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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DIST. III. SECT. XLIV.
men elenden und verachtetem volck und Jsrael in der wüsten geredet wird/ beken-
ne ich abermahl/ daß ich nicht wisse/ was darmit gemeinet werden solle. Jch
weiß/ der HERR hat seine wahre Jsraeliten hin und wieder/ und ist dero wal-
len in der wüsten; Zu solchen gehören alle die jenige/ welche in lebendigen glau-
ben stehen/ und also Abrahams saamen nach dem geist und verheissung sind.
So bekenne auch/ das von solchen ein zimliche zahl ausser der äusserlichen gemein-
schafft der sichtbaren Evangelischen kirchen lebet/ die der HErr. nach seinem weisen
rath/ dessen etliche und zwar weise ursachen wir etwa selbs sehen können/ aber ver-
sichert sind/ daß deroselben noch mehr und wichtigere sind/ unter den gemeinden/
die auch die buchstäbliche warheit nicht einmahl haben/ erhalt und behalt/ das saltz
zu seyn die völlige fäule in denselben zu verwehren. Jndessen dancke billich dem himm-
lischen Vater/ daß er unter dem verderben des grossen hauffens bey unseren gemein-
den/ denen er die warheit vor anderen anvertrauet hat/ auch seine zimliche zahl er-
halten/ die was sie in dem nahmen heissen/ auch in der that zu seyn sich befleissen/
und dem Evangelio würdiglich wandelen. Solche verdammen freylich an sich
und anderen alles/ was nicht aus GOTT ist/ sie erinneren sich aber im richten der
worte ihres Heylands/ und mit was behutsamkeit solches geschehen müsse/ und
sondern sich nicht ab von denen/ welche gleiche warheit mit ihnen empfangen haben/
noch verwerffen um anderer mißbrauchs willen/ was an sich gut und ob von men-
schen aus göttlicher providenz gestellet/ gleichwol göttlich wort gemäß ist. Son-
dern halten über jenem fest/ damit sie nicht vor die ihnen anvertrauete gnade der
warheit undanckbar werden/ mit trennung ärgernüß stifften/ den feinden zu lä-
stern ursach und materie geben/ in dessen eyffern sie wider diesen/ und suchen so mit
sanfftmuth und gedult (die wo sie lang anhält/ offt mehr außrichtet als ungestüm-
migkeit) als mit eyffer daran zu bessern/ nechst deme in demuth und gehorsam er-
wartende/ daß der HErr selbst komme/ und reinige was ihnen nicht müglich gewe-
sen auszurichten. Von diesem volck weiß ich/ und trachte mit mir selbst jedermann
dahin anzu weisen/ dessen glieder zu werden und zu seyn. Jst einander volck/ so
muß ich nähere kundschafft davon haben/ ehe in einige gemeinschafft mit denselben
zu treten vermag.

Zuletzt habe dieses auch zuerinnern/ daß ich nicht verstehe/ wo hin die beschul-
digung gehe/ das die Ungern und Reformirten in Franckreich von uns/ in ihrem
elend verlassen werden. Ach wolte GOtt/ ich wüßte und sehe/ wie den lieben leu-
then hülffe und liebe nach GOttlicher ordnung erwiesen werden könte/ nechst dem
eyffrigen gebeth/ an welchen es vor dieselbige bey vielen Gottseligen hertzen nicht
mangelen wird. Ausser dem sehe noch nicht/ was wir weiter zu thun vermögen.
Die leibliche waffen vor sie zu ergreiffen/ ob wir auch die macht hätten/ ist der jünger
Christi weise nicht/ denn wir wissen welches Geistes kinder wir sind. An leiblichen
unterhalts mitteln meine ich habe es bißher den jenigen/ so solcher orten sind/ noch

