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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XXVIII.
hätte abgeben wollen/ solches nicht zum besten abgegangen wäre. Daher bezeu-
ge noch mahl/ daß ich von keinem solchen auff die stunde weiß. Antoinette Bouri-
gnon
habe oben bereits gedacht. Was die wiedergeburt anlangt/ ob jemand
den grund der wiedergeburth gewaltiger erkläret/ als der selige Arndt verstanden/
ist mir nicht nur nicht wissend/ sondern wird mir etwas schwer zu begreiffen/ in dem
ich solchen theuren mann vor ein solches werckzeug GOttes gehalten/ welcher die
noth wendige stück göttlichen raths von unserer seligkeit/ dahin die wiedergeburth
auch gehöret/ zur gnüge und also verstanden/ daß er auch andere davon unterrich-
ten können: Es werde dann geredet von etwa einigem klahrern liecht in gewissen
umstännen/ so nicht eben zu der sache selbst gehörig. Wo aber gleich wol fleißig zu
untersuchen wäre/ ob das jenige klährere/ so vor gegeben würde/ auch warhafftig
mit dem ohnsehlbahren wort GOttes übereinkomme/ und also wahres liecht sey/ o-
der uns von demselben allein abführen wolte. Er kommet nachmahl auff Babel:
Aber bekenne/ daß mir durchaus kein satisfaction geschiehet; Dann die frage
ist nicht/ ob auff einigerley weise das wort Babel auff unsere kirche mögte appli-
ciret
werden/ sondern ob es die Babel seye/ welche in der Schrifft von dem heili-
gen Geist unter solchem nahmen genennet wird. Dann ich sehe/ wo erstlich der
nahme Babel unserer kirche gegeben wird/ so entstehen nachmahl die weitere fol-
gen/ daß aus solchem Babel auszugehen/ und was dergleichen mehr ist. Daher
läst sichs in einer solchen dergleichen grosses nach sich zihenden materie nicht mit
einem argument ausmachen/ so aus der blossen etymologia genommen/ als wel-
che auch sonsten vor gar schwach gehalten werden/ und zuhalten sind. Jerusalem
war zu den zeiten Jeremiä in gar verwirreten stande/ und die kirche so schlimm/ als
sie jetzo seyn mag/ es wird auch derselben ihr schwehres gericht angetrohet. Aber
sie heisset darum nicht Babel. Also nach dem der heilige Geist Apoc. 17. mit so
austrücklichen determinationen das Babel bezeichnet/ so sehe ich nicht/ wie wir
erlaubnüß haben/ solches weiter zu extendiren/ zu den jenigen/ welche offentlich
der jenige regierung entgegen stehen/ die der heilige Geist mit selbigem nahmen be-
zeichnet. Jst auch eine sache/ daran etwa mehr gelegen/ als man meinen solte/
und würde ich dem jenigen hertzlich dancken/ der mir hierinnen satisfaction aus
der heiligen Schrifft/ und nicht andern menschlichen vermuthungen/ thäte. Wie
ich hingegen sorge trage/ daß dieselbe consusion/ wo wir/ was die Schrifft von
einander distingviret/ unter einander mengen/ viele ungleiche dinge und folgen
nach sich ziehen kan/ dero wir uns schuldig machen/ wo wir unbedachtsam über das
jenige schreiten/ worinne der heilige Geist uns schrancken gesetzet hat. Es hat
das volck GOttes nicht nur Babel zu feinden gehabt/ sondern noch andere meh-
rere/ die Syrer/ Assyrer/ Philister und dergleichen. Es haben aber nicht alle den
nahmen Babel gehabt. Also daß auch die feinde der kirchen/ die ausser derselben

sind/

ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XXVIII.
