Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

Bild:
<< vorherige Seite
Das vierdte Capitel.
2. Ob die straffe/ welche in besagten orten den ehebrechern ge-
setzt/ allein den fall betreffe/ da das laster mit einer verhey-
ratheten weibs-person verübet wird/ oder auch mit einer
ledigen/ von einem verheyratheten?

HJe ist wiederum die frage nicht/ ob die fleischliche unehliche vermi-
schung/ eines verheyratheten mit einer ledigen weibs-person/ wahr-
hafftig ein ehebruch zu nennen und zu halten seye. Welches wir gern
mit gesamten unsern Theologis bejahen/ und also den ehemann seinem
weib aus 1. Cor. 7. so wol zu haltung schuldiger treue/ als sie ihme/
verpflichtet/ daher die verletzung derselben vor einen eigenlichen und
schwehren ehebruch erkennen. Aber die frage ist/ ob solcher ehebruch mit
einer ledigen person in dem Mosaischen gesetz auch mit dem todt gestrafft
worden seye. Darauf halte mit nein zu antworten. Denn 1. die worte
3. Mos. 20/ 10. 5. Mos. 22/ 22. stehen klahr. Und 2. in der repetition
werden sie nichts geändert. 3. 2. Mos. 22/ 16. 5. Mos. 22/ 28. wird
die todes-straff nicht auffgesetzt demjenigen/ der eine jungfrau deschlaffen/
ohne restriction, ob er seiner seits verehelicht oder ledig gewesen. (Man
sehe auch 3. Mos. 19/ 20.) 4. Läßt sich nicht bloß a paritate argumen-
ti
ren/ weil viele ursachen sind/ warum dem weisesten gesetz-geber beliebt
hat/ den ehebruch mit einer verehlichten härter als einen andern zu straf-
fen. Wie wir sehen/ daß GOTT in dem Alten Testament wol zugese-
hen/ daß ein mann mehrere weiber hätte/ niemal aber/ daß einem weib
mehrere männer zugelassen worden wären/ ob wol sein gesetz von beyden
seiten/ daß ein weib so wol ihren eigenen mann/ als ein mann sein eigen
weib habe/ erfordert.

Vorausgesetzt dessen sehe ich nicht/ wie des ehebruchs wegen noth-
wendig um des Mosaischen gesetzes willen diesem reo die lebens-straff
angethan werden müste/ sondern lasse es gern dabey bewenden/ was aus
den weltlichen gesetzen/ welche das Evangelium mit der gantzen policey
nicht auffhebet/ die Herren Juristen werden decerniren/ oder bereits de-
cerni
rt haben. 1. Weil auch nicht lege Mosaica diesem casui die lebens-
straff auffgesetzt gewest. 2. Wo schon solches wäre/ es uns nicht bloß
dahin obligirte. 3. So kommt dazu die versöhnlichkeit und fürbitte sei-

nes
Das vierdte Capitel.
2. Ob die ſtraffe/ welche in beſagten orten den ehebrechern ge-
ſetzt/ allein den fall betreffe/ da das laſter mit einer verhey-
ratheten weibs-perſon veruͤbet wird/ oder auch mit einer
ledigen/ von einem verheyratheten?

HJe iſt wiederum die frage nicht/ ob die fleiſchliche unehliche vermi-
ſchung/ eines verheyratheten mit einer ledigen weibs-perſon/ wahr-
hafftig ein ehebruch zu nennen und zu halten ſeye. Welches wir gern
mit geſamten unſern Theologis bejahen/ und alſo den ehemann ſeinem
weib aus 1. Cor. 7. ſo wol zu haltung ſchuldiger treue/ als ſie ihme/
verpflichtet/ daher die verletzung derſelben vor einen eigenlichen und
ſchwehren ehebruch erkennen. Aber die frage iſt/ ob ſolcher ehebruch mit
einer ledigen perſon in dem Moſaiſchen geſetz auch mit dem todt geſtrafft
worden ſeye. Darauf halte mit nein zu antworten. Denn 1. die worte
3. Moſ. 20/ 10. 5. Moſ. 22/ 22. ſtehen klahr. Und 2. in der repetition
werden ſie nichts geaͤndert. 3. 2. Moſ. 22/ 16. 5. Moſ. 22/ 28. wird
die todes-ſtraff nicht auffgeſetzt demjenigen/ der eine jungfrau deſchlaffen/
ohne reſtriction, ob er ſeiner ſeits verehelicht oder ledig geweſen. (Man
ſehe auch 3. Moſ. 19/ 20.) 4. Laͤßt ſich nicht bloß à paritate argumen-
ti
ren/ weil viele urſachen ſind/ warum dem weiſeſten geſetz-geber beliebt
hat/ den ehebruch mit einer verehlichten haͤrter als einen andern zu ſtraf-
fen. Wie wir ſehen/ daß GOTT in dem Alten Teſtament wol zugeſe-
hen/ daß ein mann mehrere weiber haͤtte/ niemal aber/ daß einem weib
mehrere maͤnner zugelaſſen worden waͤren/ ob wol ſein geſetz von beyden
ſeiten/ daß ein weib ſo wol ihren eigenen mann/ als ein mann ſein eigen
weib habe/ erfordert.

