvous? Weshalb ein Kind, das Nachricht von
dem Tode ſeines Vaters erwartet, zwingen, einen
Schritt zu thun, den dieſer Vater, wenn er lebte,
niemals billigen würde? Ich werde nicht umſonſt an
Ihr Herz appelliren; ich weiß, daß es der Großmuth
fähig iſt.

Meine Wohnung iſt Marienſtraße 21. Wenn Sie
die drei engen Treppen nicht ſcheuen, ſo werde ich
Morgen Sonntag, zwiſchen 10 und 12 Uhr zu Ihrem

Empfang bereit ſein.

Ihre ergebenſte Dienerin
Marie Montbert.

Nr. 4. Sie beſtehen auf dem Rendezvous, das,
wie Sie ſagen, durchaus kein geheimnißvolles ſei, denn
es fände auf offener Straße, an einem der belebteſten
Punkte der Stadt und zu einer Zeit, wo die Straßen
noch von Fußgängern ſchwärmten, ſtatt. Sie wollen
mir die Gründe, die Sie beſtimmen, meinen Wunſch,
„ſo ſchmerzlich es Ihnen auch ſei,“ nicht zu erfüllen,
ſelbſt ſagen, und Sie ſchwören mir, ich werde dieſe
Gründe, wenn ich ſie erfahren, billigen. Sind Sie
deſſen ſo gewiß? — Aber freilich, Sie ſind der Ge¬
ber — ich die Empfängerin — ich muß mich wol
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[223/0233] ſtelle vertritt, machen? Weshalb dieſes geheimnißvolle Rendezvous? Weshalb ein Kind, das Nachricht von dem Tode ſeines Vaters erwartet, zwingen, einen Schritt zu thun, den dieſer Vater, wenn er lebte, niemals billigen würde? Ich werde nicht umſonſt an Ihr Herz appelliren; ich weiß, daß es der Großmuth fähig iſt. Meine Wohnung iſt Marienſtraße 21. Wenn Sie die drei engen Treppen nicht ſcheuen, ſo werde ich Morgen Sonntag, zwiſchen 10 und 12 Uhr zu Ihrem Empfang bereit ſein. Ihre ergebenſte Dienerin Marie Montbert. Nr. 4. Sie beſtehen auf dem Rendezvous, das, wie Sie ſagen, durchaus kein geheimnißvolles ſei, denn es fände auf offener Straße, an einem der belebteſten Punkte der Stadt und zu einer Zeit, wo die Straßen noch von Fußgängern ſchwärmten, ſtatt. Sie wollen mir die Gründe, die Sie beſtimmen, meinen Wunſch, „ſo ſchmerzlich es Ihnen auch ſei,“ nicht zu erfüllen, ſelbſt ſagen, und Sie ſchwören mir, ich werde dieſe Gründe, wenn ich ſie erfahren, billigen. Sind Sie deſſen ſo gewiß? — Aber freilich, Sie ſind der Ge¬ ber — ich die Empfängerin — ich muß mich wol Ihren Wünſchen fügen; daß Sie mich täuſchen wollten,

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/233>, abgerufen am 02.05.2024.