Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.runden Brillengläser fort einen forschenden Blick auf "Sie zögern mit Ihrer Antwort!" sagte die Baronin; 10*
runden Brillengläſer fort einen forſchenden Blick auf „Sie zögern mit Ihrer Antwort!“ ſagte die Baronin; 10*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0157" n="147"/> runden Brillengläſer fort einen forſchenden Blick auf<lb/> die Baronin, ob ihr Geſicht etwa einen Commentar<lb/> zu der räthſelhaften Frage geben möchte. Da er ſich<lb/> in dieſer Hoffnung getäuſcht ſah, und ſchlechterdings<lb/> nicht wußte, was er antworten ſolle, griff er zu dem<lb/> Mittel, zu welchem er in ſolchen kritiſchen Fällen ſtets<lb/> ſeine Zuflucht nahm, das heißt: er zog die Schultern<lb/> und die Augenbrauen möglichſt in die Höhe und die<lb/> Mundwinkel möglichſt tief herunter, und überließ es<lb/> dem indiscreten Frager, aus dieſer Miene zu machen,<lb/> was er wollte und konnte.</p><lb/> <p>„Sie zögern mit Ihrer Antwort!“ ſagte die Baronin;<lb/> „ich gebe zu, es iſt nicht ganz leicht, über Herrn Stein<lb/> in's Klare zu kommen. Er hat unleugbar manche<lb/> ſchätzenswerthe Eigenſchaften. Seine Manieren ſind<lb/> für einen Menſchen von ſo niedriger Extraction wirk¬<lb/> lich überraſchend gut; noch geſtern glaubte die Gräfin<lb/> Grieben im Anfang, ich wolle ſie myſtificiren, als ich<lb/> ihr ſagte: der junge Mann, der mit uns gekommen,<lb/> ſei unſer Hauslehrer. Aber mit einer erträglichen<lb/> Tournüre, mit gewandter Rede und dergleichen iſt es<lb/> leider nur nicht gethan, und ich bin heute noch immer<lb/> nicht mit mir darüber einig, ob wir an dem jun¬<lb/> gen Mann eine gute Acquiſition gemacht haben oder<lb/> nicht.“</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">10*<lb/></fw> </div> </body> </text> </TEI> [147/0157]
runden Brillengläſer fort einen forſchenden Blick auf
die Baronin, ob ihr Geſicht etwa einen Commentar
zu der räthſelhaften Frage geben möchte. Da er ſich
in dieſer Hoffnung getäuſcht ſah, und ſchlechterdings
nicht wußte, was er antworten ſolle, griff er zu dem
Mittel, zu welchem er in ſolchen kritiſchen Fällen ſtets
ſeine Zuflucht nahm, das heißt: er zog die Schultern
und die Augenbrauen möglichſt in die Höhe und die
Mundwinkel möglichſt tief herunter, und überließ es
dem indiscreten Frager, aus dieſer Miene zu machen,
was er wollte und konnte.
„Sie zögern mit Ihrer Antwort!“ ſagte die Baronin;
„ich gebe zu, es iſt nicht ganz leicht, über Herrn Stein
in's Klare zu kommen. Er hat unleugbar manche
ſchätzenswerthe Eigenſchaften. Seine Manieren ſind
für einen Menſchen von ſo niedriger Extraction wirk¬
lich überraſchend gut; noch geſtern glaubte die Gräfin
Grieben im Anfang, ich wolle ſie myſtificiren, als ich
ihr ſagte: der junge Mann, der mit uns gekommen,
ſei unſer Hauslehrer. Aber mit einer erträglichen
Tournüre, mit gewandter Rede und dergleichen iſt es
leider nur nicht gethan, und ich bin heute noch immer
nicht mit mir darüber einig, ob wir an dem jun¬
gen Mann eine gute Acquiſition gemacht haben oder
nicht.“
10*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |