Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.Das dritte Capitel. I. Was nun den einen vorwand anlanget/ daß man insgemein verbun- (1) Jsts allerdings gewiß/ daß der H. Geist/ wie er seine wohn-statt in dieje-
Das dritte Capitel. I. Was nun den einen vorwand anlanget/ daß man insgemein verbun- (1) Jſts allerdings gewiß/ daß der H. Geiſt/ wie er ſeine wohn-ſtatt in dieje-
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Das dritte Capitel.
I. Was nun den einen vorwand anlanget/ daß man insgemein verbun-
den ſeye/ nach den worten Pauli Rom. 8/ 14. dem trieb des H. Geiſtes alle-
zeit zu folgen/ und ſich daran nichts hindern zu laſſen/ auch ſich abſonderlich/
ob ſolcher trieb wahrhafftig von GOtt ſeye/ wohl gepruͤfet/ aber die kraͤfftige
bewegung des Geiſtes zu dem guten vorhaben ſo viel maͤchtiger bey ſich ver-
ſpuͤret habe: ſo iſt von ſolchem trieb des Heil. Geiſtes unterſchiedliches zu
mercken.
(1) Jſts allerdings gewiß/ daß der H. Geiſt/ wie er ſeine wohn-ſtatt in
den hertzen der glaubigen hat/ alſo auch dieſelbe ihrer pflichten erinnere/ und
ſie zu derſelben leiſtung antreibe: daß demnach/ wer dieſes leugnen wolte/ ſo
wol der H. Schrifft widerſprechen muͤßte/ als ſich eben damit verrathen wuͤr-
de/ daß er noch nichts in den wegen GOttes erfahren haͤtte. Aber (2) muͤſ-
ſen wir auch die art ſolches triebs recht erkennen lernen/ der nicht anders er-
kant werden kan/ als daß man den geſamten zuſtand/ wie es mit uns eine be-
wandnuͤß habe/ ſo lang wir noch in dem fleiſch leben/ recht einſihet. Der ver-
haͤlt ſich aber alſo/ daß neben unſrer aus der wiedergeburth habenden neuen
natur/ auch die alte bey uns uͤbrig iſt; ſo dann die natur allezeit in die wercke
der gnaden ſich einflicht/ und dieſelbe hindert. Daher wie alle unſere wahre
goͤttliche erkaͤntnuͤß wahrhafftig eine erleuchtung des H. Geiſtes iſt/ ſo hin-
dert dennoch unſere natuͤrliche finſternuͤß nicht allein/ daß wir nicht ſo voͤllig
erleuchtet werden/ ſondern verurſachet gar/ daß einige irrthum zuweilen ſich
mit einmiſchen/ und zum exempel/ ein kind GOttes in dieſem und jenem arti-
cul/ was das haupt-werck anlanget/ die goͤttliche wahrheit (welches nicht
anders/ als aus der erleuchtung des Heil. Geiſtes herkommen kan) erkennet/
und doch in eben demſelben/ was neben-umſtaͤnde betrifft/ unterſchiedliches
nicht allein nicht weiß/ ſondern gar ſich unrechte concepten davon machet.
Da gleichwol daraus geſchihet/ daß daſſelbe/ wie es ſich gewiß verſichern
kan/ daß es die wahrheit in goͤttlichem liecht erkenne/ darneben auch dasjeni-
ge in goͤttlichem liecht zu erkennen meinet/ worinnen ſich die natur mit ihrem
irrliecht eingemiſchet hat. Damit hoͤret jenes zwahr nicht auff/ ein goͤttliches
liecht zu ſeyn/ darum weil ſich etwas ungleiches darunter gemiſchet/ aber dar-
innen irret der menſch/ wann er deßwegen ſich auch dieſes fuͤr wahrheit ein-
bildet/ davon er aber endlich durch beſſern unterricht anders uͤberzeuget wer-
den kan. Wie ſichs dann mit dem verſtand verhaͤlt/ ſo verhaͤlt ſichs auch mit
dem willen. Da hat der H. Geiſt nicht allein in der wiedergeburch den wil-
len zu heiligen angefangen/ und in demſelben die krafft und trieb des guten
erſtmal gewuͤrcket/ ſondern er iſt auch derjenige/ der immer/ zuweilen mit/
zuweilen ohne euſſerliche gelegenheit/ zu dem guten auffs neue die kinder
GOttes antreibet. Wie aber die natur darneben auch vorhanden/ ſo iſt ſie
dieje-
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