nicht
Ttt 3

ARTIC. I. DIST. III. SECT. XLIV.
men elenden und verachtetem volck und Jſrael in der wuͤſten geredet wird/ beken-
ne ich abermahl/ daß ich nicht wiſſe/ was darmit gemeinet werden ſolle. Jch
weiß/ der HERR hat ſeine wahre Jſraeliten hin und wieder/ und iſt dero wal-
len in der wuͤſten; Zu ſolchen gehoͤren alle die jenige/ welche in lebendigen glau-
ben ſtehen/ und alſo Abrahams ſaamen nach dem geiſt und verheiſſung ſind.
So bekenne auch/ das von ſolchen ein zimliche zahl auſſer der aͤuſſerlichen gemein-
ſchafft der ſichtbaren Evangeliſchen kiꝛchen lebet/ die der HErr. nach ſeinem weiſen
rath/ deſſen etliche und zwar weiſe urſachen wir etwa ſelbs ſehen koͤnnen/ aber ver-
ſichert ſind/ daß deroſelben noch mehr und wichtigere ſind/ unter den gemeinden/
die auch die buchſtaͤbliche warheit nicht einmahl haben/ erhalt und behalt/ das ſaltz
zu ſeyn die voͤllige faͤule in denſelben zu verwehren. Jndeſſen dancke billich dem him̃-
liſchen Vater/ daß er unter dem verderben des groſſen hauffens bey unſeꝛen gemein-
den/ denen er die warheit vor anderen anvertrauet hat/ auch ſeine zimliche zahl er-
halten/ die was ſie in dem nahmen heiſſen/ auch in der that zu ſeyn ſich befleiſſen/
und dem Evangelio wuͤꝛdiglich wandelen. Solche verdammen freylich an ſich
und anderen alles/ was nicht aus GOTT iſt/ ſie erinneren ſich aber im richten der
worte ihres Heylands/ und mit was behutſamkeit ſolches geſchehen muͤſſe/ und
ſondern ſich nicht ab von denen/ welche gleiche warheit mit ihnen empfangen haben/
noch verwerffen um anderer mißbrauchs willen/ was an ſich gut und ob von men-
ſchen aus goͤttlicher providenz geſtellet/ gleichwol goͤttlich wort gemaͤß iſt. Son-
dern halten uͤber jenem feſt/ damit ſie nicht vor die ihnen anvertrauete gnade der
warheit undanckbar werden/ mit trennung aͤrgernuͤß ſtifften/ den feinden zu laͤ-
ſtern urſach und materie geben/ in deſſen eyffern ſie wider dieſen/ und ſuchen ſo mit
ſanfftmuth und gedult (die wo ſie lang anhaͤlt/ offt mehr außrichtet als ungeſtuͤm-
migkeit) als mit eyffer daran zu beſſern/ nechſt deme in demuth und gehorſam er-
wartende/ daß der HErr ſelbſt komme/ und reinige was ihnen nicht muͤglich gewe-
ſen auszurichten. Von dieſem volck weiß ich/ und trachte mit mir ſelbſt jedermann
dahin anzu weiſen/ deſſen glieder zu werden und zu ſeyn. Jſt einander volck/ ſo
muß ich naͤhere kundſchafft davon haben/ ehe in einige gemeinſchafft mit denſelben
zu treten vermag.

Zuletzt habe dieſes auch zuerinnern/ daß ich nicht verſtehe/ wo hin die beſchul-
digung gehe/ das die Ungern und Reformirten in Franckreich von uns/ in ihrem
elend verlaſſen werden. Ach wolte GOtt/ ich wuͤßte und ſehe/ wie den lieben leu-
then huͤlffe und liebe nach GOttlicher ordnung erwieſen werden koͤnte/ nechſt dem
eyffrigen gebeth/ an welchen es vor dieſelbige bey vielen Gottſeligen hertzen nicht
mangelen wird. Auſſer dem ſehe noch nicht/ was wir weiter zu thun vermoͤgen.
Die leibliche waffen vor ſie zu ergreiffen/ ob wir auch die macht haͤtten/ iſt der juͤnger
Chriſti weiſe nicht/ denn wir wiſſen welches Geiſtes kinder wir ſind. An leiblichen
unterhalts mitteln meine ich habe es bißher den jenigen/ ſo ſolcher orten ſind/ noch