Vorausgeſetzt deſſen ſehe ich nicht/ wie des ehebruchs wegen noth-
wendig um des Moſaiſchen geſetzes willen dieſem reo die lebens-ſtraff
angethan werden muͤſte/ ſondern laſſe es gern dabey bewenden/ was aus
den weltlichen geſetzen/ welche das Evangelium mit der gantzen policey
nicht auffhebet/ die Herren Juriſten werden decerniren/ oder bereits de-
cerni
rt haben. 1. Weil auch nicht lege Moſaica dieſem caſui die lebens-
ſtraff auffgeſetzt geweſt. 2. Wo ſchon ſolches waͤre/ es uns nicht bloß
dahin obligirte. 3. So kommt dazu die verſoͤhnlichkeit und fuͤrbitte ſei-

nes
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0638" n="630"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das vierdte Capitel.</hi> </fw><lb/>
          <list>
            <item> <hi rendition="#fr">2. Ob die &#x017F;traffe/ welche in be&#x017F;agten orten den ehebrechern ge-<lb/>
&#x017F;etzt/ allein den fall betreffe/ da das la&#x017F;ter mit einer verhey-<lb/>
ratheten weibs-per&#x017F;on veru&#x0364;bet wird/ oder auch mit einer<lb/>
ledigen/ von einem verheyratheten?</hi> </item>
          </list><lb/>
          <p><hi rendition="#in">H</hi>Je i&#x017F;t wiederum die frage nicht/ ob die flei&#x017F;chliche unehliche vermi-<lb/>
&#x017F;chung/ eines verheyratheten mit einer ledigen weibs-per&#x017F;on/ wahr-<lb/>
hafftig ein ehebruch zu nennen und zu halten &#x017F;eye. Welches wir gern<lb/>
mit ge&#x017F;amten un&#x017F;ern <hi rendition="#aq">Theologis</hi> bejahen/ und al&#x017F;o den ehemann &#x017F;einem<lb/>
weib aus <hi rendition="#fr">1. Cor. 7.</hi> &#x017F;o wol zu haltung &#x017F;chuldiger treue/ als &#x017F;ie ihme/<lb/>
verpflichtet/ daher die verletzung der&#x017F;elben vor einen eigenlichen und<lb/>
&#x017F;chwehren ehebruch erkennen. Aber die frage i&#x017F;t/ ob &#x017F;olcher ehebruch mit<lb/>
einer ledigen per&#x017F;on in dem Mo&#x017F;ai&#x017F;chen ge&#x017F;etz auch mit dem todt ge&#x017F;trafft<lb/>
worden &#x017F;eye. Darauf halte mit nein zu antworten. Denn 1. die worte<lb/><hi rendition="#fr">3. Mo&#x017F;. 20/ 10. 5. Mo&#x017F;. 22/ 22.</hi> &#x017F;tehen klahr. Und 2. in der <hi rendition="#aq">repetition</hi><lb/>
werden &#x017F;ie nichts gea&#x0364;ndert. <hi rendition="#fr">3. 2. Mo&#x017F;. 22/ 16. 5. Mo&#x017F;. 22/ 28.</hi> wird<lb/>
die todes-&#x017F;traff nicht auffge&#x017F;etzt demjenigen/ der eine jungfrau de&#x017F;chlaffen/<lb/>
ohne <hi rendition="#aq">re&#x017F;triction,</hi> ob er &#x017F;einer &#x017F;eits verehelicht oder ledig gewe&#x017F;en. (Man<lb/>
&#x017F;ehe auch <hi rendition="#fr">3. Mo&#x017F;. 19/ 20.</hi>) 4. La&#x0364;ßt &#x017F;ich nicht bloß <hi rendition="#aq">à paritate argumen-<lb/>
ti</hi>ren/ weil viele ur&#x017F;achen &#x017F;ind/ warum dem wei&#x017F;e&#x017F;ten ge&#x017F;etz-geber beliebt<lb/>
hat/ den ehebruch mit einer verehlichten ha&#x0364;rter als einen andern zu &#x017F;traf-<lb/>
fen. Wie wir &#x017F;ehen/ daß GOTT in dem Alten Te&#x017F;tament wol zuge&#x017F;e-<lb/>
hen/ daß ein mann mehrere weiber ha&#x0364;tte/ niemal aber/ daß einem weib<lb/>
mehrere ma&#x0364;nner zugela&#x017F;&#x017F;en worden wa&#x0364;ren/ ob wol &#x017F;ein ge&#x017F;etz von beyden<lb/>
&#x017F;eiten/ daß ein weib &#x017F;o wol ihren eigenen mann/ als ein mann &#x017F;ein eigen<lb/>
weib habe/ erfordert.</p><lb/>
          <p>Vorausge&#x017F;etzt de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ehe ich nicht/ wie des ehebruchs wegen noth-<lb/>
