es kann Jemand gute Manieren haben und Gelehr¬ samkeit dazu, und doch ein unmoralischer Mensch sein."
"Aber liebe Anna-Maria," sagte der alte Baron ganz erschrocken, während der Pastor die Mundwinkel herunterzog und beistimmend nickte.
"Ich bleibe dabei," fuhr die Baronin fort, "ein unmoralischer Mensch. Hätte ich gewußt, was ich leider zu spät erfuhr, daß der Professor Berger bei aller seiner vielgerühmten Gelehrsamkeit in dem Ge¬ ruche eines Demokraten und Atheisten -- ich weiß nicht, welches von beiden das Schlimmere ist, denn, wer seinen Gott nicht ehrt, kann auch seinen König nicht ehren und umgekehrt -- ich sage, hätte ich ge¬ wußt, daß der Professor ein Freidenker und ein Mann der Umsturzpartei ist, ich würde ihm nimmermehr bei der Wahl eines Erziehers für meinen Sohn eine ent¬ scheidende Stimme eingeräumt haben."
"Aber liebe Anna-Maria," sagte der Baron; "es ist doch möglich, daß Du in Betreff Stein's unge¬ gründeten Befürchtungen Raum giebst. Ich erinnere mich nie, ein Wort von ihm gehört zu haben, in dem man mit Sicherheit die Bestätigung eines so schreck¬ lichen Verdachtes hätte finden können."
"Nun, Pastor Jäger," sagte die Baronin, "sind
es kann Jemand gute Manieren haben und Gelehr¬ ſamkeit dazu, und doch ein unmoraliſcher Menſch ſein.“
„Aber liebe Anna-Maria,“ ſagte der alte Baron ganz erſchrocken, während der Paſtor die Mundwinkel herunterzog und beiſtimmend nickte.
„Ich bleibe dabei,“ fuhr die Baronin fort, „ein unmoraliſcher Menſch. Hätte ich gewußt, was ich leider zu ſpät erfuhr, daß der Profeſſor Berger bei aller ſeiner vielgerühmten Gelehrſamkeit in dem Ge¬ ruche eines Demokraten und Atheiſten — ich weiß nicht, welches von beiden das Schlimmere iſt, denn, wer ſeinen Gott nicht ehrt, kann auch ſeinen König nicht ehren und umgekehrt — ich ſage, hätte ich ge¬ wußt, daß der Profeſſor ein Freidenker und ein Mann der Umſturzpartei iſt, ich würde ihm nimmermehr bei der Wahl eines Erziehers für meinen Sohn eine ent¬ ſcheidende Stimme eingeräumt haben.“
„Aber liebe Anna-Maria,“ ſagte der Baron; „es iſt doch möglich, daß Du in Betreff Stein's unge¬ gründeten Befürchtungen Raum giebſt. Ich erinnere mich nie, ein Wort von ihm gehört zu haben, in dem man mit Sicherheit die Beſtätigung eines ſo ſchreck¬ lichen Verdachtes hätte finden können.“
„Nun, Paſtor Jäger,“ ſagte die Baronin, „ſind
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es kann Jemand gute Manieren haben und Gelehr¬
ſamkeit dazu, und doch ein unmoraliſcher Menſch ſein.“
„Aber liebe Anna-Maria,“ ſagte der alte Baron
ganz erſchrocken, während der Paſtor die Mundwinkel
herunterzog und beiſtimmend nickte.
„Ich bleibe dabei,“ fuhr die Baronin fort, „ein
unmoraliſcher Menſch. Hätte ich gewußt, was ich
leider zu ſpät erfuhr, daß der Profeſſor Berger bei
aller ſeiner vielgerühmten Gelehrſamkeit in dem Ge¬
ruche eines Demokraten und Atheiſten — ich weiß
nicht, welches von beiden das Schlimmere iſt, denn,
wer ſeinen Gott nicht ehrt, kann auch ſeinen König
nicht ehren und umgekehrt — ich ſage, hätte ich ge¬
wußt, daß der Profeſſor ein Freidenker und ein Mann
der Umſturzpartei iſt, ich würde ihm nimmermehr bei
der Wahl eines Erziehers für meinen Sohn eine ent¬
ſcheidende Stimme eingeräumt haben.“
„Aber liebe Anna-Maria,“ ſagte der Baron; „es
iſt doch möglich, daß Du in Betreff Stein's unge¬
gründeten Befürchtungen Raum giebſt. Ich erinnere
mich nie, ein Wort von ihm gehört zu haben, in dem
man mit Sicherheit die Beſtätigung eines ſo ſchreck¬
lichen Verdachtes hätte finden können.“
„Nun, Paſtor Jäger,“ ſagte die Baronin, „ſind
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/159>, abgerufen am 16.02.2025.
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