Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECTIO VII. gar ein ausser ordentlich und seltener fall sey/ sondern redet vielmehr davon/ alseiner sache/ die nicht seltsam sey. So sagt er auch nicht darbey/ daß ein solcher mit 7. ärgeren begleiteter teuffel nicht wiederum ausgetrieben werde/ sondern nur allein/ daß es mit den menschen ärger sey/ als zu erst/ welches aber den statum controversiae nicht berühret. 7. Werden auch angezogen die sprüche/ darinnen die glaubigen vermahnet werden/ beständig zubleiben/ zu wachsen/ und immer völ- liger zu werden/ und daß die glaubigen solchem befehl nachkommen. Welches wir gerne gestehen/ was derselben conatum und fleiß anlanget/ sie bemühen sich beständig zu bleiben und zuwachsen. Wie sie aber noch das fleisch an sich haben/ das stets allerhand menschliche fehler verursachet/ also ist auch müglich/ daß aus menschlichen fehlern endlich boßhaffte sünden werden/ wie droben gezeiget. Wann dann solches geschiehet/ so hören sie auff um solche zeit glaubig zu seyn/ und haben die wieder geburt verlohren. Wie Herr Stenger selbsten gestehet/ ob er schon meint daß solches gar selten und außerordentlich geschehe. Welches aber die krafft der sprüche/ so allein die schuldigkeit und fleiß der gläubigen/ so lange sie solche sind vor- stellen/ nicht mit sich bringet. Die vergleichung zwischen Christo und den glau- bigen Rom. 6. geben wir gerne zu/ daß wir sollen in einem neuen leben wandeln/ wie CHRJSTUS auch nach seiner aufferstehung ein neues und ewiges leben angetreten: Also wie CHRJSTUS nicht wiederum gestorben/ erfordert/ daß auch wir nichtwiederum in sünden sterben sollen: Also welche wiederum in sünden gestorben/ haben darwider gethan/ worzu sie verbun- den gewesen/ das ist unlaugbar. Unterdessen kans doch geschehen/ wel- ches auch Herr Stenger nicht leugnen darff: und wie es geschehen kan/ so geschie- het es leider nur gar zu offt: dessen gegentheil aus Paulo hie nicht erweißlich. Daß Luc. 15. der verlohrne sohn nicht wiederum von dem vater gelauffen/ erwei- set nichts/ in dem der zweck der parabel allein ist zu zeigen/ daß doch GOTT die busse annehme/ wie schwer das verbrechen sey: ausser diesem und was dahin ab- zwecket/ läst sich nichts erweisen. Daß der HERR zu dem gesund gewordenen Joh. 5. saget: Siehe zu/ sündige fort nicht mehr/ auff daß dir nicht et- was ärgers widerfahre. Zeiget abermahl mehr nicht/ als daß freylich der Re- cidivat allezeit schwehrer sey/ in dem er den menschen mit mehrern sünden beladet/ und die undanckbarkeit allezeit so viel grösser/ dahero auch göttlicher zorn gemeh- ret worden. Damit ist aber die sache an sich nicht erwiesen/ daß solches nicht offt geschehe. Gleiche bewandnüß hat es auch mit dem spruch Hohenlied 5/3. und der angezogenen gleichnüß/ der zu der andern erbauung des tempels mehr erforderten zeit/ als zu der ersten. Wir gehen aber nicht jegliches absonderlich durch/ wie wir auch nicht noth achten/ auff die von der öffentlichen kirchenbusse handlen- de orte der väter zu antworten. Einige gründe stehen noch folgendes pag. 40. die einen schein haben/ und also noch zu examiniren sind. Wo wir zum fördersten noch-
ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECTIO VII. gar ein auſſer ordentlich und ſeltener fall ſey/ ſondern redet vielmehr davon/ alseiner ſache/ die nicht ſeltſam ſey. So ſagt er auch nicht darbey/ daß ein ſolcher mit 7. aͤrgeren begleiteter teuffel nicht wiederum ausgetrieben werde/ ſondern nur allein/ daß es mit den menſchen aͤrger ſey/ als zu erſt/ welches aber den ſtatum controverſiæ nicht beruͤhret. 7. Werden auch angezogen die ſpruͤche/ darinnen die glaubigen vermahnet werden/ beſtaͤndig zubleiben/ zu wachſen/ und immer voͤl- liger zu werden/ und daß die glaubigen ſolchem befehl nachkommen. Welches wir gerne geſtehen/ was derſelben conatum und fleiß anlanget/ ſie bemuͤhen ſich beſtaͤndig zu bleiben und zuwachſen. Wie ſie aber noch das fleiſch an ſich haben/ das ſtets allerhand menſchliche fehler verurſachet/ alſo iſt auch muͤglich/ daß aus menſchlichen fehlern endlich boßhaffte ſuͤnden werden/ wie droben gezeiget. Wann dann ſolches geſchiehet/ ſo hoͤren ſie auff um ſolche zeit glaubig zu ſeyn/ und haben die wieder geburt verlohren. Wie Herr Stenger ſelbſten geſtehet/ ob er ſchon meint daß ſolches gar ſelten und außerordentlich geſchehe. Welches aber die krafft der ſpruͤche/ ſo allein die ſchuldigkeit und fleiß der glaͤubigen/ ſo lange ſie ſolche ſind vor- ſtellen/ nicht mit ſich bringet. Die vergleichung zwiſchen Chriſto und den glau- bigen Rom. 6. geben wir gerne zu/ daß wir ſollen in einem neuen leben wandeln/ wie CHRJSTUS auch nach ſeiner aufferſtehung ein neues und ewiges leben angetreten: Alſo wie CHRJSTUS nicht wiederum geſtorben/ erfordert/ daß auch wir nichtwiederum in ſuͤnden ſterben ſollen: Alſo welche wiederum in ſuͤnden geſtorben/ haben darwider gethan/ worzu ſie verbun- den geweſen/ das iſt unlaugbar. Unterdeſſen kans doch geſchehen/ wel- ches auch Herr Stenger nicht leugnen darff: und wie es geſchehen kan/ ſo geſchie- het es leider nur gar zu offt: deſſen gegentheil aus Paulo hie nicht erweißlich. Daß Luc. 15. der verlohrne ſohn nicht wiederum von dem vater gelauffen/ erwei- ſet nichts/ in dem der zweck der parabel allein iſt zu zeigen/ daß doch GOTT die buſſe annehme/ wie ſchwer das verbrechen ſey: auſſer dieſem und was dahin ab- zwecket/ laͤſt ſich nichts erweiſen. Daß der HERR zu dem geſund gewordenen Joh. 5. ſaget: Siehe zu/ ſuͤndige fort nicht mehr/ auff daß dir nicht et- was aͤrgers widerfahre. Zeiget abermahl mehr nicht/ als daß freylich der Re- cidivat allezeit ſchwehrer ſey/ in dem er den menſchen mit mehrern ſuͤnden beladet/ und die undanckbarkeit allezeit ſo viel groͤſſer/ dahero auch goͤttlicher zorn gemeh- ret worden. Damit iſt aber die ſache an ſich nicht erwieſen/ daß ſolches nicht offt geſchehe. Gleiche bewandnuͤß hat es auch mit dem ſpruch Hohenlied 5/3. und der angezogenen gleichnuͤß/ der zu der andern erbauung des tempels mehr erforderten zeit/ als zu der erſten. Wir gehen aber nicht jegliches abſonderlich durch/ wie wir auch nicht noth achten/ auff die von der oͤffentlichen kirchenbuſſe handlen- de orte der vaͤter zu antworten. Einige gruͤnde ſtehen noch folgendes pag. 40. die einen ſchein haben/ und alſo noch zu examiniren ſind. Wo wir zum foͤrderſten noch-
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ARTIC. I. DISTINCTIO I. SECTIO VII.
