Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

Bild:
<< vorherige Seite

SECTIO XIX.
nes eheweibs/ welche auch bey denen/ da speciali lege der ehebruch ca-
pital ist/ die ordentliche straff mildert. Welches Carpz. Jurispr. Con-
sist. L. 2. T. 12. d. 221. n. 7. jus notissimum
nennet/ und mehrere auto-
res
anzeucht.

Weil aber über den ehebruch noch dazu kommt digamia, mit wel-
cher sich reus, so viel an ihm ist/ vergriffen/ so wäre auch von derselbi-
gen zu gedencken/ daß etwa deswegen reus capitali poena zu belegen.
Gleichwie wir aber in diesem paß kein gewisse ausgetruckte legem divi-
nam
finden/ ohne daß solches laster zu dem ehebruch zu ziehen/ und
demselben gleich zu schätzen ist/ also lasse ich es auch wieder hierinn da-
bey beruhen/ was gewissenhaffte Juristen aus den weltlichen gesetzen/
welche hierinn die norma bleiben und seyn sollen/ vor eine straffe dicti-
ren werden. Vernehme zwahr/ daß gemeiniglich ex constit. Carolina die
todes-straff zuerkant werde/ die ich auch/ wo sie ex lege supremae potestatis
kommt/ wie bey dem ehebruch/ nicht unbillich achte: gleichwol halte bey diesem
casu wohl zu erwegen/ daß die digamia zwahr von reo gesucht/ auch so
viel an ihm war/ sonderlich mit erfolgter sleischlicher vermischung/ ad-
impli
ret, aber weil jedoch wider seinen willen aus andern hindernüssen
die ehe nicht allerdings vollzogen/ sondern die solennia zurück gehalten
worden; so halte davor/ daß er damit in foro conscientiae und vor GOtt
nicht entschuldigt/ sondern seine sünde nicht wol geringer seye/ als wo
alles nach sonst gewöhnlicher ordnung wäre vollstrecket worden; was a-
ber forum externum, dahin die straffen gehören/ betrifft/ so stehe sehre
an/ ob in demselben der conatus auch ad extremum usque so hoch poena
ordinaria
gestrafft werden möge/ als scelus perpetratum, bey dem über an-
dre schuld durch die priesterliche copulation auch der nahme Gottes so straff-
bar mißbraucht und profanirt worden wäre/ gleich wie auch in andern lastern/
bey todtschlag/ diebstahl und dergleichen das vornehmen/ und unterstehen
derselben zwahr höchlich/ aber doch nicht mit der ordenlichen des vollbrach-
ten lasters straff/ pfleget abgestraffet zu werden. Jnsgesamt zweiffle
nicht/ daß in allen diesen dingen das urtheil/ welche straffe diesem und

jenem

SECTIO XIX.
nes eheweibs/ welche auch bey denen/ da ſpeciali lege der ehebruch ca-
pital iſt/ die ordentliche ſtraff mildert. Welches Carpz. Juriſpr. Con-
ſiſt. L. 2. T. 12. d. 221. n. 7. jus notiſſimum
nennet/ und mehrere auto-
res
anzeucht.

Weil aber uͤber den ehebruch noch dazu kommt digamia, mit wel-
cher ſich reus, ſo viel an ihm iſt/ vergriffen/ ſo waͤre auch von derſelbi-
gen zu gedencken/ daß etwa deswegen reus capitali pœna zu belegen.
Gleichwie wir aber in dieſem paß kein gewiſſe ausgetruckte legem divi-
nam
finden/ ohne daß ſolches laſter zu dem ehebruch zu ziehen/ und
demſelben gleich zu ſchaͤtzen iſt/ alſo laſſe ich es auch wieder hierinn da-
bey beruhen/ was gewiſſenhaffte Juriſten aus den weltlichen geſetzen/
welche hierinn die norma bleiben und ſeyn ſollen/ vor eine ſtraffe dicti-
ren werden. Vernehme zwahr/ daß gemeiniglich ex conſtit. Carolina die
todes-ſtraff zuerkant werde/ die ich auch/ wo ſie ex lege ſupremæ poteſtatis
kommt/ wie bey dem ehebruch/ nicht unbillich achte: gleichwol halte bey dieſem
caſu wohl zu erwegen/ daß die digamia zwahr von reo geſucht/ auch ſo
viel an ihm war/ ſonderlich mit erfolgter ſleiſchlicher vermiſchung/ ad-
impli
ret, aber weil jedoch wider ſeinen willen aus andern hindernuͤſſen
die ehe nicht allerdings vollzogen/ ſondern die ſolennia zuruͤck gehalten
worden; ſo halte davor/ daß er damit in foro conſcientiæ und vor GOtt
nicht entſchuldigt/ ſondern ſeine ſuͤnde nicht wol geringer ſeye/ als wo
alles nach ſonſt gewoͤhnlicher ordnung waͤre vollſtrecket worden; was a-
ber forum externum, dahin die ſtraffen gehoͤren/ betrifft/ ſo ſtehe ſehre
an/ ob in demſelben der conatus auch ad extremum usque ſo hoch pœna
ordinaria
geſtrafft werden moͤge/ als ſcelus perpetratum, bey dem uͤber an-
dre ſchuld durch die prieſterliche copulation auch der nahme Gottes ſo ſtraff-
bar mißbraucht uñ profanirt worden waͤre/ gleich wie auch in andern laſtern/
bey todtſchlag/ diebſtahl und dergleichen das vornehmen/ und unterſtehen
derſelben zwahr hoͤchlich/ aber doch nicht mit der ordenlichen des vollbrach-
ten laſters ſtraff/ pfleget abgeſtraffet zu werden. Jnsgeſamt zweiffle
nicht/ daß in allen dieſen dingen das urtheil/ welche ſtraffe dieſem und

