Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite
Viertes Kapitel.

Und ein stilles, klösterlich stilles Leben war es denn
auch -- das Leben auf dem Schlosse Grenwitz. Alle
Unruhe, aller Lärm waren aus dem Bereich verbannt,
den der alte Wall wie eine epheuberankte Kirchhofs¬
mauer umgab. Hier ertönte kein Hundegebell, kein
Pferdewiehern; still glitten die Stunden dahin, wie die
Schatten des Zeigers der Sonnenuhr über dem Por¬
tale; still, wie die Blumen im Garten dufteten und
blühten. Hier schien selbst der Wind leiser in den
Wipfeln zu rauschen, die Vögel leiser in den Zweigen
zu singen; und was die Bewohner selbst betraf, so
konnte die Wanduhr auf dem Vorsaal in ihrem Eichen¬
schrank nicht freier von aller Neuerungssucht sein und
ihr Tagewerk pünktlicher und systematischer vollbringen.
Die Dienstboten thaten ihre Obliegenheiten mit der
Regelmäßigkeit von Automaten. Ja in die Möbel

Viertes Kapitel.

Und ein ſtilles, klöſterlich ſtilles Leben war es denn
auch — das Leben auf dem Schloſſe Grenwitz. Alle
Unruhe, aller Lärm waren aus dem Bereich verbannt,
den der alte Wall wie eine epheuberankte Kirchhofs¬
mauer umgab. Hier ertönte kein Hundegebell, kein
Pferdewiehern; ſtill glitten die Stunden dahin, wie die
Schatten des Zeigers der Sonnenuhr über dem Por¬
tale; ſtill, wie die Blumen im Garten dufteten und
blühten. Hier ſchien ſelbſt der Wind leiſer in den
Wipfeln zu rauſchen, die Vögel leiſer in den Zweigen
zu ſingen; und was die Bewohner ſelbſt betraf, ſo
konnte die Wanduhr auf dem Vorſaal in ihrem Eichen¬
ſchrank nicht freier von aller Neuerungsſucht ſein und
ihr Tagewerk pünktlicher und ſyſtematiſcher vollbringen.
Die Dienſtboten thaten ihre Obliegenheiten mit der
Regelmäßigkeit von Automaten. Ja in die Möbel

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0048" n="[38]"/>
      <div n="1">
        <head>Viertes Kapitel.<lb/></head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Und ein &#x017F;tilles, klö&#x017F;terlich &#x017F;tilles Leben war es denn<lb/>
auch &#x2014; das Leben auf dem Schlo&#x017F;&#x017F;e Grenwitz. Alle<lb/>
Unruhe, aller Lärm waren aus dem Bereich verbannt,<lb/>
den der alte Wall wie eine epheuberankte Kirchhofs¬<lb/>
mauer umgab. Hier ertönte kein Hundegebell, kein<lb/>
Pferdewiehern; &#x017F;till glitten die Stunden dahin, wie die<lb/>
Schatten des Zeigers der Sonnenuhr über dem Por¬<lb/>
tale; &#x017F;till, wie die Blumen im Garten dufteten und<lb/>
blühten. Hier &#x017F;chien &#x017F;elb&#x017F;t der Wind lei&#x017F;er in den<lb/>
Wipfeln zu rau&#x017F;chen, die Vögel lei&#x017F;er in den Zweigen<lb/>
zu &#x017F;ingen; und was die Bewohner &#x017F;elb&#x017F;t betraf, &#x017F;o<lb/>
konnte die Wanduhr auf dem Vor&#x017F;aal in ihrem Eichen¬<lb/>
&#x017F;chrank nicht freier von aller Neuerungs&#x017F;ucht &#x017F;ein und<lb/>
ihr Tagewerk pünktlicher und &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;cher vollbringen.<lb/>
Die Dien&#x017F;tboten thaten ihre Obliegenheiten mit der<lb/>
Regelmäßigkeit von Automaten. Ja in die Möbel<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[38]/0048] Viertes Kapitel. Und ein ſtilles, klöſterlich ſtilles Leben war es denn auch — das Leben auf dem Schloſſe Grenwitz. Alle Unruhe, aller Lärm waren aus dem Bereich verbannt, den der alte Wall wie eine epheuberankte Kirchhofs¬ mauer umgab. Hier ertönte kein Hundegebell, kein Pferdewiehern; ſtill glitten die Stunden dahin, wie die Schatten des Zeigers der Sonnenuhr über dem Por¬ tale; ſtill, wie die Blumen im Garten dufteten und blühten. Hier ſchien ſelbſt der Wind leiſer in den Wipfeln zu rauſchen, die Vögel leiſer in den Zweigen zu ſingen; und was die Bewohner ſelbſt betraf, ſo konnte die Wanduhr auf dem Vorſaal in ihrem Eichen¬ ſchrank nicht freier von aller Neuerungsſucht ſein und ihr Tagewerk pünktlicher und ſyſtematiſcher vollbringen. Die Dienſtboten thaten ihre Obliegenheiten mit der Regelmäßigkeit von Automaten. Ja in die Möbel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/48
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. [38]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/48>, abgerufen am 23.11.2024.