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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
die sen umständen die sache zu thun/ oder zu lassen besser/ folglich GOttes wil-
le/ der stets auff das beste gehet/ auff diese oder jene seite zuerkennen seye: wie
es dann die allgemeine regel bleibet Eph. 5/ 15. 17. So sehet nun zu/ wie
ihr fürsichtiglich
(accurat nach der regel) wandelt/ nicht als die unwei-
sen/ sondern als die weisen. Darum werdet nicht unverständig/
sondern verständig/ was da seye des HErren wille.
Also bedarffs nicht
nur etwa bloß auff sein hertz/ und den darinne fühlenden trieb/ acht zu geben/
um gleich demselben/ als von dem H. Geist herkommende/ zu folgen; sondern
man muß den trieb accurat nach den vorgeschriebenen regeln examiniren und
prüfen/ ob es der wille GOttes seye/ bey diesen und jenen umständen etwas
zu thun: und zu solcher prüfung gehöret die weißheit/ dero man nicht bedörff-
te/ wo jeder trieb zu dem guten/ ohne absicht auff die umstände/ bereits gewiß
für göttlich zu halten wäre. Daher ist solcher trieb auch anderer gläubiger
Christen prüfung/ und in gewisser maaß urtheil unterworffen/ und hat sich
keiner diesem bloß zu entziehen/ und seinem sinne schlecht dahin zu folgen.
Vielmehr machte es den trieb sehr verdächtig/ wo uns einkäme/ wir müßten
demselben blindlings gehorsamen/ auch anderer mitbrüder gutachten/ darüber
nicht achten/ daß nemlich alsdann derselbe/ wo nicht bloß von dem fleisch
komme/ auffs wenigste sich vieles des fleischlichen eigenwillens mit eingemi-
schet habe. Dahin etlicher massen die worte Lutheri gehören über 1. Cor. 14/
32. Die Geister der Propheten/ sind den Propheten unterthan;
die al-
so lauten: Etliche meinen/ wenn sie den verstand und des Geistes ga-
ben haben/ sollen sie niemand weichen noch schweigen/ daraus dann
Secten und zwiespalt folget. Aber S. Paulus spricht hie/ sie sollen
und mögen wol weichen/ sintemal die gaben des Geistes in ihrer macht
stehen/ ihr nicht zu brauchen wider die einigkeit/ daß sie nicht sagen
dörffen/ der Geist treibe und zwinge.
Was nun unser theure Lehrer
spricht von dem gebrauch der auch ausserordentlichen göttlichen gaben/ daß
man denselben wider die einigkeit und mit dero verletzung/ unter dem vor-
wand des triebs des Geistes/ nicht bewerckstelligen solle/ das gilt auch dahin/
daß/ wodurch ärgernüß und zerrüttung gestifftet werden würde/ nicht für ei-
nen trieb des Geistes gehalten werden müsse.

Wie nun dieses in Thesi die art des göttlichen triebs vorstellet/ so die-
net nun die application in hypothesi zu machen/ folgendes: (1) daß man gerne
zugebe/ daß der trieb zu übungen der andacht/ in betrachtung des göttlichen
worts und gebets/ an sich selbs gut/ und eine wirckung des Geistes seye/ auch
allezeit/ als lang nicht unordnung in den umständen mit einlauffet/ und die

gute

Das dritte Capitel.
die ſen umſtaͤnden die ſache zu thun/ oder zu laſſen beſſer/ folglich GOttes wil-
le/ der ſtets auff das beſte gehet/ auff dieſe oder jene ſeite zuerkennen ſeye: wie
es dann die allgemeine regel bleibet Eph. 5/ 15. 17. So ſehet nun zu/ wie
ihr fuͤrſichtiglich
(accurat nach der regel) wandelt/ nicht als die unwei-
ſen/ ſondern als die weiſen. Darum werdet nicht unverſtaͤndig/
ſondern verſtaͤndig/ was da ſeye des HErren wille.
Alſo bedarffs nicht
nur etwa bloß auff ſein hertz/ und den darinne fuͤhlenden trieb/ acht zu geben/
um gleich demſelben/ als von dem H. Geiſt herkommende/ zu folgen; ſondern
man muß den trieb accurat nach den vorgeſchriebenen regeln examiniren und
pruͤfen/ ob es der wille GOttes ſeye/ bey dieſen und jenen umſtaͤnden etwas
zu thun: und zu ſolcher pruͤfung gehoͤret die weißheit/ dero man nicht bedoͤrff-
te/ wo jeder trieb zu dem guten/ ohne abſicht auff die umſtaͤnde/ bereits gewiß
fuͤr goͤttlich zu halten waͤre. Daher iſt ſolcher trieb auch anderer glaͤubiger
Chriſten pruͤfung/ und in gewiſſer maaß urtheil unterworffen/ und hat ſich
keiner dieſem bloß zu entziehen/ und ſeinem ſinne ſchlecht dahin zu folgen.
Vielmehr machte es den trieb ſehr verdaͤchtig/ wo uns einkaͤme/ wir muͤßten
demſelben blindlings gehorſamen/ auch andeꝛer mitbꝛuͤder gutachten/ daꝛuͤber
nicht achten/ daß nemlich alsdann derſelbe/ wo nicht bloß von dem fleiſch
komme/ auffs wenigſte ſich vieles des fleiſchlichen eigenwillens mit eingemi-
ſchet habe. Dahin etlicher maſſen die worte Lutheri gehoͤren uͤber 1. Cor. 14/
32. Die Geiſter der Propheten/ ſind den Propheten unterthan;
die al-
ſo lauten: Etliche meinen/ wenn ſie den verſtand und des Geiſtes ga-
ben haben/ ſollen ſie niemand weichen noch ſchweigen/ daraus dann
Secten und zwieſpalt folget. Aber S. Paulus ſpricht hie/ ſie ſollen
und moͤgen wol weichen/ ſintemal die gaben des Geiſtes in ihrer macht
ſtehen/ ihr nicht zu brauchen wider die einigkeit/ daß ſie nicht ſagen
doͤrffen/ der Geiſt treibe und zwinge.
Was nun unſer theure Lehrer
ſpricht von dem gebrauch der auch auſſerordentlichen goͤttlichen gaben/ daß
man denſelben wider die einigkeit und mit dero verletzung/ unter dem vor-
wand des triebs des Geiſtes/ nicht bewerckſtelligen ſolle/ das gilt auch dahin/
daß/ wodurch aͤrgernuͤß und zerruͤttung geſtifftet werden wuͤrde/ nicht fuͤr ei-
nen trieb des Geiſtes gehalten werden muͤſſe.

