Fee von der Welt, und hatte nur die eine kleine Schwäche, von Zeit zu Zeit Jemand in ihren Wald zu locken, damit er sich unter den hohen Buchen und Eichen, von denen die eine immer aussah wie die an¬ dere, verirrte. Darüber hatte sie dann ihre Freude. Wenn sie aber so einen armen Schelm verlocken wollte, setzte sie sich auf ihr Pferd Bella (denn an dieser Fee war Alles schön, selbst ihr Pferd), ritt in's Land hin¬ ein und suchte unter den jungen Männern, bis sie den dümmsten fand. Die hatte sie am liebsten. Den be¬ zauberte sie dann mit ihrer Schönheit, ihrem lieben, holden, neckischen Wesen und ihrer honigsüßen Stimme; und um den Zauber fest zu machen, schenkte sie ihm etwas -- eine Rose etwa. Nahm er die nun in seiner Dummheit, so mußte er am nächsten Tage in den Wald, er mochte wollen oder nicht. Da kommt er denn natürlich bald vom Wege ab und läuft die Kreuz und Quer herum, bis er sich endlich am Fuße einer uralten Buche schlafen legt. Und wenn er nun so da¬ liegt und sieht, wie die rothen Sonnenstrahlen in den grünen Zweigen Versteckens spielen und die blauen Li¬ bellen Haschens auf dem schwarzen Wasser, und hört, wie es in dem Röhricht flüstert und droben in den Wipfeln der Bäume rauscht, und weht und rauscht -- -- -- "Melitta, kommst Du endlich. Steige herab
Fee von der Welt, und hatte nur die eine kleine Schwäche, von Zeit zu Zeit Jemand in ihren Wald zu locken, damit er ſich unter den hohen Buchen und Eichen, von denen die eine immer ausſah wie die an¬ dere, verirrte. Darüber hatte ſie dann ihre Freude. Wenn ſie aber ſo einen armen Schelm verlocken wollte, ſetzte ſie ſich auf ihr Pferd Bella (denn an dieſer Fee war Alles ſchön, ſelbſt ihr Pferd), ritt in's Land hin¬ ein und ſuchte unter den jungen Männern, bis ſie den dümmſten fand. Die hatte ſie am liebſten. Den be¬ zauberte ſie dann mit ihrer Schönheit, ihrem lieben, holden, neckiſchen Weſen und ihrer honigſüßen Stimme; und um den Zauber feſt zu machen, ſchenkte ſie ihm etwas — eine Roſe etwa. Nahm er die nun in ſeiner Dummheit, ſo mußte er am nächſten Tage in den Wald, er mochte wollen oder nicht. Da kommt er denn natürlich bald vom Wege ab und läuft die Kreuz und Quer herum, bis er ſich endlich am Fuße einer uralten Buche ſchlafen legt. Und wenn er nun ſo da¬ liegt und ſieht, wie die rothen Sonnenſtrahlen in den grünen Zweigen Verſteckens ſpielen und die blauen Li¬ bellen Haſchens auf dem ſchwarzen Waſſer, und hört, wie es in dem Röhricht flüſtert und droben in den Wipfeln der Bäume rauſcht, und weht und rauſcht — — — „Melitta, kommſt Du endlich. Steige herab
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Fee von der Welt, und hatte nur die eine kleine
Schwäche, von Zeit zu Zeit Jemand in ihren Wald
zu locken, damit er ſich unter den hohen Buchen und
Eichen, von denen die eine immer ausſah wie die an¬
dere, verirrte. Darüber hatte ſie dann ihre Freude.
Wenn ſie aber ſo einen armen Schelm verlocken wollte,
ſetzte ſie ſich auf ihr Pferd Bella (denn an dieſer Fee
war Alles ſchön, ſelbſt ihr Pferd), ritt in's Land hin¬
ein und ſuchte unter den jungen Männern, bis ſie den
dümmſten fand. Die hatte ſie am liebſten. Den be¬
zauberte ſie dann mit ihrer Schönheit, ihrem lieben,
holden, neckiſchen Weſen und ihrer honigſüßen Stimme;
und um den Zauber feſt zu machen, ſchenkte ſie ihm
etwas — eine Roſe etwa. Nahm er die nun in ſeiner
Dummheit, ſo mußte er am nächſten Tage in den
Wald, er mochte wollen oder nicht. Da kommt er
denn natürlich bald vom Wege ab und läuft die Kreuz
und Quer herum, bis er ſich endlich am Fuße einer
uralten Buche ſchlafen legt. Und wenn er nun ſo da¬
liegt und ſieht, wie die rothen Sonnenſtrahlen in den
grünen Zweigen Verſteckens ſpielen und die blauen Li¬
bellen Haſchens auf dem ſchwarzen Waſſer, und hört,
wie es in dem Röhricht flüſtert und droben in den
Wipfeln der Bäume rauſcht, und weht und rauſcht —
— — „Melitta, kommſt Du endlich. Steige herab
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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/145>, abgerufen am 25.11.2024.
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