haͤtte abgeben wollen/ ſolches nicht zum beſten abgegangen waͤre. Daher bezeu-
ge noch mahl/ daß ich von keinem ſolchen auff die ſtunde weiß. Antoinette Bouri-
gnon
habe oben bereits gedacht. Was die wiedergeburt anlangt/ ob jemand
den grund der wiedergeburth gewaltiger erklaͤret/ als der ſelige Arndt verſtanden/
iſt mir nicht nur nicht wiſſend/ ſondern wird mir etwas ſchwer zu begreiffen/ in dem
ich ſolchen theuren mann vor ein ſolches werckzeug GOttes gehalten/ welcher die
noth wendige ſtuͤck goͤttlichen raths von unſerer ſeligkeit/ dahin die wiedergeburth
auch gehoͤret/ zur gnuͤge und alſo verſtanden/ daß er auch andere davon unterrich-
ten koͤnnen: Es werde dann geredet von etwa einigem klahrern liecht in gewiſſen
umſtaͤnnen/ ſo nicht eben zu der ſache ſelbſt gehoͤrig. Wo aber gleich wol fleißig zu
unterſuchen waͤre/ ob das jenige klaͤhrere/ ſo vor gegeben wuͤrde/ auch warhafftig
mit dem ohnſehlbahren wort GOttes uͤbereinkomme/ und alſo wahres liecht ſey/ o-
der uns von demſelben allein abfuͤhren wolte. Er kommet nachmahl auff Babel:
Aber bekenne/ daß mir durchaus kein ſatisfaction geſchiehet; Dann die frage
iſt nicht/ ob auff einigerley weiſe das wort Babel auff unſere kirche moͤgte appli-
ciret
werden/ ſondern ob es die Babel ſeye/ welche in der Schrifft von dem heili-
gen Geiſt unter ſolchem nahmen genennet wird. Dann ich ſehe/ wo erſtlich der
nahme Babel unſerer kirche gegeben wird/ ſo entſtehen nachmahl die weitere fol-
gen/ daß aus ſolchem Babel auszugehen/ und was dergleichen mehr iſt. Daher
laͤſt ſichs in einer ſolchen dergleichen groſſes nach ſich zihenden materie nicht mit
einem argument ausmachen/ ſo aus der bloſſen etymologia genommen/ als wel-
che auch ſonſten vor gar ſchwach gehalten werden/ und zuhalten ſind. Jeruſalem
war zu den zeiten Jeremiaͤ in gar verwirreten ſtande/ und die kirche ſo ſchlim̃/ als
ſie jetzo ſeyn mag/ es wird auch derſelben ihr ſchwehres gericht angetrohet. Aber
ſie heiſſet darum nicht Babel. Alſo nach dem der heilige Geiſt Apoc. 17. mit ſo
austruͤcklichen determinationen das Babel bezeichnet/ ſo ſehe ich nicht/ wie wir
erlaubnuͤß haben/ ſolches weiter zu extendiren/ zu den jenigen/ welche offentlich
der jenige regierung entgegen ſtehen/ die der heilige Geiſt mit ſelbigem nahmen be-
zeichnet. Jſt auch eine ſache/ daran etwa mehr gelegen/ als man meinen ſolte/
und wuͤrde ich dem jenigen hertzlich dancken/ der mir hierinnen ſatisfaction aus
der heiligen Schrifft/ und nicht andern menſchlichen vermuthungen/ thaͤte. Wie
ich hingegen ſorge trage/ daß dieſelbe conſuſion/ wo wir/ was die Schrifft von
einander diſtingviret/ unter einander mengen/ viele ungleiche dinge und folgen
nach ſich ziehen kan/ dero wir uns ſchuldig machen/ wo wir unbedachtſam uͤber das
jenige ſchreiten/ worinne der heilige Geiſt uns ſchrancken geſetzet hat. Es hat
das volck GOttes nicht nur Babel zu feinden gehabt/ ſondern noch andere meh-
rere/ die Syrer/ Aſſyrer/ Philiſter und dergleichen. Es haben aber nicht alle den
nahmen Babel gehabt. Alſo daß auch die feinde der kirchen/ die auſſer derſelben

