Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

"Aber liebe Anna-Maria," sagte der Baron;
"warum sollen wir uns nicht auf den Professor Berger
verlassen, der --"

"Lieber Grenwitz, ich verlasse mich auf Nieman¬
den, als auf mich selbst. Der Professor kann sich
durch Stein's einnehmendes Wesen so gut haben be¬
stechen lassen, wie Du und viele Andere; und gesetzt
auch, seine wissenschaftliche Bildung sei wirklich aus¬
reichend --"

"Nun, darüber dürfte wohl kein Zweifel obwalten,
Gnädigste," sagte der Pastor, der, wenn er Oswald,
wie er jetzt wohl einsah, fallen lassen mußte, sich
wenigstens nach dieser Seite sichern wollte. "Es ist
durchaus nicht anzunehmen, daß der Professor, dem
Niemand, man mag über seine -- ich will nicht sagen
unchristliche, aber wenig kirchliche Gesinnung, denken,
wie man will, einen durchdringenden Scharfblick, eine
eminente Gelehrsamkeit absprechen kann, sich in dem
intimen Umgange eines Ignoranten wohl gefühlt
haben sollte."

"Ich erlaube mir in wissenschaftlichen Dingen kein
Urtheil," sagte die Baronin; "und so mag meinet¬
wegen Herr Stein neben dem Pistolenschießen, worin
er ja, wie ich höre, brilliren soll, auch noch zu streng
wissenschaftlichen Studien Zeit gefunden haben; aber

„Aber liebe Anna-Maria,“ ſagte der Baron;
„warum ſollen wir uns nicht auf den Profeſſor Berger
verlaſſen, der —“

„Lieber Grenwitz, ich verlaſſe mich auf Nieman¬
den, als auf mich ſelbſt. Der Profeſſor kann ſich
durch Stein's einnehmendes Weſen ſo gut haben be¬
ſtechen laſſen, wie Du und viele Andere; und geſetzt
auch, ſeine wiſſenſchaftliche Bildung ſei wirklich aus¬
reichend —“

„Nun, darüber dürfte wohl kein Zweifel obwalten,
Gnädigſte,“ ſagte der Paſtor, der, wenn er Oswald,
wie er jetzt wohl einſah, fallen laſſen mußte, ſich
wenigſtens nach dieſer Seite ſichern wollte. „Es iſt
durchaus nicht anzunehmen, daß der Profeſſor, dem
Niemand, man mag über ſeine — ich will nicht ſagen
unchriſtliche, aber wenig kirchliche Geſinnung, denken,
wie man will, einen durchdringenden Scharfblick, eine
eminente Gelehrſamkeit abſprechen kann, ſich in dem
intimen Umgange eines Ignoranten wohl gefühlt
haben ſollte.“

„Ich erlaube mir in wiſſenſchaftlichen Dingen kein
Urtheil,“ ſagte die Baronin; „und ſo mag meinet¬
wegen Herr Stein neben dem Piſtolenſchießen, worin
er ja, wie ich höre, brilliren ſoll, auch noch zu ſtreng
wiſſenſchaftlichen Studien Zeit gefunden haben; aber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0158" n="148"/>
        <p>&#x201E;Aber liebe Anna-Maria,&#x201C; &#x017F;agte der Baron;<lb/>
&#x201E;warum &#x017F;ollen wir uns nicht auf den Profe&#x017F;&#x017F;or Berger<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en, der &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Lieber Grenwitz, ich verla&#x017F;&#x017F;e mich auf Nieman¬<lb/>
den, als auf mich &#x017F;elb&#x017F;t. Der Profe&#x017F;&#x017F;or kann &#x017F;ich<lb/>
durch Stein's einnehmendes We&#x017F;en &#x017F;o gut haben be¬<lb/>
&#x017F;techen la&#x017F;&#x017F;en, wie Du und viele Andere; und ge&#x017F;etzt<lb/>
auch, &#x017F;eine wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche Bildung &#x017F;ei wirklich aus¬<lb/>
reichend &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun, darüber dürfte wohl kein Zweifel obwalten,<lb/>
Gnädig&#x017F;te,&#x201C; &#x017F;agte der Pa&#x017F;tor, der, wenn er Oswald,<lb/>
wie er jetzt wohl ein&#x017F;ah, fallen la&#x017F;&#x017F;en mußte, &#x017F;ich<lb/>
wenig&#x017F;tens nach die&#x017F;er Seite &#x017F;ichern wollte. &#x201E;Es i&#x017F;t<lb/>
durchaus nicht anzunehmen, daß der Profe&#x017F;&#x017F;or, dem<lb/>
Niemand, man mag über &#x017F;eine &#x2014; ich will nicht &#x017F;agen<lb/>
unchri&#x017F;tliche, aber wenig kirchliche Ge&#x017F;innung, denken,<lb/>
wie man will, einen durchdringenden Scharfblick, eine<lb/>
eminente Gelehr&#x017F;amkeit ab&#x017F;prechen kann, &#x017F;ich in dem<lb/>
intimen Umgange eines Ignoranten wohl gefühlt<lb/>
haben &#x017F;ollte.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich erlaube mir in wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Dingen kein<lb/>
Urtheil,&#x201C; &#x017F;agte die Baronin; &#x201E;und &#x017F;o mag meinet¬<lb/>
wegen Herr Stein neben dem Pi&#x017F;tolen&#x017F;chießen, worin<lb/>
er ja, wie ich höre, brilliren &#x017F;oll, auch noch zu &#x017F;treng<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Studien Zeit gefunden haben; aber<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0158] „Aber liebe Anna-Maria,“ ſagte der Baron; „warum ſollen wir uns nicht auf den Profeſſor Berger verlaſſen, der —“ „Lieber Grenwitz, ich verlaſſe mich auf Nieman¬ den, als auf mich ſelbſt. Der Profeſſor kann ſich durch Stein's einnehmendes Weſen ſo gut haben be¬ ſtechen laſſen, wie Du und viele Andere; und geſetzt auch, ſeine wiſſenſchaftliche Bildung ſei wirklich aus¬ reichend —“ „Nun, darüber dürfte wohl kein Zweifel obwalten, Gnädigſte,“ ſagte der Paſtor, der, wenn er Oswald, wie er jetzt wohl einſah, fallen laſſen mußte, ſich wenigſtens nach dieſer Seite ſichern wollte. „Es iſt durchaus nicht anzunehmen, daß der Profeſſor, dem Niemand, man mag über ſeine — ich will nicht ſagen unchriſtliche, aber wenig kirchliche Geſinnung, denken, wie man will, einen durchdringenden Scharfblick, eine eminente Gelehrſamkeit abſprechen kann, ſich in dem intimen Umgange eines Ignoranten wohl gefühlt haben ſollte.“ „Ich erlaube mir in wiſſenſchaftlichen Dingen kein Urtheil,“ ſagte die Baronin; „und ſo mag meinet¬ wegen Herr Stein neben dem Piſtolenſchießen, worin er ja, wie ich höre, brilliren ſoll, auch noch zu ſtreng wiſſenſchaftlichen Studien Zeit gefunden haben; aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/158
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/158>, abgerufen am 24.11.2024.