nicht
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[517/0535] ARTIC. I. DIST. III. SECT. XLIV. men elenden und verachtetem volck und Jſrael in der wuͤſten geredet wird/ beken- ne ich abermahl/ daß ich nicht wiſſe/ was darmit gemeinet werden ſolle. Jch weiß/ der HERR hat ſeine wahre Jſraeliten hin und wieder/ und iſt dero wal- len in der wuͤſten; Zu ſolchen gehoͤren alle die jenige/ welche in lebendigen glau- ben ſtehen/ und alſo Abrahams ſaamen nach dem geiſt und verheiſſung ſind. So bekenne auch/ das von ſolchen ein zimliche zahl auſſer der aͤuſſerlichen gemein- ſchafft der ſichtbaren Evangeliſchen kiꝛchen lebet/ die der HErr. nach ſeinem weiſen rath/ deſſen etliche und zwar weiſe urſachen wir etwa ſelbs ſehen koͤnnen/ aber ver- ſichert ſind/ daß deroſelben noch mehr und wichtigere ſind/ unter den gemeinden/ die auch die buchſtaͤbliche warheit nicht einmahl haben/ erhalt und behalt/ das ſaltz zu ſeyn die voͤllige faͤule in denſelben zu verwehren. Jndeſſen dancke billich dem him̃- liſchen Vater/ daß er unter dem verderben des groſſen hauffens bey unſeꝛen gemein- den/ denen er die warheit vor anderen anvertrauet hat/ auch ſeine zimliche zahl er- halten/ die was ſie in dem nahmen heiſſen/ auch in der that zu ſeyn ſich befleiſſen/ und dem Evangelio wuͤꝛdiglich wandelen. Solche verdammen freylich an ſich und anderen alles/ was nicht aus GOTT iſt/ ſie erinneren ſich aber im richten der worte ihres Heylands/ und mit was behutſamkeit ſolches geſchehen muͤſſe/ und ſondern ſich nicht ab von denen/ welche gleiche warheit mit ihnen empfangen haben/ noch verwerffen um anderer mißbrauchs willen/ was an ſich gut und ob von men- ſchen aus goͤttlicher providenz geſtellet/ gleichwol goͤttlich wort gemaͤß iſt. Son- dern halten uͤber jenem feſt/ damit ſie nicht vor die ihnen anvertrauete gnade der warheit undanckbar werden/ mit trennung aͤrgernuͤß ſtifften/ den feinden zu laͤ- ſtern urſach und materie geben/ in deſſen eyffern ſie wider dieſen/ und ſuchen ſo mit ſanfftmuth und gedult (die wo ſie lang anhaͤlt/ offt mehr außrichtet als ungeſtuͤm- migkeit) als mit eyffer daran zu beſſern/ nechſt deme in demuth und gehorſam er- wartende/ daß der HErr ſelbſt komme/ und reinige was ihnen nicht muͤglich gewe- ſen auszurichten. Von dieſem volck weiß ich/ und trachte mit mir ſelbſt jedermann dahin anzu weiſen/ deſſen glieder zu werden und zu ſeyn. Jſt einander volck/ ſo muß ich naͤhere kundſchafft davon haben/ ehe in einige gemeinſchafft mit denſelben zu treten vermag. Zuletzt habe dieſes auch zuerinnern/ daß ich nicht verſtehe/ wo hin die beſchul- digung gehe/ das die Ungern und Reformirten in Franckreich von uns/ in ihrem elend verlaſſen werden. Ach wolte GOtt/ ich wuͤßte und ſehe/ wie den lieben leu- then huͤlffe und liebe nach GOttlicher ordnung erwieſen werden koͤnte/ nechſt dem eyffrigen gebeth/ an welchen es vor dieſelbige bey vielen Gottſeligen hertzen nicht mangelen wird. Auſſer dem ſehe noch nicht/ was wir weiter zu thun vermoͤgen. Die leibliche waffen vor ſie zu ergreiffen/ ob wir auch die macht haͤtten/ iſt der juͤnger Chriſti weiſe nicht/ denn wir wiſſen welches Geiſtes kinder wir ſind. An leiblichen unterhalts mitteln meine ich habe es bißher den jenigen/ ſo ſolcher orten ſind/ noch nicht Ttt 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/535>, abgerufen am 22.11.2024.