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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
druck mangelt/ und wir also nicht weiter gehen können/ als publice und priva-
tim
den hartnäckigen und unbußfertigen GOttes gericht anzudrohen/ ob wir
sie wol von den gütern/ welche ihnen deßwegen nicht gehörten/ noch nicht ab-
halten dörfften. Was mich und einige andere hertzen/ die solchen jammer
beseufftzen/ anlanget/ so tröste ich mich damit/ daß die sache nicht bey uns stehe.
Es gehöret einmal das jus der excommunication und ausschliessung nicht
vor uns prediger/ oder einigen stand der kirchen allein/ sondern ist ein gut/ das
der gantzen kirchen gemein solle seyn. So gar daß ich auch darvor halte/ es
wäre nicht gut/ wenn uns dessen macht allein gegeben würde/ sondern ist also
aufs weißlichste von dem HErrn der gantzen kirchen gegeben. Dann wie viel
fleischliche leute sind unter uns? und würden dann solche nicht ihre gewalt
vielmehr miß-als recht-gebrauchen/ und also nur vor ein mittel ihren fleisch-
lichen rachgier und opinialität offters anwenden? wie wir die exempla in
dem pabstthum gehabt haben. Geziemet sich also nicht/ daß ein mann oder
etliche die richter über die glieder der kirchen seyen. Weil demnach zu solcher
sach des bannes die gantze kirche gehöret/ so solten also jegliches orts die judicia
ecclesiastica
von predigern und ältesten aus den übrigen ordinibus ange-
richtet werden/ da dergleichen dinge vorkämen/ und folglich allemal zuletzt der
gantzen gemeinde in offentlicher versammlung vorgetragen würden/ nicht nur
ihro den schluß anzuzeigen/ sondern sie auch alle darüber zu hören. Da gienge
es recht in der ordnung her/ welche Christi einsetzung gemäß wäre/ und würde
der zweck erhalten. Weiln dann wir prediger weder allein macht haben je-
manden zu excommuniciren/ und in so wichtiger sache eigene richter zu
seyn/ noch auch die sache dahin bringen können/ daß es wieder auf den
fuß gesetzet werde/ wie es zu seyn geziehmte/ so liegt die schuld und verant-
wortung nicht auf uns/ wo wir sonsten allen fleiß anwenden/ und erinnerung
thun/ daß doch die kirche wieder in den gebrauch der ihr zukommenden rechten
möchte gesetzet/ und also diesem schrecklichen verderben gewehret werden/ da
wir aber weder mit gewalt die sache durchtreiben können/ noch solches zu thun
gesetzet sind. Weswegen ich kein ander mittel weiß/ wo sich solche leute zur
beicht und communion anmelden/ welche sich aufs wenigste vor bußfertig
mit worten anmelden (ein anders ists/ da jemand so offenbar gottloß seyn
wolte/ daß er selbs seine unbußfertigkeit bezeugte/ bekennte/ daß er sich
nicht zu bessern begehrte/ und folglich offentlich GOTTES und seiner
gnaden-mittel spotten wolte/ wo man auch in gegenwärtigen confusen statu
der kirchen bey den superioribus, wo nur noch einige scham und ansehen des
Christenthums ist/ hülffe zu finden pfleget/ oder doch hoffen mag/ und also de-
roselben hülffe brauchen muß) ob ich wol aus mehrmaliger an ihrer eige-

nen

Das ſiebende Capitel.
druck mangelt/ und wir alſo nicht weiter gehen koͤnnen/ als publice und priva-
tim
den hartnaͤckigen und unbußfertigen GOttes gericht anzudrohen/ ob wir
ſie wol von den guͤtern/ welche ihnen deßwegen nicht gehoͤrten/ noch nicht ab-
halten doͤrfften. Was mich und einige andere hertzen/ die ſolchen jammer
beſeufftzen/ anlanget/ ſo troͤſte ich mich damit/ daß die ſache nicht bey uns ſtehe.
Es gehoͤret einmal das jus der excommunication und ausſchlieſſung nicht
vor uns prediger/ oder einigen ſtand der kirchen allein/ ſondern iſt ein gut/ das
der gantzen kirchen gemein ſolle ſeyn. So gar daß ich auch darvor halte/ es
waͤre nicht gut/ wenn uns deſſen macht allein gegeben wuͤrde/ ſondern iſt alſo
aufs weißlichſte von dem HErrn der gantzen kirchen gegeben. Dann wie viel
fleiſchliche leute ſind unter uns? und wuͤrden dann ſolche nicht ihre gewalt
vielmehr miß-als recht-gebrauchen/ und alſo nur vor ein mittel ihren fleiſch-
lichen rachgier und opinialitaͤt offters anwenden? wie wir die exempla in
dem pabſtthum gehabt haben. Geziemet ſich alſo nicht/ daß ein mann oder
etliche die richter uͤber die glieder der kirchen ſeyen. Weil demnach zu ſolcher
ſach des bannes die gantze kirche gehoͤret/ ſo ſolten alſo jegliches orts die judicia
eccleſiaſtica
von predigern und aͤlteſten aus den uͤbrigen ordinibus ange-
richtet werden/ da dergleichen dinge vorkaͤmen/ und folglich allemal zuletzt der
gantzen gemeinde in offentlicher verſammlung vorgetragen wuͤrden/ nicht nur
ihro den ſchluß anzuzeigen/ ſondern ſie auch alle daruͤber zu hoͤren. Da gienge
es recht in der ordnung her/ welche Chriſti einſetzung gemaͤß waͤre/ und wuͤrde
der zweck erhalten. Weiln dann wir prediger weder allein macht haben je-
manden zu excommuniciren/ und in ſo wichtiger ſache eigene richter zu
ſeyn/ noch auch die ſache dahin bringen koͤnnen/ daß es wieder auf den
fuß geſetzet werde/ wie es zu ſeyn geziehmte/ ſo liegt die ſchuld und verant-
wortung nicht auf uns/ wo wir ſonſten allen fleiß anwenden/ und erinnerung
thun/ daß doch die kirche wieder in den gebrauch der ihr zukommenden rechten
moͤchte geſetzet/ und alſo dieſem ſchrecklichen verderben gewehret werden/ da
wir aber weder mit gewalt die ſache durchtreiben koͤnnen/ noch ſolches zu thun
geſetzet ſind. Weswegen ich kein ander mittel weiß/ wo ſich ſolche leute zur
beicht und communion anmelden/ welche ſich aufs wenigſte vor bußfertig
mit worten anmelden (ein anders iſts/ da jemand ſo offenbar gottloß ſeyn
wolte/ daß er ſelbs ſeine unbußfertigkeit bezeugte/ bekennte/ daß er ſich
nicht zu beſſern begehrte/ und folglich offentlich GOTTES und ſeiner
gnaden-mittel ſpotten wolte/ wo man auch in gegenwaͤrtigen confuſen ſtatu
der kirchen bey den ſuperioribus, wo nur noch einige ſcham und anſehen des
Chriſtenthums iſt/ huͤlffe zu finden pfleget/ oder doch hoffen mag/ und alſo de-
roſelben huͤlffe brauchen muß) ob ich wol aus mehrmaliger an ihrer eige-

