Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

doch, wie es andere Väter mit ihren Kindern machen,
und daß sie sich nicht schämen, nicht blos wie kein
Vater, sondern nicht einmal wie ein Christenmensch
an ihren Kindern zu handeln. Und der Vater von
der gnädigen Frau -- nun, er war mein gnädiger
Herr, und ich habe unter ihm die Campagne mit¬
gemacht, und von den Todten soll man nichts Uebles
reden -- aber zu Ihnen darf ich es schon sagen,
weil Sie uns doch nun nicht mehr fremd sind -- ja,
das war ein böser Herr, oder auch eigentlich nicht
böse, aber wild und leichtsinnig, wie der jüngste Offi¬
zier in seinem Regiment. Je toller ein Streich war,
desto lieber war es ihm; na, und tolle Streiche und
schlechte Streiche, die sehen sich manchmal zum Ver¬
wechseln ähnlich. So dachte er sich nicht Böses da¬
bei, wenn er, noch als Verheirateter, den Frauenzim¬
mern gerade so nachstellte, wie er es sonst gethan,
aber der armen gnädigen Frau, welche eine gar gute,
liebe Dame war, brach darüber das Herz, und sie
starb, als ihr einziges Kind erst zwei Jahre alt war.
Da gab es nun eigentlich Niemand, der für das arme
Ding sorgte, als den alten Baumann. Ich hab's
herumgetragen und habe mit ihm gespielt, und hernach,
als es größer wurde, habe ich mit ihm schreiben und
lesen gelernt, was ich damals noch nicht konnte, und

doch, wie es andere Väter mit ihren Kindern machen,
und daß ſie ſich nicht ſchämen, nicht blos wie kein
Vater, ſondern nicht einmal wie ein Chriſtenmenſch
an ihren Kindern zu handeln. Und der Vater von
der gnädigen Frau — nun, er war mein gnädiger
Herr, und ich habe unter ihm die Campagne mit¬
gemacht, und von den Todten ſoll man nichts Uebles
reden — aber zu Ihnen darf ich es ſchon ſagen,
weil Sie uns doch nun nicht mehr fremd ſind — ja,
das war ein böſer Herr, oder auch eigentlich nicht
böſe, aber wild und leichtſinnig, wie der jüngſte Offi¬
zier in ſeinem Regiment. Je toller ein Streich war,
deſto lieber war es ihm; na, und tolle Streiche und
ſchlechte Streiche, die ſehen ſich manchmal zum Ver¬
wechſeln ähnlich. So dachte er ſich nicht Böſes da¬
bei, wenn er, noch als Verheirateter, den Frauenzim¬
mern gerade ſo nachſtellte, wie er es ſonſt gethan,
aber der armen gnädigen Frau, welche eine gar gute,
liebe Dame war, brach darüber das Herz, und ſie
ſtarb, als ihr einziges Kind erſt zwei Jahre alt war.
Da gab es nun eigentlich Niemand, der für das arme
Ding ſorgte, als den alten Baumann. Ich hab's
herumgetragen und habe mit ihm geſpielt, und hernach,
als es größer wurde, habe ich mit ihm ſchreiben und
leſen gelernt, was ich damals noch nicht konnte, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0164" n="154"/>
doch, wie es andere Väter mit ihren Kindern machen,<lb/>
und daß &#x017F;ie &#x017F;ich nicht &#x017F;chämen, nicht blos wie kein<lb/>
Vater, &#x017F;ondern nicht einmal wie ein Chri&#x017F;tenmen&#x017F;ch<lb/>
an ihren Kindern zu handeln. Und der Vater von<lb/>
der gnädigen Frau &#x2014; nun, er war mein gnädiger<lb/>
Herr, und ich habe unter ihm die Campagne mit¬<lb/>
gemacht, und von den Todten &#x017F;oll man nichts Uebles<lb/>
reden &#x2014; aber zu Ihnen darf ich es &#x017F;chon &#x017F;agen,<lb/>
weil Sie uns doch nun nicht mehr fremd &#x017F;ind &#x2014; ja,<lb/>
das war ein bö&#x017F;er Herr, oder auch eigentlich nicht<lb/>&#x017F;e, aber wild und leicht&#x017F;innig, wie der jüng&#x017F;te Offi¬<lb/>
zier in &#x017F;einem Regiment. Je toller ein Streich war,<lb/>
de&#x017F;to lieber war es ihm; na, und tolle Streiche und<lb/>
&#x017F;chlechte Streiche, die &#x017F;ehen &#x017F;ich manchmal zum Ver¬<lb/>
wech&#x017F;eln ähnlich. So dachte er &#x017F;ich nicht Bö&#x017F;es da¬<lb/>
bei, wenn er, noch als Verheirateter, den Frauenzim¬<lb/>
mern gerade &#x017F;o nach&#x017F;tellte, wie er es &#x017F;on&#x017F;t gethan,<lb/>
aber der armen gnädigen Frau, welche eine gar gute,<lb/>
liebe Dame war, brach darüber das Herz, und &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;tarb, als ihr einziges Kind er&#x017F;t zwei Jahre alt war.<lb/>
Da gab es nun eigentlich Niemand, der für das arme<lb/>
Ding &#x017F;orgte, als den alten Baumann. Ich hab's<lb/>
herumgetragen und habe mit ihm ge&#x017F;pielt, und hernach,<lb/>
als es größer wurde, habe ich mit ihm &#x017F;chreiben und<lb/>
le&#x017F;en gelernt, was ich damals noch nicht konnte, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0164] doch, wie es andere Väter mit ihren Kindern machen, und daß ſie ſich nicht ſchämen, nicht blos wie kein Vater, ſondern nicht einmal wie ein Chriſtenmenſch an ihren Kindern zu handeln. Und der Vater von der gnädigen Frau — nun, er war mein gnädiger Herr, und ich habe unter ihm die Campagne mit¬ gemacht, und von den Todten ſoll man nichts Uebles reden — aber zu Ihnen darf ich es ſchon ſagen, weil Sie uns doch nun nicht mehr fremd ſind — ja, das war ein böſer Herr, oder auch eigentlich nicht böſe, aber wild und leichtſinnig, wie der jüngſte Offi¬ zier in ſeinem Regiment. Je toller ein Streich war, deſto lieber war es ihm; na, und tolle Streiche und ſchlechte Streiche, die ſehen ſich manchmal zum Ver¬ wechſeln ähnlich. So dachte er ſich nicht Böſes da¬ bei, wenn er, noch als Verheirateter, den Frauenzim¬ mern gerade ſo nachſtellte, wie er es ſonſt gethan, aber der armen gnädigen Frau, welche eine gar gute, liebe Dame war, brach darüber das Herz, und ſie ſtarb, als ihr einziges Kind erſt zwei Jahre alt war. Da gab es nun eigentlich Niemand, der für das arme Ding ſorgte, als den alten Baumann. Ich hab's herumgetragen und habe mit ihm geſpielt, und hernach, als es größer wurde, habe ich mit ihm ſchreiben und leſen gelernt, was ich damals noch nicht konnte, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/164
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/164>, abgerufen am 22.11.2024.