Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.Das siebende Capitel. einige studia angefangen zu fassen/ dieselbe zu einem berühmten mann und bischoffthun/ der zwar sie nicht informiret; aber ihnen anleitung gibt/ und sie allgemach anführet/ dadurch sie vieles desjenigen an sich nehmen/ mit dem sie täglich umge- hen. Dergleichen liesse sich sonderlich thun auf dem lande/ wo ja offtmals recht christliche gottselige leute sich finden/ da allemal zu wünschen/ daß jeder andere ne- ben sich allgemach erzöge/ die auch seines gleichen wiederum würden: Es wäre auch der vortheil dabey/ daß gemeiniglich an solchen orten sehr wohlfeyl zu leben/ und also nicht viel kosten nöthig wären/ auch in einer mehrern einsamkeit bey weni- ger obschwebenden ärgernüssen der gesamte zweck leichter zu erhalten seyn möchte. Gleichwol möchte auch dasselbige zuweilen in grössern städten geschehen/ sonderlich wo mehrere prediger sind/ und also die candidati an mehrern lernen möchten/ auch ihnen öfftere gelegenheit geschafft werden könte/ sich in dergleichen ihnen nöthigen dingen zu üben. Aus allen obigen ergiebet sich nun 6. von selbsten/ daß ein dergleichen semi- so
Das ſiebende Capitel. einige ſtudia angefangen zu faſſen/ dieſelbe zu einem beruͤhmten mann und biſchoffthun/ der zwar ſie nicht informiret; aber ihnen anleitung gibt/ und ſie allgemach anfuͤhret/ dadurch ſie vieles desjenigen an ſich nehmen/ mit dem ſie taͤglich umge- hen. Dergleichen lieſſe ſich ſonderlich thun auf dem lande/ wo ja offtmals recht chriſtliche gottſelige leute ſich finden/ da allemal zu wuͤnſchen/ daß jeder andere ne- ben ſich allgemach erzoͤge/ die auch ſeines gleichen wiederum wuͤrden: Es waͤre auch der vortheil dabey/ daß gemeiniglich an ſolchen orten ſehr wohlfeyl zu leben/ und alſo nicht viel koſten noͤthig waͤren/ auch in einer mehrern einſamkeit bey weni- ger obſchwebenden aͤrgernuͤſſen der geſamte zweck leichter zu erhalten ſeyn moͤchte. Gleichwol moͤchte auch daſſelbige zuweilen in groͤſſern ſtaͤdten geſchehen/ ſonderlich wo mehrere prediger ſind/ und alſo die candidati an mehrern lernen moͤchten/ auch ihnen oͤfftere gelegenheit geſchafft werden koͤnte/ ſich in dergleichen ihnen noͤthigen dingen zu uͤben. Aus allen obigen ergiebet ſich nun 6. von ſelbſten/ daß ein dergleichen ſemi- ſo
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Das ſiebende Capitel.
einige ſtudia angefangen zu faſſen/ dieſelbe zu einem beruͤhmten mann und biſchoff
thun/ der zwar ſie nicht informiret; aber ihnen anleitung gibt/ und ſie allgemach
anfuͤhret/ dadurch ſie vieles desjenigen an ſich nehmen/ mit dem ſie taͤglich umge-
hen. Dergleichen lieſſe ſich ſonderlich thun auf dem lande/ wo ja offtmals recht
chriſtliche gottſelige leute ſich finden/ da allemal zu wuͤnſchen/ daß jeder andere ne-
ben ſich allgemach erzoͤge/ die auch ſeines gleichen wiederum wuͤrden: Es waͤre
auch der vortheil dabey/ daß gemeiniglich an ſolchen orten ſehr wohlfeyl zu leben/
und alſo nicht viel koſten noͤthig waͤren/ auch in einer mehrern einſamkeit bey weni-
ger obſchwebenden aͤrgernuͤſſen der geſamte zweck leichter zu erhalten ſeyn moͤchte.
Gleichwol moͤchte auch daſſelbige zuweilen in groͤſſern ſtaͤdten geſchehen/ ſonderlich
wo mehrere prediger ſind/ und alſo die candidati an mehrern lernen moͤchten/ auch
ihnen oͤfftere gelegenheit geſchafft werden koͤnte/ ſich in dergleichen ihnen noͤthigen
dingen zu uͤben.
Aus allen obigen ergiebet ſich nun 6. von ſelbſten/ daß ein dergleichen ſemi-
narium ſehr nuͤtzlich und noͤthig ſeye/ weil dasjenige/ das gleichwol bey den an-
gehenden miniſtris ohne ſolches mittel nicht oder nicht zur genuͤge/ und ſo leicht er-
halten werden kan/ und aber die aufſeher der kirchen nicht alleine darauf zu ſehen
ſchuldig ſind/ wie etwa qualitercunque die ſtelle beſetzt/ ſondern zu trachten/ daß
die kirche GOttes alſo verſorget wuͤrde/ wie es deroſelben nothdurfft und erbau-
ung mit ſich bringet. Etwas dieſem ſeminario aͤhnliches findet ſich zu Straß-
burg/ da auch dieſer name gebraͤuchlich/ damit eine gewiſſe zahl der candidato-
rum benennet wird/ die meiſte bey dem præſide conventus eccleſiaſtici ſumtu
publico in koſten und loſament gehalten werden/ jedoch bereits ihre munia ſa-
cra und jeglicher einige filial in ſuburbano rure, da keine eigene pfarrer koͤnnen
gehalten werden/ zu verſehen haben/ und alſo ordentliche prediger ſind/ jedoch bey
dem præſide wohnen/ und unter ſeiner direction und anleitung leben muͤſſen/ da-
her auch im ledigen ſtande ſo lang bleiben. Aus denſelben werden nachmal die
land-pfarrſtellen erſetzet. Da kan man alſo in einem ſolchen ſeminario in etlichen
jahren einen mann recht kennen lernen/ nach allen denjenigen dingen/ welche billig
in beſtellung der dienſte ſollen angeſehen werden/ und hingegen nicht moͤglich iſt/
aus einiger predigt oder examine in dasjenige zu penetriren, woran doch der kir-
chen das meiſte gelegen. Man kan ſie auch nicht nur insgemein lernen kennen/ ob
einer zu dem heiligen amt tuͤchtig oder nicht/ ſondern weil unter denſelben in vie-
len umſtaͤnden auch ein unterſchied ſeyn kan/ wird ſichs bald ergeben/ zu wel-
cher ſtelle nachmal jeglicher am allertuͤchtigſten/ da es bey den andern faſt
gleichſam auf gerathwol her gehen/ und die vacanzen erſetzt werden muͤſ-
ſen. So iſt auch zu hoffen/ wie anregung geſchiehet/ daß wo der anſchlag
wol von ſtatten gegangen/ daß andere ſtaͤnde und patroni, aufs wenigſte
ſo
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 532. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/544>, abgerufen am 16.06.2024. |