Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XXVI. ches das äusserliche liecht der Schrifft annehme/ und nicht aus demselben her ent-stehe/ wie wir in der natur in unsern augen ein natürliches liecht zu sehen bey uns haben/ daß nicht von dem liecht der sonnen her entstehet/ sondern in eigner krafft die- selbe siehet/ bey uns aber ist kein solches natürliches in uns selbs befindliches liecht/ welches nur so zu reden erwecket werden dörffte/ daß es alsdenn/ so bald das obje- ctum da wäre/ dasselbe ergreiffen könte/ sondern wir seind/ was die rechte geistli- che erkäntnüß anlangt/ eigenlich finsternüß/ und ist nichts bey unß/ als die passiva capacitas, das ist/ das GOttes liecht in uns etwas wircken könne. Wider diese wahrheit/ seihe ich nicht/ wie etwas mit grund und bestand auffgebracht werden möchte. Das die wahre Evangelische lehre von dem theuresten verdienst und denen zum
ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XXVI. ches das aͤuſſerliche liecht der Schrifft annehme/ und nicht aus demſelben her ent-ſtehe/ wie wir in der natur in unſern augen ein natuͤrliches liecht zu ſehen bey uns haben/ daß nicht von dem liecht der ſonnen her entſtehet/ ſondern in eigner krafft die- ſelbe ſiehet/ bey uns aber iſt kein ſolches natuͤrliches in uns ſelbs befindliches liecht/ welches nur ſo zu reden erwecket werden doͤrffte/ daß es alsdenn/ ſo bald das obje- ctum da waͤre/ daſſelbe ergreiffen koͤnte/ ſondern wir ſeind/ was die rechte geiſtli- che erkaͤntnuͤß anlangt/ eigenlich finſternuͤß/ und iſt nichts bey unß/ als die paſſiva capacitas, das iſt/ das GOttes liecht in uns etwas wircken koͤnne. Wider dieſe wahrheit/ ſeihe ich nicht/ wie etwas mit grund und beſtand auffgebracht werden moͤchte. Das die wahre Evangeliſche lehre von dem theureſten verdienſt und denen zum
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ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO XXVI.
ches das aͤuſſerliche liecht der Schrifft annehme/ und nicht aus demſelben her ent-
ſtehe/ wie wir in der natur in unſern augen ein natuͤrliches liecht zu ſehen bey uns
haben/ daß nicht von dem liecht der ſonnen her entſtehet/ ſondern in eigner krafft die-
ſelbe ſiehet/ bey uns aber iſt kein ſolches natuͤrliches in uns ſelbs befindliches liecht/
welches nur ſo zu reden erwecket werden doͤrffte/ daß es alsdenn/ ſo bald das obje-
ctum da waͤre/ daſſelbe ergreiffen koͤnte/ ſondern wir ſeind/ was die rechte geiſtli-
che erkaͤntnuͤß anlangt/ eigenlich finſternuͤß/ und iſt nichts bey unß/ als die paſſiva
capacitas, das iſt/ das GOttes liecht in uns etwas wircken koͤnne. Wider dieſe
wahrheit/ ſeihe ich nicht/ wie etwas mit grund und beſtand auffgebracht werden
moͤchte.
Das die wahre Evangeliſche lehre von dem theureſten verdienſt und denen
wolthaten unſers liebſten Erloͤſers nicht ſo bekant ſeyen wie ſie ſollten/ iſt freylich
wahr/ aber mit thraͤnen nicht genug zu beklagen/ es iſt je das Evangelium die eini-
ge ſeligmachende lehre/ da das geſetz nichts anders als die vorbereitung des hertzens
iſt/ und mit aller ſeiner krafft nicht das wenigſte gute annoch in dem menſchen zu
wegen bringen kan/ ſondern ſolche ehr dem Evangelio und lehre der gnaden uͤber-
laſſen muß. Jedoch hoffe ich/ ob wol dieſe lehre nicht an allen orthen und von al-
len mit genugſamen fleiß und voͤllig getrieben werde/ wie ſichs geziehmet/ daher auch
eine groſſe unwiſſenheit des heyls bey dem groſſen hauffen ſich befindet/ mangle es
doch an lieben buͤchern nicht/ welche nechſt der Schrifft/ was hievon zu unſerer er-
bauung nuͤtzlich/ reichlich uns an die hand geben koͤnnen. Bekant iſt was vor ein
herrlich maß der gnaden in dieſem ſtuͤcke ſonderlich unſerm theuren Luthero von
GOtt ertheilet worden/ daß villeicht von der Apoſtel zeiten an wenig ihm in dieſer
materi moͤgen gleich gekommen ſeyn. Dieſer theure mann hat die ſchaͤtze des
heyls vortrefflich vor augen gelegt/ und iſt dero extract in dem Chriſtenthum Lu-
theri, oder redivivo Luthero von den frommen Statio zu ſammen getragen. E-
ben von dieſem iſt auch die Schatz-kammer der glaͤubigen aus Stephani Præ-
torii Schrifften alſo eingerichtet/ daß/ wer ſich deroſelben in der furcht des HErrn
und mit hertzlichem gebet gebrauchen will/ nicht aber in nebens ſachen unnoͤthig zu
ſcrupuliren begehret/ eine vortreffliche ſtaͤrckung ſeines glaubens antreffen wird.
Eben hiezu ſeynd auch dienlich/ und ſo viel vorſichtiger abgefaſſet die Schrifften des
lieben M. Andr. Crameri, deren einige ich aus der liebe darzu hier habe widerum
nachtrucken laſſen/ und wo darnach verlangen ſeyn ſollte/ gern ein exemplar ſchicken
will. Unſer theure Arndius ſchleuſt uns auch vieles von ſolchen ſchaͤtzen auff. So
hoffe ich auch daß ihres heyls beguͤhrige in des gottſel. M. Scriverii ſchrifften ſich
trefflich erbauen moͤgen/ jetzo anderer mehr nicht zu gedencken. Aber wolte
GOTT/ daß alle predigten und alle ſchrifften mit ſolchen einig-nothwendigen
reichlicher gezieret waͤren; Dann dieſes iſt der rechte ſaamen/ aus dem der glaube
waͤchſet; vieles anderes hingegen/ was wir in dem amt zu thun haben/ gehoͤret nur
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