Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.ARTIC. II. SECT. XIV. sprechende trost offt den zusprechenden nicht ins hertzewolle. Ob man das Christenthum zu hoch spanne/ und zur verzweiflung treibe. Was eigentlich peccata venialia seyen. WJe übel leyder sich unsere religions genossene teutsche in Franck- druck
ARTIC. II. SECT. XIV. ſprechende troſt offt den zuſprechenden nicht ins hertzewolle. Ob man das Chriſtenthum zu hoch ſpanne/ und zur verzweiflung treibe. Was eigentlich peccata venialia ſeyen. WJe uͤbel leyder ſich unſere religions genoſſene teutſche in Franck- druck
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ARTIC. II. SECT. XIV.
ſprechende troſt offt den zuſprechenden nicht ins hertze
wolle. Ob man das Chriſtenthum zu hoch ſpanne/ und
zur verzweiflung treibe. Was eigentlich peccata
venialia ſeyen.
WJe uͤbel leyder ſich unſere religions genoſſene teutſche in Franck-
reich gemeiniglich halten/ und alſo der betruͤbte zuſtand derſelben
kirchen iſt mir von langem bekant/ und aus meines vielgeliebten
brudern wehmuͤthigen klagen noch mehr bekant worden. Nun iſts zwar
in gewiſſer maaß ſo viel ſchlimmer/ da eine gemeinde/ wie dieſelbe iſt/ groſ-
ſentheils aus lauter ſolchen leuten beſtehet/ die ſich eines orts nur eine kur-
tze zeit aufhalten/ da man noch etlicher maſſen beſſer zu recht kommen koͤn-
nen/ wo man gewiſſe leut immerfort fuͤr ſich hat. Aber er ſeye verſichert/
wir die wir auch dieſer art gemeinden haben/ welche da ſolten beſſer ein-
gerichtet und formiret ſeyn/ haben eben ſolche klagen/ und ſehe ich noch kein
gnugſam nach druͤckliches mittel/ wie dem ſchaden geholffen werden moͤchte.
Jch weiß/ daß liebe und fromme hertzen offt nicht wiſſen/ wie ſie ihnen ra-
then ſollen/ und wo es anderer urſachen wegen erlaubt waͤre/ lieber ihre
dienſte quittirten/ als daß ſie dieſelbe auf dieſe art verwalteten/ wo ſie ſehen/
daß die allermeiſte ſich derſelben nur mißbrauchen. Gleichwie aber etwa
auch andere urſachen ſind/ welche ſolche reſolution billig mißrathen/ ſo iſt die
vornehmſte dieſe/ daß damit der Chriſtlichen kirchen ſo gar nicht gerathen
waͤre/ daß ſie nur in ſo vielmehr gefahr geſtuͤrtzet wuͤrde/ wann nemlich al-
le rechtſchaffene und ihres GOTTes ehre mit treuen meinende lehrer ihre
dienſte quittirten/ und alſo die kirch vollends an miedlinge und bauch-die-
ner/ deren ſich an jener ſtelle immer ein genugſamer hauffe finden wuͤrde/ uͤ-
berlieſſen. Jndem dadurch denen noch unter den heerden uͤbrigen wenigern
frommen ſeelen die huͤlffe/ die ſie noch von ihren predigern und hirten haben/
entzogen werden wuͤrde. Jſt alſo je noch beſſer/ daß wir uns bey unſern ſtel-
len erhalten/ ſo lange uns GOtt nicht durch andere gewalt vertreiben laͤſſet/
thun ſo viel wir koͤnnen/ da aufs wenigſte diejenige/ die ihnen wollen helf-
fen laſſen/ huͤlff genug von uns finden/ und die gelegenheit annoch bleibet die
boͤſe aufs wenigſte zur buß zu ruffen/ und durch die predigt goͤttlichen worts
ihres eigenen mißbrauchs/ damit ſie unſers amts in andern ſtuͤcken miß-
brauchen/ offters in ihren ſeelen zu uͤberzeugen/ ob noch durch GOttes kraͤf-
tige gnade ſich zuweilen einige davon gewinnen lieſſen. Wie ich ohne das
unſere gantze ſach nicht anders anſehe/ als daß wir es vornehmlich mit den
willigen zu thun haben muͤſſen/ bey denjenigen wo es eines mehrern nach-
drucks bedarf/ ſehe ich nicht viel auszurichten/ weil es uns an ſolchem nach-
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