Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

So standen sie, sich eng umschlungen haltend. . .
Rothe Abendlichter spielten in den Wipfeln der Tannen,
-- aus dem Walde tönte der sanfte klagende Gesang
eines Vögleins, -- ein süßer, feierlicher Augenblick. . .

Da schlugen aus geringer Entfernung wüste, hä߬
liche Töne an ihr Ohr -- laute drohende Stimmen
von Männern, die in einem heftigen Wortwechsel be¬
griffen schienen -- Schelten, Fluchen -- dann auf
einen Augenblick tiefe Stille und plötzlich der laute
Ruf: Herr Gott! Hülfe! ist denn Niemand da!
Hierher!

Oswald und Bruno, die einen Augenblick, athem¬
los gelauscht hatten, eilten jetzt in vollem Lauf der
Stelle zu, von wo der Hülferuf ertönte. Sie kamen
auf einen Platz, hart am Rande des Waldes, wo Holz
gefällt wurde, und zwischen den einzelnen noch stehen¬
den Bäumen hier und da Klafter aufgeschichtet waren.
Neben einem halb beladenen, mit vier Pferden bespann¬
ten Wagen lag ein Mann auf der Erde, mit Händen
und Füßen um sich schlagend, ein anderer hatte sich
über ihn gebeugt, ihn mißhandelnd, oder beschwichtigend
-- man konnte es nicht unterscheiden. Als die Beiden
herankamen, erhob sich dieser Letztere -- es war der
Inspector Wrampe -- und schrie ihnen entgegen:

So ſtanden ſie, ſich eng umſchlungen haltend. . .
Rothe Abendlichter ſpielten in den Wipfeln der Tannen,
— aus dem Walde tönte der ſanfte klagende Geſang
eines Vögleins, — ein ſüßer, feierlicher Augenblick. . .

Da ſchlugen aus geringer Entfernung wüſte, hä߬
liche Töne an ihr Ohr — laute drohende Stimmen
von Männern, die in einem heftigen Wortwechſel be¬
griffen ſchienen — Schelten, Fluchen — dann auf
einen Augenblick tiefe Stille und plötzlich der laute
Ruf: Herr Gott! Hülfe! iſt denn Niemand da!
Hierher!

Oswald und Bruno, die einen Augenblick, athem¬
los gelauſcht hatten, eilten jetzt in vollem Lauf der
Stelle zu, von wo der Hülferuf ertönte. Sie kamen
auf einen Platz, hart am Rande des Waldes, wo Holz
gefällt wurde, und zwiſchen den einzelnen noch ſtehen¬
den Bäumen hier und da Klafter aufgeſchichtet waren.
Neben einem halb beladenen, mit vier Pferden beſpann¬
ten Wagen lag ein Mann auf der Erde, mit Händen
und Füßen um ſich ſchlagend, ein anderer hatte ſich
über ihn gebeugt, ihn mißhandelnd, oder beſchwichtigend
— man konnte es nicht unterſcheiden. Als die Beiden
herankamen, erhob ſich dieſer Letztere — es war der
Inſpector Wrampe — und ſchrie ihnen entgegen:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0279" n="269"/>
        <p>So &#x017F;tanden &#x017F;ie, &#x017F;ich eng um&#x017F;chlungen haltend. . .<lb/>
Rothe Abendlichter &#x017F;pielten in den Wipfeln der Tannen,<lb/>
&#x2014; aus dem Walde tönte der &#x017F;anfte klagende Ge&#x017F;ang<lb/>
eines Vögleins, &#x2014; ein &#x017F;üßer, feierlicher Augenblick. . .</p><lb/>
        <p>Da &#x017F;chlugen aus geringer Entfernung wü&#x017F;te, hä߬<lb/>
liche Töne an ihr Ohr &#x2014; laute drohende Stimmen<lb/>
von Männern, die in einem heftigen Wortwech&#x017F;el be¬<lb/>
griffen &#x017F;chienen &#x2014; Schelten, Fluchen &#x2014; dann auf<lb/>
einen Augenblick tiefe Stille und plötzlich der laute<lb/>
Ruf: Herr Gott! Hülfe! i&#x017F;t denn Niemand da!<lb/>
Hierher!</p><lb/>
        <p>Oswald und Bruno, die einen Augenblick, athem¬<lb/>
los gelau&#x017F;cht hatten, eilten jetzt in vollem Lauf der<lb/>
Stelle zu, von wo der Hülferuf ertönte. Sie kamen<lb/>
auf einen Platz, hart am Rande des Waldes, wo Holz<lb/>
gefällt wurde, und zwi&#x017F;chen den einzelnen noch &#x017F;tehen¬<lb/>
den Bäumen hier und da Klafter aufge&#x017F;chichtet waren.<lb/>
Neben einem halb beladenen, mit vier Pferden be&#x017F;pann¬<lb/>
ten Wagen lag ein Mann auf der Erde, mit Händen<lb/>
und Füßen um &#x017F;ich &#x017F;chlagend, ein anderer hatte &#x017F;ich<lb/>
über ihn gebeugt, ihn mißhandelnd, oder be&#x017F;chwichtigend<lb/>
&#x2014; man konnte es nicht unter&#x017F;cheiden. Als die Beiden<lb/>
herankamen, erhob &#x017F;ich die&#x017F;er Letztere &#x2014; es war der<lb/>
In&#x017F;pector Wrampe &#x2014; und &#x017F;chrie ihnen entgegen:<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269/0279] So ſtanden ſie, ſich eng umſchlungen haltend. . . Rothe Abendlichter ſpielten in den Wipfeln der Tannen, — aus dem Walde tönte der ſanfte klagende Geſang eines Vögleins, — ein ſüßer, feierlicher Augenblick. . . Da ſchlugen aus geringer Entfernung wüſte, hä߬ liche Töne an ihr Ohr — laute drohende Stimmen von Männern, die in einem heftigen Wortwechſel be¬ griffen ſchienen — Schelten, Fluchen — dann auf einen Augenblick tiefe Stille und plötzlich der laute Ruf: Herr Gott! Hülfe! iſt denn Niemand da! Hierher! Oswald und Bruno, die einen Augenblick, athem¬ los gelauſcht hatten, eilten jetzt in vollem Lauf der Stelle zu, von wo der Hülferuf ertönte. Sie kamen auf einen Platz, hart am Rande des Waldes, wo Holz gefällt wurde, und zwiſchen den einzelnen noch ſtehen¬ den Bäumen hier und da Klafter aufgeſchichtet waren. Neben einem halb beladenen, mit vier Pferden beſpann¬ ten Wagen lag ein Mann auf der Erde, mit Händen und Füßen um ſich ſchlagend, ein anderer hatte ſich über ihn gebeugt, ihn mißhandelnd, oder beſchwichtigend — man konnte es nicht unterſcheiden. Als die Beiden herankamen, erhob ſich dieſer Letztere — es war der Inſpector Wrampe — und ſchrie ihnen entgegen:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/279
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/279>, abgerufen am 16.07.2024.