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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO VI.
unleugbar/ daß aus der/ nicht zwar warhafftigen aber mißbrauchten/ Philo-
soph
ie vielfältige objectiones gegen die Evangelische lehr vor alten zeiten ge-
macht worden sind/ und noch offt gemacht werden. Womit haben die ke-
tzer in der alten kirchen die wahre lehr gemeiniglich mehr angefochten/ als mit
den waffen der falschen philosophie/ daß es auch geheissen: Philosophi sunt
haereticorum Patriarchae?
Und was hat in dem Papsthum das so gefährli-
che/ und unserem theuern Luthero verhaßte/ monstrum, der Scholastischen
Theologiae ausgebrütet/ als die vermischung der Philosophie mit der Theo-
logie?
Ja erfahren wir nicht noch allezeit an den Socinianern/ daß dersel-
ben widerspruch gegen unsere wahrheit auf Philosophischen gründen bestehet/
die zwar entweder falsch/ oder durch eine metabasin eis allo genos unrecht
angewendet sind. So ist die sache richtig/ auch der Ort Pauli so bewandt/
daß solche application sich damit sehr wohl reimet. Weßwegen ich/ wo
nicht etwa sonderbare wort und applicationes dabey stehen/ welche einiges
bedencken machen könten/ fast nicht sehe/ wie auch nur mit einen zimlichen
schein/ die erklärung widersprochen/ oder besorgt werden möchte/ wo die sa-
che anderwertlich hin verschickt werden solte/ daß ein ungleich urtheil erfolgen
könte. Es wäre dann/ daß es vor solche leut käme/ dergleichen einige auff
der Catheder zustehen zu weilen das ansehn gewinnen will/ die eine aemula-
tion
gegen andere/ die in dem predigamt leben/ bey sich hätten/ welche gern
alle gelegenheiten ergreiffen/ wo sie einem prediger/ welcher sich etwas zu-
schreiben unternimmet/ mit dem wenigsten schein ankommen können: um NB.
selbs in solcher autorität zustehen/ daß wer etwas schreiben will/ nicht unge-
fragt ihrer censur solches zu thun sich unterstehen dörffte/ oder sich so bald ihrer
censur befürchten müste. Dann wo solches gemüth ist/ so kan keiner so behut-
sam schreiben/ daß nicht ein und ander wort entfalle/ mit deren/ leider mehr-
mahl gebräuchlichen aber warhafftig gar unlöblichen/ deutungen und verkeh-
rungen derselbe solte zu diesem und jenem gemachet werden. Solte es nun
dergleichen einen mann antreffen/ der so gesinnet wäre/ so wolte ich E. Wohl E.
nicht versichern/ daß nicht etwa die obige bekäntliche warheit eine mißliebige
censur davon tragen möchte/ sonderlich wo die mir communicirte praejudi-
cia
darzu kämen/ welche wie sie Christliche und ihres Herren ehr einig lie-
bende Theologos nicht offendiren werden/ als die sich die herrschafft
über keines menschen gewissen (die auch über die Apostolische gewalt ge-
het) annehmen/ denenjenigen aber/ die auf obangedeutete art gesinnet seyn
möchten/ sehr verdrießlich fallen und verursachen werden/ daß sie nach ver-
mögen einem solchen zu schaden kein bedenckens haben möchten/ welcher ihrer
autorität zunahe zu treten scheinet. Was in dem übrigen die sache eines

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Aaa 2

ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO VI.
unleugbar/ daß aus der/ nicht zwar warhafftigen aber mißbrauchten/ Philo-
ſoph
ie vielfaͤltige objectiones gegen die Evangeliſche lehr vor alten zeiten ge-
macht worden ſind/ und noch offt gemacht werden. Womit haben die ke-
tzer in der alten kirchen die wahre lehr gemeiniglich mehr angefochten/ als mit
den waffen der falſchen philoſophie/ daß es auch geheiſſen: Philoſophi ſunt
hæreticorum Patriarchæ?
Und was hat in dem Papſthum das ſo gefaͤhrli-
che/ und unſerem theuern Luthero verhaßte/ monſtrum, der Scholaſtiſchen
Theologiæ ausgebruͤtet/ als die vermiſchung der Philoſophie mit der Theo-
logie?
Ja erfahren wir nicht noch allezeit an den Socinianern/ daß derſel-
ben widerſpruch gegen unſere wahrheit auf Philoſophiſchen gruͤnden beſtehet/
die zwar entweder falſch/ oder durch eine μετάβασιν εἰς ἄλλο γένος unrecht
angewendet ſind. So iſt die ſache richtig/ auch der Ort Pauli ſo bewandt/
daß ſolche application ſich damit ſehr wohl reimet. Weßwegen ich/ wo
nicht etwa ſonderbare wort und applicationes dabey ſtehen/ welche einiges
bedencken machen koͤnten/ faſt nicht ſehe/ wie auch nur mit einen zimlichen
ſchein/ die erklaͤrung widerſprochen/ oder beſorgt werden moͤchte/ wo die ſa-
che anderwertlich hin verſchickt werden ſolte/ daß ein ungleich urtheil erfolgen
koͤnte. Es waͤre dann/ daß es vor ſolche leut kaͤme/ dergleichen einige auff
der Catheder zuſtehen zu weilen das anſehn gewinnen will/ die eine æmula-
tion
gegen andere/ die in dem predigamt leben/ bey ſich haͤtten/ welche gern
alle gelegenheiten ergreiffen/ wo ſie einem prediger/ welcher ſich etwas zu-
ſchreiben unternimmet/ mit dem wenigſten ſchein ankommen koͤnnen: um NB.
ſelbs in ſolcher autoritaͤt zuſtehen/ daß wer etwas ſchreiben will/ nicht unge-
fragt ihrer cenſur ſolches zu thun ſich unterſtehen doͤrffte/ oder ſich ſo bald ihrer
cenſur befuͤrchten muͤſte. Dann wo ſolches gemuͤth iſt/ ſo kan keiner ſo behut-
ſam ſchreiben/ daß nicht ein und ander wort entfalle/ mit deren/ leider mehr-
mahl gebraͤuchlichen aber warhafftig gar unloͤblichen/ deutungen und verkeh-
rungen derſelbe ſolte zu dieſem und jenem gemachet werden. Solte es nun
dergleichen einen mann antreffen/ der ſo geſinnet waͤre/ ſo wolte ich E. Wohl E.
nicht verſichern/ daß nicht etwa die obige bekaͤntliche warheit eine mißliebige
cenſur davon tragen moͤchte/ ſonderlich wo die mir communicirte præjudi-
cia
darzu kaͤmen/ welche wie ſie Chriſtliche und ihres Herren ehr einig lie-
bende Theologos nicht offendiren werden/ als die ſich die herrſchafft
uͤber keines menſchen gewiſſen (die auch uͤber die Apoſtoliſche gewalt ge-
het) annehmen/ denenjenigen aber/ die auf obangedeutete art geſinnet ſeyn
moͤchten/ ſehr verdrießlich fallen und verurſachen werden/ daß ſie nach ver-
moͤgen einem ſolchen zu ſchaden kein bedenckens haben moͤchten/ welcher ihrer
autoritaͤt zunahe zu treten ſcheinet. Was in dem uͤbrigen die ſache eines