Wie nun dieſes in Theſi die art des goͤttlichen triebs vorſtellet/ ſo die-
net nun die application in hypotheſi zu machen/ folgendes: (1) daß man gerne
zugebe/ daß der trieb zu uͤbungen der andacht/ in betrachtung des goͤttlichen
worts und gebets/ an ſich ſelbs gut/ und eine wirckung des Geiſtes ſeye/ auch
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[90/0098] Das dritte Capitel. die ſen umſtaͤnden die ſache zu thun/ oder zu laſſen beſſer/ folglich GOttes wil- le/ der ſtets auff das beſte gehet/ auff dieſe oder jene ſeite zuerkennen ſeye: wie es dann die allgemeine regel bleibet Eph. 5/ 15. 17. So ſehet nun zu/ wie ihr fuͤrſichtiglich (accurat nach der regel) wandelt/ nicht als die unwei- ſen/ ſondern als die weiſen. Darum werdet nicht unverſtaͤndig/ ſondern verſtaͤndig/ was da ſeye des HErren wille. Alſo bedarffs nicht nur etwa bloß auff ſein hertz/ und den darinne fuͤhlenden trieb/ acht zu geben/ um gleich demſelben/ als von dem H. Geiſt herkommende/ zu folgen; ſondern man muß den trieb accurat nach den vorgeſchriebenen regeln examiniren und pruͤfen/ ob es der wille GOttes ſeye/ bey dieſen und jenen umſtaͤnden etwas zu thun: und zu ſolcher pruͤfung gehoͤret die weißheit/ dero man nicht bedoͤrff- te/ wo jeder trieb zu dem guten/ ohne abſicht auff die umſtaͤnde/ bereits gewiß fuͤr goͤttlich zu halten waͤre. Daher iſt ſolcher trieb auch anderer glaͤubiger Chriſten pruͤfung/ und in gewiſſer maaß urtheil unterworffen/ und hat ſich keiner dieſem bloß zu entziehen/ und ſeinem ſinne ſchlecht dahin zu folgen. Vielmehr machte es den trieb ſehr verdaͤchtig/ wo uns einkaͤme/ wir muͤßten demſelben blindlings gehorſamen/ auch andeꝛer mitbꝛuͤder gutachten/ daꝛuͤber nicht achten/ daß nemlich alsdann derſelbe/ wo nicht bloß von dem fleiſch komme/ auffs wenigſte ſich vieles des fleiſchlichen eigenwillens mit eingemi- ſchet habe. Dahin etlicher maſſen die worte Lutheri gehoͤren uͤber 1. Cor. 14/ 32. Die Geiſter der Propheten/ ſind den Propheten unterthan; die al- ſo lauten: Etliche meinen/ wenn ſie den verſtand und des Geiſtes ga- ben haben/ ſollen ſie niemand weichen noch ſchweigen/ daraus dann Secten und zwieſpalt folget. Aber S. Paulus ſpricht hie/ ſie ſollen und moͤgen wol weichen/ ſintemal die gaben des Geiſtes in ihrer macht ſtehen/ ihr nicht zu brauchen wider die einigkeit/ daß ſie nicht ſagen doͤrffen/ der Geiſt treibe und zwinge. Was nun unſer theure Lehrer ſpricht von dem gebrauch der auch auſſerordentlichen goͤttlichen gaben/ daß man denſelben wider die einigkeit und mit dero verletzung/ unter dem vor- wand des triebs des Geiſtes/ nicht bewerckſtelligen ſolle/ das gilt auch dahin/ daß/ wodurch aͤrgernuͤß und zerruͤttung geſtifftet werden wuͤrde/ nicht fuͤr ei- nen trieb des Geiſtes gehalten werden muͤſſe. Wie nun dieſes in Theſi die art des goͤttlichen triebs vorſtellet/ ſo die- net nun die application in hypotheſi zu machen/ folgendes: (1) daß man gerne zugebe/ daß der trieb zu uͤbungen der andacht/ in betrachtung des goͤttlichen worts und gebets/ an ſich ſelbs gut/ und eine wirckung des Geiſtes ſeye/ auch allezeit/ als lang nicht unordnung in den umſtaͤnden mit einlauffet/ und die gute

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/98>, abgerufen am 22.11.2024.