jenem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0639" n="631"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi> XIX.</hi></hi></fw><lb/>
nes eheweibs/ welche auch bey denen/ da <hi rendition="#aq">&#x017F;peciali lege</hi> der ehebruch ca-<lb/>
pital i&#x017F;t/ die ordentliche &#x017F;traff mildert. Welches <hi rendition="#aq">Carpz. Juri&#x017F;pr. Con-<lb/>
&#x017F;i&#x017F;t. L. 2. T. 12. d. 221. n. 7. jus noti&#x017F;&#x017F;imum</hi> nennet/ und mehrere <hi rendition="#aq">auto-<lb/>
res</hi> anzeucht.</p><lb/>
          <p>Weil aber u&#x0364;ber den ehebruch noch dazu kommt <hi rendition="#aq">digamia,</hi> mit wel-<lb/>
cher &#x017F;ich <hi rendition="#aq">reus,</hi> &#x017F;o viel an ihm i&#x017F;t/ vergriffen/ &#x017F;o wa&#x0364;re auch von der&#x017F;elbi-<lb/>
gen zu gedencken/ daß etwa deswegen <hi rendition="#aq">reus capitali p&#x0153;na</hi> zu belegen.<lb/>
Gleichwie wir aber in die&#x017F;em <hi rendition="#aq">paß</hi> kein gewi&#x017F;&#x017F;e ausgetruckte <hi rendition="#aq">legem divi-<lb/>
nam</hi> finden/ ohne daß &#x017F;olches la&#x017F;ter zu dem ehebruch zu ziehen/ und<lb/>
dem&#x017F;elben gleich zu &#x017F;cha&#x0364;tzen i&#x017F;t/ al&#x017F;o la&#x017F;&#x017F;e ich es auch wieder hierinn da-<lb/>
bey beruhen/ was gewi&#x017F;&#x017F;enhaffte Juri&#x017F;ten aus den weltlichen ge&#x017F;etzen/<lb/>
welche hierinn die <hi rendition="#aq">norma</hi> bleiben und &#x017F;eyn &#x017F;ollen/ vor eine &#x017F;traffe <hi rendition="#aq">dicti-</hi><lb/>
ren werden. Vernehme zwahr/ daß gemeiniglich <hi rendition="#aq">ex con&#x017F;tit. Carolina</hi> die<lb/>
todes-&#x017F;traff zuerkant werde/ die ich auch/ wo &#x017F;ie <hi rendition="#aq">ex lege &#x017F;upremæ pote&#x017F;tatis</hi><lb/>
kommt/ wie bey dem ehebruch/ nicht unbillich achte: gleichwol halte bey die&#x017F;em<lb/><hi rendition="#aq">ca&#x017F;u</hi> wohl zu erwegen/ daß die <hi rendition="#aq">digamia</hi> zwahr von <hi rendition="#aq">reo</hi> ge&#x017F;ucht/ auch &#x017F;o<lb/>
viel an ihm war/ &#x017F;onderlich mit erfolgter &#x017F;lei&#x017F;chlicher vermi&#x017F;chung/ <hi rendition="#aq">ad-<lb/>
impli</hi>ret, aber weil jedoch wider &#x017F;einen willen aus andern hindernu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
die ehe nicht allerdings vollzogen/ &#x017F;ondern die <hi rendition="#aq">&#x017F;olennia</hi> zuru&#x0364;ck gehalten<lb/>
worden; &#x017F;o halte davor/ daß er damit <hi rendition="#aq">in foro con&#x017F;cientiæ</hi> und vor GOtt<lb/>
nicht ent&#x017F;chuldigt/ &#x017F;ondern &#x017F;eine &#x017F;u&#x0364;nde nicht wol geringer &#x017F;eye/ als wo<lb/>
alles nach &#x017F;on&#x017F;t gewo&#x0364;hnlicher ordnung wa&#x0364;re voll&#x017F;trecket worden; was a-<lb/>
ber <hi rendition="#aq">forum externum,</hi> dahin die &#x017F;traffen geho&#x0364;ren/ betrifft/ &#x017F;o &#x017F;tehe &#x017F;ehre<lb/>
an/ ob in dem&#x017F;elben der <hi rendition="#aq">conatus</hi> auch <hi rendition="#aq">ad extremum usque</hi> &#x017F;o hoch <hi rendition="#aq">p&#x0153;na<lb/>
ordinaria</hi> ge&#x017F;trafft werden mo&#x0364;ge/ als <hi rendition="#aq">&#x017F;celus perpetratum,</hi> bey dem u&#x0364;ber an-<lb/>
