Sie haben mich durch Ihre Frage ganz aus dem Text gebracht -- richtig: also in Begleitung des Herrn Bemperlein und -- hm, hm! des Herrn Doc¬ tors auf wenige Minuten nur bei dem Baron von Berkow gewesen sind. Er hat sie gleich erkannt, aber der gnädige Herr soll sich so verändert haben, daß er der gnädigen Frau, wie sie selbst gesagt hat, wie ein vollkommen fremder unglücklicher Mann erschienen ist. Gesprochen hat er nur ein paar Worte, von denen aber nur das eine: Engel, zu verstehen gewesen ist. Dann sind sie wieder fortgegangen, und alsbald hat der gnädige Herr wieder die Besinnung verloren und angefangen zu phantasiren, und der Doctor meinte, das werde wol nun bis zu seinem Ende so fortgehen, -- welches denn der Herr Gott in seiner Gnade recht bald möge eintreten lassen, damit der arme Mann von seiner Qual befreit ist und die arme gnädige Frau endlich einmal wieder frei aufathmen kann!"
"Amen;" sagte Oswald.
"Denn sehen Sie, junger Herr," fuhr der Alte fort, "die gnädige Frau hat nicht viel Freude gehabt ihr liebes Leben lang, und das thut mir weh, denn ich habe sie lieb, als wäre sie mein eigenes Kind, ja, und wol noch lieber. Denn ich habe freilich selbst nie welche gehabt, aber ich sehe
Sie haben mich durch Ihre Frage ganz aus dem Text gebracht — richtig: alſo in Begleitung des Herrn Bemperlein und — hm, hm! des Herrn Doc¬ tors auf wenige Minuten nur bei dem Baron von Berkow geweſen ſind. Er hat ſie gleich erkannt, aber der gnädige Herr ſoll ſich ſo verändert haben, daß er der gnädigen Frau, wie ſie ſelbſt geſagt hat, wie ein vollkommen fremder unglücklicher Mann erſchienen iſt. Geſprochen hat er nur ein paar Worte, von denen aber nur das eine: Engel, zu verſtehen geweſen iſt. Dann ſind ſie wieder fortgegangen, und alsbald hat der gnädige Herr wieder die Beſinnung verloren und angefangen zu phantaſiren, und der Doctor meinte, das werde wol nun bis zu ſeinem Ende ſo fortgehen, — welches denn der Herr Gott in ſeiner Gnade recht bald möge eintreten laſſen, damit der arme Mann von ſeiner Qual befreit iſt und die arme gnädige Frau endlich einmal wieder frei aufathmen kann!“
„Amen;“ ſagte Oswald.
„Denn ſehen Sie, junger Herr,“ fuhr der Alte fort, „die gnädige Frau hat nicht viel Freude gehabt ihr liebes Leben lang, und das thut mir weh, denn ich habe ſie lieb, als wäre ſie mein eigenes Kind, ja, und wol noch lieber. Denn ich habe freilich ſelbſt nie welche gehabt, aber ich ſehe
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0163"n="153"/>
Sie haben mich durch Ihre Frage ganz aus dem<lb/>
Text gebracht — richtig: alſo in Begleitung des<lb/>
Herrn Bemperlein und — hm, hm! des Herrn Doc¬<lb/>
tors auf wenige Minuten nur bei dem Baron von<lb/>
Berkow geweſen ſind. Er hat ſie gleich erkannt, aber<lb/>
der gnädige Herr ſoll ſich ſo verändert haben, daß er<lb/>
der gnädigen Frau, wie ſie ſelbſt geſagt hat, wie ein<lb/>
vollkommen fremder unglücklicher Mann erſchienen iſt.<lb/>
Geſprochen hat er nur ein paar Worte, von denen<lb/>
aber nur das eine: Engel, zu verſtehen geweſen iſt.<lb/>
Dann ſind ſie wieder fortgegangen, und alsbald hat<lb/>
der gnädige Herr wieder die Beſinnung verloren und<lb/>
angefangen zu phantaſiren, und der Doctor meinte,<lb/>
das werde wol nun bis zu ſeinem Ende ſo fortgehen,<lb/>— welches denn der Herr Gott in ſeiner Gnade recht<lb/>
bald möge eintreten laſſen, damit der arme Mann<lb/>
von ſeiner Qual befreit iſt und die arme gnädige Frau<lb/>
endlich einmal wieder frei aufathmen kann!“</p><lb/><p>„Amen;“ſagte Oswald.</p><lb/><p>„Denn ſehen Sie, junger Herr,“ fuhr der<lb/>
Alte fort, „die gnädige Frau hat nicht viel Freude<lb/>
gehabt ihr liebes Leben lang, und das thut mir<lb/>
weh, denn ich habe ſie lieb, als wäre ſie mein<lb/>
eigenes Kind, ja, und wol noch lieber. Denn ich<lb/>
habe freilich ſelbſt nie welche gehabt, aber ich ſehe<lb/></p></div></body></text></TEI>
[153/0163]
Sie haben mich durch Ihre Frage ganz aus dem
Text gebracht — richtig: alſo in Begleitung des
Herrn Bemperlein und — hm, hm! des Herrn Doc¬
tors auf wenige Minuten nur bei dem Baron von
Berkow geweſen ſind. Er hat ſie gleich erkannt, aber
der gnädige Herr ſoll ſich ſo verändert haben, daß er
der gnädigen Frau, wie ſie ſelbſt geſagt hat, wie ein
vollkommen fremder unglücklicher Mann erſchienen iſt.
Geſprochen hat er nur ein paar Worte, von denen
aber nur das eine: Engel, zu verſtehen geweſen iſt.
Dann ſind ſie wieder fortgegangen, und alsbald hat
der gnädige Herr wieder die Beſinnung verloren und
angefangen zu phantaſiren, und der Doctor meinte,
das werde wol nun bis zu ſeinem Ende ſo fortgehen,
— welches denn der Herr Gott in ſeiner Gnade recht
bald möge eintreten laſſen, damit der arme Mann
von ſeiner Qual befreit iſt und die arme gnädige Frau
endlich einmal wieder frei aufathmen kann!“
„Amen;“ ſagte Oswald.
„Denn ſehen Sie, junger Herr,“ fuhr der
Alte fort, „die gnädige Frau hat nicht viel Freude
gehabt ihr liebes Leben lang, und das thut mir
weh, denn ich habe ſie lieb, als wäre ſie mein
eigenes Kind, ja, und wol noch lieber. Denn ich
habe freilich ſelbſt nie welche gehabt, aber ich ſehe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/163>, abgerufen am 21.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.