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[237[239]/0257] ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XXVIII. haͤtte abgeben wollen/ ſolches nicht zum beſten abgegangen waͤre. Daher bezeu- ge noch mahl/ daß ich von keinem ſolchen auff die ſtunde weiß. Antoinette Bouri- gnon habe oben bereits gedacht. Was die wiedergeburt anlangt/ ob jemand den grund der wiedergeburth gewaltiger erklaͤret/ als der ſelige Arndt verſtanden/ iſt mir nicht nur nicht wiſſend/ ſondern wird mir etwas ſchwer zu begreiffen/ in dem ich ſolchen theuren mann vor ein ſolches werckzeug GOttes gehalten/ welcher die noth wendige ſtuͤck goͤttlichen raths von unſerer ſeligkeit/ dahin die wiedergeburth auch gehoͤret/ zur gnuͤge und alſo verſtanden/ daß er auch andere davon unterrich- ten koͤnnen: Es werde dann geredet von etwa einigem klahrern liecht in gewiſſen umſtaͤnnen/ ſo nicht eben zu der ſache ſelbſt gehoͤrig. Wo aber gleich wol fleißig zu unterſuchen waͤre/ ob das jenige klaͤhrere/ ſo vor gegeben wuͤrde/ auch warhafftig mit dem ohnſehlbahren wort GOttes uͤbereinkomme/ und alſo wahres liecht ſey/ o- der uns von demſelben allein abfuͤhren wolte. Er kommet nachmahl auff Babel: Aber bekenne/ daß mir durchaus kein ſatisfaction geſchiehet; Dann die frage iſt nicht/ ob auff einigerley weiſe das wort Babel auff unſere kirche moͤgte appli- ciret werden/ ſondern ob es die Babel ſeye/ welche in der Schrifft von dem heili- gen Geiſt unter ſolchem nahmen genennet wird. Dann ich ſehe/ wo erſtlich der nahme Babel unſerer kirche gegeben wird/ ſo entſtehen nachmahl die weitere fol- gen/ daß aus ſolchem Babel auszugehen/ und was dergleichen mehr iſt. Daher laͤſt ſichs in einer ſolchen dergleichen groſſes nach ſich zihenden materie nicht mit einem argument ausmachen/ ſo aus der bloſſen etymologia genommen/ als wel- che auch ſonſten vor gar ſchwach gehalten werden/ und zuhalten ſind. Jeruſalem war zu den zeiten Jeremiaͤ in gar verwirreten ſtande/ und die kirche ſo ſchlim̃/ als ſie jetzo ſeyn mag/ es wird auch derſelben ihr ſchwehres gericht angetrohet. Aber ſie heiſſet darum nicht Babel. Alſo nach dem der heilige Geiſt Apoc. 17. mit ſo austruͤcklichen determinationen das Babel bezeichnet/ ſo ſehe ich nicht/ wie wir erlaubnuͤß haben/ ſolches weiter zu extendiren/ zu den jenigen/ welche offentlich der jenige regierung entgegen ſtehen/ die der heilige Geiſt mit ſelbigem nahmen be- zeichnet. Jſt auch eine ſache/ daran etwa mehr gelegen/ als man meinen ſolte/ und wuͤrde ich dem jenigen hertzlich dancken/ der mir hierinnen ſatisfaction aus der heiligen Schrifft/ und nicht andern menſchlichen vermuthungen/ thaͤte. Wie ich hingegen ſorge trage/ daß dieſelbe conſuſion/ wo wir/ was die Schrifft von einander diſtingviret/ unter einander mengen/ viele ungleiche dinge und folgen nach ſich ziehen kan/ dero wir uns ſchuldig machen/ wo wir unbedachtſam uͤber das jenige ſchreiten/ worinne der heilige Geiſt uns ſchrancken geſetzet hat. Es hat das volck GOttes nicht nur Babel zu feinden gehabt/ ſondern noch andere meh- rere/ die Syrer/ Aſſyrer/ Philiſter und dergleichen. Es haben aber nicht alle den nahmen Babel gehabt. Alſo daß auch die feinde der kirchen/ die auſſer derſelben ſind/

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 237[239]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/257>, abgerufen am 25.11.2024.