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[371/0389] ARTIC. I. DISTINCTIO III. SECTIO VI. unleugbar/ daß aus der/ nicht zwar warhafftigen aber mißbrauchten/ Philo- ſophie vielfaͤltige objectiones gegen die Evangeliſche lehr vor alten zeiten ge- macht worden ſind/ und noch offt gemacht werden. Womit haben die ke- tzer in der alten kirchen die wahre lehr gemeiniglich mehr angefochten/ als mit den waffen der falſchen philoſophie/ daß es auch geheiſſen: Philoſophi ſunt hæreticorum Patriarchæ? Und was hat in dem Papſthum das ſo gefaͤhrli- che/ und unſerem theuern Luthero verhaßte/ monſtrum, der Scholaſtiſchen Theologiæ ausgebruͤtet/ als die vermiſchung der Philoſophie mit der Theo- logie? Ja erfahren wir nicht noch allezeit an den Socinianern/ daß derſel- ben widerſpruch gegen unſere wahrheit auf Philoſophiſchen gruͤnden beſtehet/ die zwar entweder falſch/ oder durch eine μετάβασιν εἰς ἄλλο γένος unrecht angewendet ſind. So iſt die ſache richtig/ auch der Ort Pauli ſo bewandt/ daß ſolche application ſich damit ſehr wohl reimet. Weßwegen ich/ wo nicht etwa ſonderbare wort und applicationes dabey ſtehen/ welche einiges bedencken machen koͤnten/ faſt nicht ſehe/ wie auch nur mit einen zimlichen ſchein/ die erklaͤrung widerſprochen/ oder beſorgt werden moͤchte/ wo die ſa- che anderwertlich hin verſchickt werden ſolte/ daß ein ungleich urtheil erfolgen koͤnte. Es waͤre dann/ daß es vor ſolche leut kaͤme/ dergleichen einige auff der Catheder zuſtehen zu weilen das anſehn gewinnen will/ die eine æmula- tion gegen andere/ die in dem predigamt leben/ bey ſich haͤtten/ welche gern alle gelegenheiten ergreiffen/ wo ſie einem prediger/ welcher ſich etwas zu- ſchreiben unternimmet/ mit dem wenigſten ſchein ankommen koͤnnen: um NB. ſelbs in ſolcher autoritaͤt zuſtehen/ daß wer etwas ſchreiben will/ nicht unge- fragt ihrer cenſur ſolches zu thun ſich unterſtehen doͤrffte/ oder ſich ſo bald ihrer cenſur befuͤrchten muͤſte. Dann wo ſolches gemuͤth iſt/ ſo kan keiner ſo behut- ſam ſchreiben/ daß nicht ein und ander wort entfalle/ mit deren/ leider mehr- mahl gebraͤuchlichen aber warhafftig gar unloͤblichen/ deutungen und verkeh- rungen derſelbe ſolte zu dieſem und jenem gemachet werden. Solte es nun dergleichen einen mann antreffen/ der ſo geſinnet waͤre/ ſo wolte ich E. Wohl E. nicht verſichern/ daß nicht etwa die obige bekaͤntliche warheit eine mißliebige cenſur davon tragen moͤchte/ ſonderlich wo die mir communicirte præjudi- cia darzu kaͤmen/ welche wie ſie Chriſtliche und ihres Herren ehr einig lie- bende Theologos nicht offendiren werden/ als die ſich die herrſchafft uͤber keines menſchen gewiſſen (die auch uͤber die Apoſtoliſche gewalt ge- het) annehmen/ denenjenigen aber/ die auf obangedeutete art geſinnet ſeyn moͤchten/ ſehr verdrießlich fallen und verurſachen werden/ daß ſie nach ver- moͤgen einem ſolchen zu ſchaden kein bedenckens haben moͤchten/ welcher ihrer autoritaͤt zunahe zu treten ſcheinet. Was in dem uͤbrigen die ſache eines re- Aaa 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/389>, abgerufen am 22.11.2024.