Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.von Deiner Bella! Du siehst ja, daß ich hier fest¬ Oswald stützte sich auf den Ellbogen und starrte "Nichts Schlimmes, schmucker, junger Herr! Sah Oswald, der sich wieder vollkommen zurechtgefun¬ von Deiner Bella! Du ſiehſt ja, daß ich hier feſt¬ Oswald ſtützte ſich auf den Ellbogen und ſtarrte „Nichts Schlimmes, ſchmucker, junger Herr! Sah Oswald, der ſich wieder vollkommen zurechtgefun¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0146" n="136"/> von Deiner Bella! Du ſiehſt ja, daß ich hier feſt¬<lb/> gewachſen bin. O Du Liebe, Holde, Angebetete!<lb/> Melitta, Süße! einen Kuß, einen einzigen Kuß! Und<lb/> Du willſt fort, jetzt fort — aber was iſt das? was<lb/> will die braune Hexe? Nein, nein — Du biſt nicht<lb/> Melitta!“</p><lb/> <p>Oswald ſtützte ſich auf den Ellbogen und ſtarrte<lb/> ſchlaftrunken in das braune Geſicht, das ſich über ihn<lb/> beugte: „Was willſt Du von mir?“</p><lb/> <p>„Nichts Schlimmes, ſchmucker, junger Herr! Sah<lb/> den jungen Herrn liegen, wußte nicht, ob ſchlafend oder<lb/> todt; iſt gefährlich, zu ſchlafen im Wald am Sumpfes¬<lb/> rand, wenn man's nicht gewohnt iſt von Kindesbeinen.“</p><lb/> <p>Oswald, der ſich wieder vollkommen zurechtgefun¬<lb/> den hatte, betrachtete jetzt das Weib, das vor ihm<lb/> ſtand, genauer und erkannte dann alsbald in ihr eine<lb/> jener Zigeunerinnen, wie ſie hier zu Lande nicht ſelten,<lb/> wahrſagend, hauſirend, muſicirend, bettelnd, gelegentlich<lb/> auch ſtehlend, von Dorf zu Dorf und von Jahrmarkt<lb/> zu Jahrmarkt ziehen. Dieſe hier mochte nach dem<lb/> Feuer ihrer dunklen Augen, den runden halbnackten<lb/> Armen und der ſtraffen Haltung des ſchlanken hohen<lb/> Leibes zu ſchließen, zwiſchen fünfundzwanzig und dreißig<lb/> Jahre zählen; aber Wind und Wetter, Hunger und<lb/> Kummer, vielleicht auch ſchlimme Leidenſchaften, hatten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [136/0146]
von Deiner Bella! Du ſiehſt ja, daß ich hier feſt¬
gewachſen bin. O Du Liebe, Holde, Angebetete!
Melitta, Süße! einen Kuß, einen einzigen Kuß! Und
Du willſt fort, jetzt fort — aber was iſt das? was
will die braune Hexe? Nein, nein — Du biſt nicht
Melitta!“
Oswald ſtützte ſich auf den Ellbogen und ſtarrte
ſchlaftrunken in das braune Geſicht, das ſich über ihn
beugte: „Was willſt Du von mir?“
„Nichts Schlimmes, ſchmucker, junger Herr! Sah
den jungen Herrn liegen, wußte nicht, ob ſchlafend oder
todt; iſt gefährlich, zu ſchlafen im Wald am Sumpfes¬
rand, wenn man's nicht gewohnt iſt von Kindesbeinen.“
Oswald, der ſich wieder vollkommen zurechtgefun¬
den hatte, betrachtete jetzt das Weib, das vor ihm
ſtand, genauer und erkannte dann alsbald in ihr eine
jener Zigeunerinnen, wie ſie hier zu Lande nicht ſelten,
wahrſagend, hauſirend, muſicirend, bettelnd, gelegentlich
auch ſtehlend, von Dorf zu Dorf und von Jahrmarkt
zu Jahrmarkt ziehen. Dieſe hier mochte nach dem
Feuer ihrer dunklen Augen, den runden halbnackten
Armen und der ſtraffen Haltung des ſchlanken hohen
Leibes zu ſchließen, zwiſchen fünfundzwanzig und dreißig
Jahre zählen; aber Wind und Wetter, Hunger und
Kummer, vielleicht auch ſchlimme Leidenſchaften, hatten
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