Der nimmt, was ihm der Zufall in den Weg führt, und weil Sie nun einmal zufällig hier sind" -- "Und wenn ich nun nicht zufällig hier wäre?" sagte sie, schelmisch lachend; "wenn ich nun nicht der alten Baronin, sondern die alte Baronin meinethalben hier wäre? und wenn ich nun gar nicht wieder fort ginge und ganz hier bliebe -- ". In diesem Augenblick kam Harald plötzlich in den Baumgang, in welchem wir redend auf und ab gingen. Er stutzte, als er mich mit dem Mädchen allein sah. -- "Fräulein Marie," sagte er, "ich glaube, die Tante wünscht Sie zu spre¬ chen." Und als das Mädchen fort war, trat er an mich heran und sagte leise durch die weißen Zähne: "Was hast Du ihr gesagt, Alte?" -- "Daß Du sie an der Nase führst, Harald," antwortete ich. -- "Ich werde Dir dafür den Hals umdrehen," sagte er, und die Zornesader auf seiner Stirne schwoll. -- "Immer noch besser, als wenn Du dem armen Dinge das Herz brichst," sagte ich. -- "Höre, Alte," sagte er, "und wenn ich es nun diesmal wirklich ehrlich meinte; wenn ich das wüste Leben, bei dem man ja doch früher oder später zum Teufel gehen muß, herzlich satt hätte; wenn ich nun das Mädchen heirathete, wie dann?" -- "Ist sie von Adel?" sagte ich. -- Harald lachte: "Eines Schneiders Tochter ist sie. Ich werde die
Der nimmt, was ihm der Zufall in den Weg führt, und weil Sie nun einmal zufällig hier ſind“ — „Und wenn ich nun nicht zufällig hier wäre?“ ſagte ſie, ſchelmiſch lachend; „wenn ich nun nicht der alten Baronin, ſondern die alte Baronin meinethalben hier wäre? und wenn ich nun gar nicht wieder fort ginge und ganz hier bliebe — “. In dieſem Augenblick kam Harald plötzlich in den Baumgang, in welchem wir redend auf und ab gingen. Er ſtutzte, als er mich mit dem Mädchen allein ſah. — „Fräulein Marie,“ ſagte er, „ich glaube, die Tante wünſcht Sie zu ſpre¬ chen.“ Und als das Mädchen fort war, trat er an mich heran und ſagte leiſe durch die weißen Zähne: „Was haſt Du ihr geſagt, Alte?“ — „Daß Du ſie an der Naſe führſt, Harald,“ antwortete ich. — „Ich werde Dir dafür den Hals umdrehen,“ ſagte er, und die Zornesader auf ſeiner Stirne ſchwoll. — „Immer noch beſſer, als wenn Du dem armen Dinge das Herz brichſt,“ ſagte ich. — „Höre, Alte,“ ſagte er, „und wenn ich es nun diesmal wirklich ehrlich meinte; wenn ich das wüſte Leben, bei dem man ja doch früher oder ſpäter zum Teufel gehen muß, herzlich ſatt hätte; wenn ich nun das Mädchen heirathete, wie dann?“ — „Iſt ſie von Adel?“ ſagte ich. — Harald lachte: „Eines Schneiders Tochter iſt ſie. Ich werde die
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Der nimmt, was ihm der Zufall in den Weg führt,
und weil Sie nun einmal zufällig hier ſind“ — „Und
wenn ich nun nicht zufällig hier wäre?“ ſagte ſie,
ſchelmiſch lachend; „wenn ich nun nicht der alten
Baronin, ſondern die alte Baronin meinethalben hier
wäre? und wenn ich nun gar nicht wieder fort ginge
und ganz hier bliebe — “. In dieſem Augenblick kam
Harald plötzlich in den Baumgang, in welchem wir
redend auf und ab gingen. Er ſtutzte, als er mich
mit dem Mädchen allein ſah. — „Fräulein Marie,“
ſagte er, „ich glaube, die Tante wünſcht Sie zu ſpre¬
chen.“ Und als das Mädchen fort war, trat er an
mich heran und ſagte leiſe durch die weißen Zähne:
„Was haſt Du ihr geſagt, Alte?“ — „Daß Du ſie
an der Naſe führſt, Harald,“ antwortete ich. — „Ich
werde Dir dafür den Hals umdrehen,“ ſagte er, und
die Zornesader auf ſeiner Stirne ſchwoll. — „Immer
noch beſſer, als wenn Du dem armen Dinge das Herz
brichſt,“ ſagte ich. — „Höre, Alte,“ ſagte er, „und
wenn ich es nun diesmal wirklich ehrlich meinte; wenn
ich das wüſte Leben, bei dem man ja doch früher
oder ſpäter zum Teufel gehen muß, herzlich ſatt hätte;
wenn ich nun das Mädchen heirathete, wie dann?“ —
„Iſt ſie von Adel?“ ſagte ich. — Harald lachte:
„Eines Schneiders Tochter iſt ſie. Ich werde die
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/248>, abgerufen am 22.11.2024.
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