nen
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[216/0228] Das ſiebende Capitel. druck mangelt/ und wir alſo nicht weiter gehen koͤnnen/ als publice und priva- tim den hartnaͤckigen und unbußfertigen GOttes gericht anzudrohen/ ob wir ſie wol von den guͤtern/ welche ihnen deßwegen nicht gehoͤrten/ noch nicht ab- halten doͤrfften. Was mich und einige andere hertzen/ die ſolchen jammer beſeufftzen/ anlanget/ ſo troͤſte ich mich damit/ daß die ſache nicht bey uns ſtehe. Es gehoͤret einmal das jus der excommunication und ausſchlieſſung nicht vor uns prediger/ oder einigen ſtand der kirchen allein/ ſondern iſt ein gut/ das der gantzen kirchen gemein ſolle ſeyn. So gar daß ich auch darvor halte/ es waͤre nicht gut/ wenn uns deſſen macht allein gegeben wuͤrde/ ſondern iſt alſo aufs weißlichſte von dem HErrn der gantzen kirchen gegeben. Dann wie viel fleiſchliche leute ſind unter uns? und wuͤrden dann ſolche nicht ihre gewalt vielmehr miß-als recht-gebrauchen/ und alſo nur vor ein mittel ihren fleiſch- lichen rachgier und opinialitaͤt offters anwenden? wie wir die exempla in dem pabſtthum gehabt haben. Geziemet ſich alſo nicht/ daß ein mann oder etliche die richter uͤber die glieder der kirchen ſeyen. Weil demnach zu ſolcher ſach des bannes die gantze kirche gehoͤret/ ſo ſolten alſo jegliches orts die judicia eccleſiaſtica von predigern und aͤlteſten aus den uͤbrigen ordinibus ange- richtet werden/ da dergleichen dinge vorkaͤmen/ und folglich allemal zuletzt der gantzen gemeinde in offentlicher verſammlung vorgetragen wuͤrden/ nicht nur ihro den ſchluß anzuzeigen/ ſondern ſie auch alle daruͤber zu hoͤren. Da gienge es recht in der ordnung her/ welche Chriſti einſetzung gemaͤß waͤre/ und wuͤrde der zweck erhalten. Weiln dann wir prediger weder allein macht haben je- manden zu excommuniciren/ und in ſo wichtiger ſache eigene richter zu ſeyn/ noch auch die ſache dahin bringen koͤnnen/ daß es wieder auf den fuß geſetzet werde/ wie es zu ſeyn geziehmte/ ſo liegt die ſchuld und verant- wortung nicht auf uns/ wo wir ſonſten allen fleiß anwenden/ und erinnerung thun/ daß doch die kirche wieder in den gebrauch der ihr zukommenden rechten moͤchte geſetzet/ und alſo dieſem ſchrecklichen verderben gewehret werden/ da wir aber weder mit gewalt die ſache durchtreiben koͤnnen/ noch ſolches zu thun geſetzet ſind. Weswegen ich kein ander mittel weiß/ wo ſich ſolche leute zur beicht und communion anmelden/ welche ſich aufs wenigſte vor bußfertig mit worten anmelden (ein anders iſts/ da jemand ſo offenbar gottloß ſeyn wolte/ daß er ſelbs ſeine unbußfertigkeit bezeugte/ bekennte/ daß er ſich nicht zu beſſern begehrte/ und folglich offentlich GOTTES und ſeiner gnaden-mittel ſpotten wolte/ wo man auch in gegenwaͤrtigen confuſen ſtatu der kirchen bey den ſuperioribus, wo nur noch einige ſcham und anſehen des Chriſtenthums iſt/ huͤlffe zu finden pfleget/ oder doch hoffen mag/ und alſo de- roſelben huͤlffe brauchen muß) ob ich wol aus mehrmaliger an ihrer eige- nen

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/228>, abgerufen am 22.11.2024.