gar ein auſſer ordentlich und ſeltener fall ſey/ ſondern redet vielmehr davon/ als
einer ſache/ die nicht ſeltſam ſey. So ſagt er auch nicht darbey/ daß ein ſolcher
mit 7. aͤrgeren begleiteter teuffel nicht wiederum ausgetrieben werde/ ſondern nur
allein/ daß es mit den menſchen aͤrger ſey/ als zu erſt/ welches aber den ſtatum
controverſiæ nicht beruͤhret. 7. Werden auch angezogen die ſpruͤche/ darinnen
die glaubigen vermahnet werden/ beſtaͤndig zubleiben/ zu wachſen/ und immer voͤl-
liger zu werden/ und daß die glaubigen ſolchem befehl nachkommen. Welches
wir gerne geſtehen/ was derſelben conatum und fleiß anlanget/ ſie bemuͤhen ſich
beſtaͤndig zu bleiben und zuwachſen. Wie ſie aber noch das fleiſch an ſich haben/
das ſtets allerhand menſchliche fehler verurſachet/ alſo iſt auch muͤglich/ daß aus
menſchlichen fehlern endlich boßhaffte ſuͤnden werden/ wie droben gezeiget. Wann
dann ſolches geſchiehet/ ſo hoͤren ſie auff um ſolche zeit glaubig zu ſeyn/ und haben
die wieder geburt verlohren. Wie Herr Stenger ſelbſten geſtehet/ ob er ſchon meint
daß ſolches gar ſelten und außerordentlich geſchehe. Welches aber die krafft der
ſpruͤche/ ſo allein die ſchuldigkeit und fleiß der glaͤubigen/ ſo lange ſie ſolche ſind vor-
ſtellen/ nicht mit ſich bringet. Die vergleichung zwiſchen Chriſto und den glau-
bigen Rom. 6. geben wir gerne zu/ daß wir ſollen in einem neuen leben wandeln/
wie CHRJSTUS auch nach ſeiner aufferſtehung ein neues und ewiges leben
angetreten: Alſo wie CHRJSTUS nicht wiederum geſtorben/ erfordert/
daß auch wir nichtwiederum in ſuͤnden ſterben ſollen: Alſo welche wiederum
in ſuͤnden geſtorben/ haben darwider gethan/ worzu ſie verbun-
den geweſen/ das iſt unlaugbar. Unterdeſſen kans doch geſchehen/ wel-
ches auch Herr Stenger nicht leugnen darff: und wie es geſchehen kan/ ſo geſchie-
het es leider nur gar zu offt: deſſen gegentheil aus Paulo hie nicht erweißlich. Daß
Luc. 15. der verlohrne ſohn nicht wiederum von dem vater gelauffen/ erwei-
ſet nichts/ in dem der zweck der parabel allein iſt zu zeigen/ daß doch GOTT die
buſſe annehme/ wie ſchwer das verbrechen ſey: auſſer dieſem und was dahin ab-
zwecket/ laͤſt ſich nichts erweiſen. Daß der HERR zu dem geſund gewordenen
Joh. 5. ſaget: Siehe zu/ ſuͤndige fort nicht mehr/ auff daß dir nicht et-
was aͤrgers widerfahre. Zeiget abermahl mehr nicht/ als daß freylich der Re-
cidivat allezeit ſchwehrer ſey/ in dem er den menſchen mit mehrern ſuͤnden beladet/
und die undanckbarkeit allezeit ſo viel groͤſſer/ dahero auch goͤttlicher zorn gemeh-
ret worden. Damit iſt aber die ſache an ſich nicht erwieſen/ daß ſolches nicht offt
geſchehe. Gleiche bewandnuͤß hat es auch mit dem ſpruch Hohenlied 5/3. und der
angezogenen gleichnuͤß/ der zu der andern erbauung des tempels mehr erforderten
zeit/ als zu der erſten. Wir gehen aber nicht jegliches abſonderlich durch/
wie wir auch nicht noth achten/ auff die von der oͤffentlichen kirchenbuſſe handlen-
de orte der vaͤter zu antworten. Einige gruͤnde ſtehen noch folgendes pag. 40. die
einen ſchein haben/ und alſo noch zu examiniren ſind. Wo wir zum foͤrderſten
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/73>, abgerufen am 22.07.2024. |