wendig um des Mo&#x017F;ai&#x017F;chen ge&#x017F;etzes willen die&#x017F;em <hi rendition="#aq">reo</hi> die lebens-&#x017F;traff<lb/>
angethan werden mu&#x0364;&#x017F;te/ &#x017F;ondern la&#x017F;&#x017F;e es gern dabey bewenden/ was aus<lb/>
den weltlichen ge&#x017F;etzen/ welche das Evangelium mit der gantzen policey<lb/>
nicht auffhebet/ die Herren Juri&#x017F;ten werden <hi rendition="#aq">decerni</hi>ren/ oder bereits <hi rendition="#aq">de-<lb/>
cerni</hi>rt haben. 1. Weil auch nicht <hi rendition="#aq">lege Mo&#x017F;aica</hi> die&#x017F;em <hi rendition="#aq">ca&#x017F;ui</hi> die lebens-<lb/>
&#x017F;traff auffge&#x017F;etzt gewe&#x017F;t. 2. Wo &#x017F;chon &#x017F;olches wa&#x0364;re/ es uns nicht bloß<lb/>
dahin <hi rendition="#aq">obligi</hi>rte. 3. So kommt dazu die ver&#x017F;o&#x0364;hnlichkeit und fu&#x0364;rbitte &#x017F;ei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nes</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[630/0638] Das vierdte Capitel. 2. Ob die ſtraffe/ welche in beſagten orten den ehebrechern ge- ſetzt/ allein den fall betreffe/ da das laſter mit einer verhey- ratheten weibs-perſon veruͤbet wird/ oder auch mit einer ledigen/ von einem verheyratheten? HJe iſt wiederum die frage nicht/ ob die fleiſchliche unehliche vermi- ſchung/ eines verheyratheten mit einer ledigen weibs-perſon/ wahr- hafftig ein ehebruch zu nennen und zu halten ſeye. Welches wir gern mit geſamten unſern Theologis bejahen/ und alſo den ehemann ſeinem weib aus 1. Cor. 7. ſo wol zu haltung ſchuldiger treue/ als ſie ihme/ verpflichtet/ daher die verletzung derſelben vor einen eigenlichen und ſchwehren ehebruch erkennen. Aber die frage iſt/ ob ſolcher ehebruch mit einer ledigen perſon in dem Moſaiſchen geſetz auch mit dem todt geſtrafft worden ſeye. Darauf halte mit nein zu antworten. Denn 1. die worte 3. Moſ. 20/ 10. 5. Moſ. 22/ 22. ſtehen klahr. Und 2. in der repetition werden ſie nichts geaͤndert. 3. 2. Moſ. 22/ 16. 5. Moſ. 22/ 28. wird die todes-ſtraff nicht auffgeſetzt demjenigen/ der eine jungfrau deſchlaffen/ ohne reſtriction, ob er ſeiner ſeits verehelicht oder ledig geweſen. (Man ſehe auch 3. Moſ. 19/ 20.) 4. Laͤßt ſich nicht bloß à paritate argumen- tiren/ weil viele urſachen ſind/ warum dem weiſeſten geſetz-geber beliebt hat/ den ehebruch mit einer verehlichten haͤrter als einen andern zu ſtraf- fen. Wie wir ſehen/ daß GOTT in dem Alten Teſtament wol zugeſe- hen/ daß ein mann mehrere weiber haͤtte/ niemal aber/ daß einem weib mehrere maͤnner zugelaſſen worden waͤren/ ob wol ſein geſetz von beyden ſeiten/ daß ein weib ſo wol ihren eigenen mann/ als ein mann ſein eigen weib habe/ erfordert. Vorausgeſetzt deſſen ſehe ich nicht/ wie des ehebruchs wegen noth- wendig um des Moſaiſchen geſetzes willen dieſem reo die lebens-ſtraff angethan werden muͤſte/ ſondern laſſe es gern dabey bewenden/ was aus den weltlichen geſetzen/ welche das Evangelium mit der gantzen policey nicht auffhebet/ die Herren Juriſten werden decerniren/ oder bereits de- cernirt haben. 1. Weil auch nicht lege Moſaica dieſem caſui die lebens- ſtraff auffgeſetzt geweſt. 2. Wo ſchon ſolches waͤre/ es uns nicht bloß dahin obligirte. 3. So kommt dazu die verſoͤhnlichkeit und fuͤrbitte ſei- nes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/638
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 630. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/638>, abgerufen am 28.06.2024.