dre &#x017F;chuld durch die prie&#x017F;terliche <hi rendition="#aq">copulation</hi> auch der nahme Gottes &#x017F;o &#x017F;traff-<lb/>
bar mißbraucht un&#x0303; <hi rendition="#aq">profani</hi>rt worden wa&#x0364;re/ gleich wie auch in andern la&#x017F;tern/<lb/>
bey todt&#x017F;chlag/ dieb&#x017F;tahl und dergleichen das vornehmen/ und unter&#x017F;tehen<lb/>
der&#x017F;elben zwahr ho&#x0364;chlich/ aber doch nicht mit der ordenlichen des vollbrach-<lb/>
ten la&#x017F;ters &#x017F;traff/ pfleget abge&#x017F;traffet zu werden. Jnsge&#x017F;amt zweiffle<lb/>
nicht/ daß in allen die&#x017F;en dingen das urtheil/ welche &#x017F;traffe die&#x017F;em und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">jenem</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[631/0639] SECTIO XIX. nes eheweibs/ welche auch bey denen/ da ſpeciali lege der ehebruch ca- pital iſt/ die ordentliche ſtraff mildert. Welches Carpz. Juriſpr. Con- ſiſt. L. 2. T. 12. d. 221. n. 7. jus notiſſimum nennet/ und mehrere auto- res anzeucht. Weil aber uͤber den ehebruch noch dazu kommt digamia, mit wel- cher ſich reus, ſo viel an ihm iſt/ vergriffen/ ſo waͤre auch von derſelbi- gen zu gedencken/ daß etwa deswegen reus capitali pœna zu belegen. Gleichwie wir aber in dieſem paß kein gewiſſe ausgetruckte legem divi- nam finden/ ohne daß ſolches laſter zu dem ehebruch zu ziehen/ und demſelben gleich zu ſchaͤtzen iſt/ alſo laſſe ich es auch wieder hierinn da- bey beruhen/ was gewiſſenhaffte Juriſten aus den weltlichen geſetzen/ welche hierinn die norma bleiben und ſeyn ſollen/ vor eine ſtraffe dicti- ren werden. Vernehme zwahr/ daß gemeiniglich ex conſtit. Carolina die todes-ſtraff zuerkant werde/ die ich auch/ wo ſie ex lege ſupremæ poteſtatis kommt/ wie bey dem ehebruch/ nicht unbillich achte: gleichwol halte bey dieſem caſu wohl zu erwegen/ daß die digamia zwahr von reo geſucht/ auch ſo viel an ihm war/ ſonderlich mit erfolgter ſleiſchlicher vermiſchung/ ad- impliret, aber weil jedoch wider ſeinen willen aus andern hindernuͤſſen die ehe nicht allerdings vollzogen/ ſondern die ſolennia zuruͤck gehalten worden; ſo halte davor/ daß er damit in foro conſcientiæ und vor GOtt nicht entſchuldigt/ ſondern ſeine ſuͤnde nicht wol geringer ſeye/ als wo alles nach ſonſt gewoͤhnlicher ordnung waͤre vollſtrecket worden; was a- ber forum externum, dahin die ſtraffen gehoͤren/ betrifft/ ſo ſtehe ſehre an/ ob in demſelben der conatus auch ad extremum usque ſo hoch pœna ordinaria geſtrafft werden moͤge/ als ſcelus perpetratum, bey dem uͤber an- dre ſchuld durch die prieſterliche copulation auch der nahme Gottes ſo ſtraff- bar mißbraucht uñ profanirt worden waͤre/ gleich wie auch in andern laſtern/ bey todtſchlag/ diebſtahl und dergleichen das vornehmen/ und unterſtehen derſelben zwahr hoͤchlich/ aber doch nicht mit der ordenlichen des vollbrach- ten laſters ſtraff/ pfleget abgeſtraffet zu werden. Jnsgeſamt zweiffle nicht/ daß in allen dieſen dingen das urtheil/ welche ſtraffe dieſem und jenem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/639
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 631. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/639>, abgerufen am 14.08.2024.