gewußt, ihren Kopf behalten, und plauderte in stiller Nacht geschwätzig von der guten alten Zeit.
So hatte von dem Riesenwalle, der aus der grauen Heidenzeit stammte, bis zu den Spargelbeeten, die gestern angelegt waren, seit einem Jahrtausend jede Generation etwas zur Befestigung, Verschönerung oder Verbesserung dieses Wohnsitzes beigetragen. Vieles war spurlos verschwunden, Vieles hatte sich erhalten; Altes hatte der Zeit gespottet, Neues war mit der Zeit alt geworden; aber da selbst das Aelteste die Spuren des Lebens, der fortdauernden Nutzbarkeit trug, so war nirgends ein Sprung, ein Riß bemerkbar, und das Ganze machte den wohlthuenden Eindruck, als ob es eben nicht anders sein könnte. Zwar seinen primi¬ tiven Charakter hatte Schloß Grenwitz gänzlich einge¬ büßt, und wenn Oswald des Abends, von einem Spa¬ ziergange mit seinen Zöglingen zurückkommend, auf einer Stelle des Walles stehen blieb, von der er den schattigen, grasbewachsenen Hof, den blumenreichen Garten und das Schloß überblicken konnte, um dessen graue Mauern das Zwielicht wogte und die schnellen Schwalben zwitschernd kreis'ten, da glaubte er nicht die alte Stammburg fehdelustiger Barone, sondern das stille Klosterasyl beschaulicher Mönche vor sich zu sehen.
gewußt, ihren Kopf behalten, und plauderte in ſtiller Nacht geſchwätzig von der guten alten Zeit.
So hatte von dem Rieſenwalle, der aus der grauen Heidenzeit ſtammte, bis zu den Spargelbeeten, die geſtern angelegt waren, ſeit einem Jahrtauſend jede Generation etwas zur Befeſtigung, Verſchönerung oder Verbeſſerung dieſes Wohnſitzes beigetragen. Vieles war ſpurlos verſchwunden, Vieles hatte ſich erhalten; Altes hatte der Zeit geſpottet, Neues war mit der Zeit alt geworden; aber da ſelbſt das Aelteſte die Spuren des Lebens, der fortdauernden Nutzbarkeit trug, ſo war nirgends ein Sprung, ein Riß bemerkbar, und das Ganze machte den wohlthuenden Eindruck, als ob es eben nicht anders ſein könnte. Zwar ſeinen primi¬ tiven Charakter hatte Schloß Grenwitz gänzlich einge¬ büßt, und wenn Oswald des Abends, von einem Spa¬ ziergange mit ſeinen Zöglingen zurückkommend, auf einer Stelle des Walles ſtehen blieb, von der er den ſchattigen, grasbewachſenen Hof, den blumenreichen Garten und das Schloß überblicken konnte, um deſſen graue Mauern das Zwielicht wogte und die ſchnellen Schwalben zwitſchernd kreiſ'ten, da glaubte er nicht die alte Stammburg fehdeluſtiger Barone, ſondern das ſtille Kloſteraſyl beſchaulicher Mönche vor ſich zu ſehen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0047"n="37"/>
gewußt, ihren Kopf behalten, und plauderte in ſtiller<lb/>
Nacht geſchwätzig von der guten alten Zeit.</p><lb/><p>So hatte von dem Rieſenwalle, der aus der grauen<lb/>
Heidenzeit ſtammte, bis zu den Spargelbeeten, die<lb/>
geſtern angelegt waren, ſeit einem Jahrtauſend jede<lb/>
Generation etwas zur Befeſtigung, Verſchönerung oder<lb/>
Verbeſſerung dieſes Wohnſitzes beigetragen. Vieles<lb/>
war ſpurlos verſchwunden, Vieles hatte ſich erhalten;<lb/>
Altes hatte der Zeit geſpottet, Neues war mit der<lb/>
Zeit alt geworden; aber da ſelbſt das Aelteſte die<lb/>
Spuren des Lebens, der fortdauernden Nutzbarkeit trug,<lb/>ſo war nirgends ein Sprung, ein Riß bemerkbar, und<lb/>
das Ganze machte den wohlthuenden Eindruck, als ob<lb/>
es eben nicht anders ſein könnte. Zwar ſeinen primi¬<lb/>
tiven Charakter hatte Schloß Grenwitz gänzlich einge¬<lb/>
büßt, und wenn Oswald des Abends, von einem Spa¬<lb/>
ziergange mit ſeinen Zöglingen zurückkommend, auf<lb/>
einer Stelle des Walles ſtehen blieb, von der er den<lb/>ſchattigen, grasbewachſenen Hof, den blumenreichen<lb/>
Garten und das Schloß überblicken konnte, um deſſen<lb/>
graue Mauern das Zwielicht wogte und die ſchnellen<lb/>
Schwalben zwitſchernd kreiſ'ten, da glaubte er nicht<lb/>
die alte Stammburg fehdeluſtiger Barone, ſondern das<lb/>ſtille Kloſteraſyl beſchaulicher Mönche vor ſich zu ſehen.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[37/0047]
gewußt, ihren Kopf behalten, und plauderte in ſtiller
Nacht geſchwätzig von der guten alten Zeit.
So hatte von dem Rieſenwalle, der aus der grauen
Heidenzeit ſtammte, bis zu den Spargelbeeten, die
geſtern angelegt waren, ſeit einem Jahrtauſend jede
Generation etwas zur Befeſtigung, Verſchönerung oder
Verbeſſerung dieſes Wohnſitzes beigetragen. Vieles
war ſpurlos verſchwunden, Vieles hatte ſich erhalten;
Altes hatte der Zeit geſpottet, Neues war mit der
Zeit alt geworden; aber da ſelbſt das Aelteſte die
Spuren des Lebens, der fortdauernden Nutzbarkeit trug,
ſo war nirgends ein Sprung, ein Riß bemerkbar, und
das Ganze machte den wohlthuenden Eindruck, als ob
es eben nicht anders ſein könnte. Zwar ſeinen primi¬
tiven Charakter hatte Schloß Grenwitz gänzlich einge¬
büßt, und wenn Oswald des Abends, von einem Spa¬
ziergange mit ſeinen Zöglingen zurückkommend, auf
einer Stelle des Walles ſtehen blieb, von der er den
ſchattigen, grasbewachſenen Hof, den blumenreichen
Garten und das Schloß überblicken konnte, um deſſen
graue Mauern das Zwielicht wogte und die ſchnellen
Schwalben zwitſchernd kreiſ'ten, da glaubte er nicht
die alte Stammburg fehdeluſtiger Barone, ſondern das
ſtille Kloſteraſyl beſchaulicher Mönche vor ſich zu ſehen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/47>, abgerufen am 30.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.