dem Garten zu dem Schlosse in seiner ganzen Länge angebaut war, unter einem Zeltdache gedeckt. Der Abend war herrlich. Die Sonne war im Untergehen. Rosige Lichter spielten in den Wipfeln der hohen Buchen, die den schattigen Rasenplatz umgaben. Schwalben schossen zwitschernd und zirpend durch die klare Luft. Ein Pfau kam, durch das wohlbekannte Klappern der Teller herbeigelockt aus dem Gebüsch eilig über die Wiese geschritten, und sammelte die Brocken auf, die der alte Baron ihm über das Steingeländer des Per¬ rons zuwarf.
Die Unterhaltung war heute um Vieles lebhafter, als es wohl sonst der Fall war. Die Baronin konnte, wenn sie wollte, eine sehr angenehme Wirthin machen, und sie war, trotz ihrer zur Schau getragenen Abnei¬ gung gegen weltlichen Sinn, durchaus nicht so frei von Eitelkeit, daß es ihr gleichgültig gewesen wäre, neben Melitta übersehen zu werden. Melitta aber war in der liebenswürdigsten Laune; sie scherzte und lachte, neckte und ließ sich necken, unbefangen, harmlos, wie ein Kind. Es fiel Oswald, während er sich dem Zauber von Melitta's reizender Erscheinung willig überließ, nicht ein, zu glauben, seine Gegenwart könne etwas zur Erhöhung ihrer Stimmung beitragen, und doch war dies in einem hohen Grade der Fall. Es giebt wenige
dem Garten zu dem Schloſſe in ſeiner ganzen Länge angebaut war, unter einem Zeltdache gedeckt. Der Abend war herrlich. Die Sonne war im Untergehen. Roſige Lichter ſpielten in den Wipfeln der hohen Buchen, die den ſchattigen Raſenplatz umgaben. Schwalben ſchoſſen zwitſchernd und zirpend durch die klare Luft. Ein Pfau kam, durch das wohlbekannte Klappern der Teller herbeigelockt aus dem Gebüſch eilig über die Wieſe geſchritten, und ſammelte die Brocken auf, die der alte Baron ihm über das Steingeländer des Per¬ rons zuwarf.
Die Unterhaltung war heute um Vieles lebhafter, als es wohl ſonſt der Fall war. Die Baronin konnte, wenn ſie wollte, eine ſehr angenehme Wirthin machen, und ſie war, trotz ihrer zur Schau getragenen Abnei¬ gung gegen weltlichen Sinn, durchaus nicht ſo frei von Eitelkeit, daß es ihr gleichgültig geweſen wäre, neben Melitta überſehen zu werden. Melitta aber war in der liebenswürdigſten Laune; ſie ſcherzte und lachte, neckte und ließ ſich necken, unbefangen, harmlos, wie ein Kind. Es fiel Oswald, während er ſich dem Zauber von Melitta's reizender Erſcheinung willig überließ, nicht ein, zu glauben, ſeine Gegenwart könne etwas zur Erhöhung ihrer Stimmung beitragen, und doch war dies in einem hohen Grade der Fall. Es giebt wenige
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[78/0088]
dem Garten zu dem Schloſſe in ſeiner ganzen Länge
angebaut war, unter einem Zeltdache gedeckt. Der
Abend war herrlich. Die Sonne war im Untergehen.
Roſige Lichter ſpielten in den Wipfeln der hohen Buchen,
die den ſchattigen Raſenplatz umgaben. Schwalben
ſchoſſen zwitſchernd und zirpend durch die klare Luft.
Ein Pfau kam, durch das wohlbekannte Klappern der
Teller herbeigelockt aus dem Gebüſch eilig über die
Wieſe geſchritten, und ſammelte die Brocken auf, die
der alte Baron ihm über das Steingeländer des Per¬
rons zuwarf.
Die Unterhaltung war heute um Vieles lebhafter,
als es wohl ſonſt der Fall war. Die Baronin konnte,
wenn ſie wollte, eine ſehr angenehme Wirthin machen,
und ſie war, trotz ihrer zur Schau getragenen Abnei¬
gung gegen weltlichen Sinn, durchaus nicht ſo frei
von Eitelkeit, daß es ihr gleichgültig geweſen wäre,
neben Melitta überſehen zu werden. Melitta aber war
in der liebenswürdigſten Laune; ſie ſcherzte und lachte,
neckte und ließ ſich necken, unbefangen, harmlos, wie
ein Kind. Es fiel Oswald, während er ſich dem Zauber
von Melitta's reizender Erſcheinung willig überließ,
nicht ein, zu glauben, ſeine Gegenwart könne etwas
zur Erhöhung ihrer Stimmung beitragen, und doch war
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/88>, abgerufen am 27.11.2024.
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