die Schulter legend. "Und denken Sie auch nicht so schlecht vom Baron. Er wird nie wieder so wild und bös sein, wie er vormals gewesen ist." -- "Wo¬ her wissen Sie das, Fräulein?" sagte ich. -- "Weil er es mir versprochen hat." -- "Und glauben Sie, daß er dies Versprechen hält?" -- "O, gewiß." -- "Warum." -- "Weil er mich liebt." -- "O, Kind, Kind," rief ich, "um Gotteswillen, es ist die höchste Zeit: fliehen Sie, oder Sie sind rettungslos verloren. Unglückliche, die Sie seinen Schwüren glauben! Er schießt das Pferd todt, das ihm nicht länger gefällt, und er bricht den Schwur, der ihm lästig wird. Was er Ihnen geschworen hat, ist ein altes Lied; er pfeift es, wie ein Staar sein Stückchen pfeift, ohne etwas dabei zu denken. Was er Ihnen schwur, hat er schon hundert Andern geschworen, von denen freilich die Meisten nicht viel besser waren, wie er selbst, und sich einen Treubruch schon gefallen ließen, wenn er nur gut bezahlt wurde." -- "Hören Sie auf," rief Fräulein Marie heftig; "ich kann und darf Sie nicht länger anhören." Und dann setzte sie lächelnd hinzu: "Sie werden bald einsehen, gute Frau, wie bitter Unrecht Sie meinem Harald -- wie sehr Sie dem Baron Unrecht gethan haben." -- "Ihrem Harald?" sagte ich, "armes Kind, er wird nie Ihr Harald.
die Schulter legend. „Und denken Sie auch nicht ſo ſchlecht vom Baron. Er wird nie wieder ſo wild und bös ſein, wie er vormals geweſen iſt.“ — „Wo¬ her wiſſen Sie das, Fräulein?“ ſagte ich. — „Weil er es mir verſprochen hat.“ — „Und glauben Sie, daß er dies Verſprechen hält?“ — „O, gewiß.“ — „Warum.“ — „Weil er mich liebt.“ — „O, Kind, Kind,“ rief ich, „um Gotteswillen, es iſt die höchſte Zeit: fliehen Sie, oder Sie ſind rettungslos verloren. Unglückliche, die Sie ſeinen Schwüren glauben! Er ſchießt das Pferd todt, das ihm nicht länger gefällt, und er bricht den Schwur, der ihm läſtig wird. Was er Ihnen geſchworen hat, iſt ein altes Lied; er pfeift es, wie ein Staar ſein Stückchen pfeift, ohne etwas dabei zu denken. Was er Ihnen ſchwur, hat er ſchon hundert Andern geſchworen, von denen freilich die Meiſten nicht viel beſſer waren, wie er ſelbſt, und ſich einen Treubruch ſchon gefallen ließen, wenn er nur gut bezahlt wurde.“ — „Hören Sie auf,“ rief Fräulein Marie heftig; „ich kann und darf Sie nicht länger anhören.“ Und dann ſetzte ſie lächelnd hinzu: „Sie werden bald einſehen, gute Frau, wie bitter Unrecht Sie meinem Harald — wie ſehr Sie dem Baron Unrecht gethan haben.“ — „Ihrem Harald?“ ſagte ich, „armes Kind, er wird nie Ihr Harald.
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die Schulter legend. „Und denken Sie auch nicht ſo
ſchlecht vom Baron. Er wird nie wieder ſo wild
und bös ſein, wie er vormals geweſen iſt.“ — „Wo¬
her wiſſen Sie das, Fräulein?“ ſagte ich. — „Weil
er es mir verſprochen hat.“ — „Und glauben Sie,
daß er dies Verſprechen hält?“ — „O, gewiß.“ —
„Warum.“ — „Weil er mich liebt.“ — „O, Kind,
Kind,“ rief ich, „um Gotteswillen, es iſt die höchſte
Zeit: fliehen Sie, oder Sie ſind rettungslos verloren.
Unglückliche, die Sie ſeinen Schwüren glauben! Er
ſchießt das Pferd todt, das ihm nicht länger gefällt,
und er bricht den Schwur, der ihm läſtig wird. Was
er Ihnen geſchworen hat, iſt ein altes Lied; er pfeift
es, wie ein Staar ſein Stückchen pfeift, ohne etwas
dabei zu denken. Was er Ihnen ſchwur, hat er ſchon
hundert Andern geſchworen, von denen freilich die
Meiſten nicht viel beſſer waren, wie er ſelbſt, und
ſich einen Treubruch ſchon gefallen ließen, wenn er
nur gut bezahlt wurde.“ — „Hören Sie auf,“ rief
Fräulein Marie heftig; „ich kann und darf Sie nicht
länger anhören.“ Und dann ſetzte ſie lächelnd hinzu:
„Sie werden bald einſehen, gute Frau, wie bitter
Unrecht Sie meinem Harald — wie ſehr Sie dem
Baron Unrecht gethan haben.“ — „Ihrem Harald?“
ſagte ich, „armes Kind, er wird nie Ihr Harald.
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/247>, abgerufen am 05.05.2024.
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