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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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SECTIO XV.
aufhebung der ehe gezehlet/ sondern die bina sponsalia sonsten auf andere
weise gestrafft. Also daß ich mich nicht eines einigen/ der de causis matri-
monii
geschrieben/ zu entsinnen wüste/ welcher durch die posteriora sponsa-
lia
als eine dem adulterio gleichmäßige ursache die priora aufgehoben zu-
seyn lehrete. Dazu auch noch dieses kommt/ daß diese misera durch andere ver-
führung und verblendung zu solchem verspruch gekommen/ so dann derselbe auf
gewisse condition, wo nemlich die priora sponsalia cassirt werden möchten/
gegründet. Da also non extante conditione das darauf geschlossene hinfället.
Wolte man aber die dissolutionem suchen ex capite veneficii, daß sich Sem-
pronia
durch solches versprechen den teuffel ergeben/ so ist droben gezeiget/ ein-
mal daßnicht vermuthlich/ daß der teuffel gewesen/ ferner wo ers gewesen seyn
solte/ daß sie sich doch nicht anders mit ihm als mit einen menschen versprochen/
und also damit zu keiner zauberinworden seye. Wenn nun dieses richtig/ daß
keine hebruch vorgegangen/ so wird die frage nicht mehr wol formiret/ ob Titio
zu rathen seye/ diese braut zu heyrathen/ indem die sache nicht mehr in termi-
nis consilii
stehet/ sondern er/ so wenig als sie sich durch anderwertliches ver-
sprechen von ihm loßwircken können/ eben so wenig sich der schuldigkeit ent-
schütten mag/ seinen verspruch zu vollenziehen/ ja alle gehörige mittel/ daß
solches werckstellig gemacht werde/ darunter die imploratio potestatis civi-
lis
oder des Consistorii zu gebrauchen: um von seiten seiner alles zu thun/
was an ihm wäre. Denn hie zu verbindet ihn seine pflicht. Was aber die
andere ursach anlanget/ nemlich die sorge vieles erfolgenden unglücks/ so ist
dieselbe vielmehr eine ratio dissuasoria, wo die sache noch integra ist/ nicht a-
ber/ daß blosser dings um der selben willen/ die ehe zernichtet werden könte.
Gleichwol möchte die frage bey andern umständen platz auf diese weise finden:
Wo bey beharrlicher widersetzlichkeit (denn sonsten wird kein zweiffel seyn/
das matrimonium zu consummiren/ wo Sempronia sich selbs gibet) Titius
den Magistrat oder das Consistorium angeruffen/ dieselbe auch ihre autorita-
tem interponi
ret/ gütlich nichts ausgerichtet würde/ und nunmehro zu den
zwangs-mitteln zu schreiten wäre/ also daß sich endlich zeigte/ daß die wider-
setzlichkeit entweder so boßhafft oder nunmehr gleichsam in die natur verwan-
delt/ daß Sempronia ihn Titium hinkünfftig nicht würde noch wolte lieben;
da denn solches nunmehr inimicitia capitalis wäre/ welche zu dem repudio
gnugsam erkant wird (D. Carpzov. Jur. Consist. L. 2. t. 10. d. 176.) doch gleich-
wol/ wo Titius auf seinen rechten beharren würde/ so viel schwehrer darzu ge-
schritten werden würde; so hätte denn die frage platz: Ob Titius illo casu
selbs den judicem um dissolutionem bitten/ und also sententiam facilitiren/
oder auf die consummationem, sie mit zwang zu erhalten/ tringen solle/ und
welches alsdenn das rathsamste wäre? wo ich alsdenn wegen der besorglichen

trau-
F f f f 3

SECTIO XV.
aufhebung der ehe gezehlet/ ſondern die bina ſponſalia ſonſten auf andere
weiſe geſtrafft. Alſo daß ich mich nicht eines einigen/ der de cauſis matri-
monii
geſchrieben/ zu entſinnen wuͤſte/ welcher durch die poſteriora ſponſa-
lia
als eine dem adulterio gleichmaͤßige urſache die priora aufgehoben zu-
ſeyn lehrete. Dazu auch noch dieſes kommt/ daß dieſe miſera durch andere ver-
fuͤhrung uñ verblendung zu ſolchem verſpruch gekom̃en/ ſo dann derſelbe auf
gewiſſe condition, wo nemlich die priora ſponſalia caſſirt werden moͤchten/
gegruͤndet. Da alſo non extante conditione das daꝛauf geſchloſſene hinfaͤllet.
Wolte man aber die diſſolutionem ſuchen ex capite veneficii, daß ſich Sem-
pronia
durch ſolches verſprechen dẽ teuffel ergeben/ ſo iſt droben gezeiget/ ein-
mal daßnicht veꝛmuthlich/ daß der teuffel geweſẽ/ ferner wo eꝛs geweſen ſeyn
ſolte/ daß ſie ſich doch nicht andeꝛs mit ihm als mit einẽ menſchen verſpꝛochen/
uñ alſo damit zu keiner zauberinworden ſeye. Wenn nun dieſes richtig/ daß
keine hebruch vorgegangẽ/ ſo wird die frage nicht mehr wol formiret/ ob Titio
zu rathen ſeye/ dieſe braut zu heyrathen/ indem die ſache nicht mehr in termi-
nis conſilii
ſtehet/ ſondern er/ ſo wenig als ſie ſich durch anderwertliches ver-
ſprechen von ihm loßwircken koͤnnen/ eben ſo wenig ſich der ſchuldigkeit ent-
ſchuͤtten mag/ ſeinen verſpruch zu vollenziehen/ ja alle gehoͤrige mittel/ daß
ſolches werckſtellig gemacht werde/ darunter die imploratio poteſtatis civi-
lis
oder des Conſiſtorii zu gebrauchen: um von ſeiten ſeiner alles zu thun/
was an ihm waͤre. Denn hie zu verbindet ihn ſeine pflicht. Was aber die
andere urſach anlanget/ nemlich die ſorge vieles erfolgenden ungluͤcks/ ſo iſt
dieſelbe vielmehr eine ratio diſſuaſoria, wo die ſache noch integra iſt/ nicht a-
ber/ daß bloſſer dings um der ſelben willen/ die ehe zernichtet werden koͤnte.
Gleichwol moͤchte die frage bey andeꝛn umſtaͤnden platz auf dieſe weiſe finden:
Wo bey beharrlicher widerſetzlichkeit (denn ſonſten wird kein zweiffel ſeyn/
das matrimonium zu conſummiren/ wo Sempronia ſich ſelbs gibet) Titius
den Magiſtrat oder das Conſiſtorium angeruffen/ dieſelbe auch ihre autorita-
tem interponi
ret/ guͤtlich nichts ausgerichtet wuͤrde/ und nunmehro zu den
zwangs-mitteln zu ſchreiten waͤre/ alſo daß ſich endlich zeigte/ daß die wider-
ſetzlichkeit entweder ſo boßhafft oder nunmehr gleichſam in die natur verwan-
delt/ daß Sempronia ihn Titium hinkuͤnfftig nicht wuͤrde noch wolte lieben;
da denn ſolches nunmehr inimicitia capitalis waͤre/ welche zu dem repudio
gnugſam erkant wird (D. Carpzov. Jur. Conſiſt. L. 2. t. 10. d. 176.) doch gleich-
wol/ wo Titius auf ſeinen rechten beharren wuͤrde/ ſo viel ſchwehrer darzu ge-
ſchritten werden wuͤrde; ſo haͤtte denn die frage platz: Ob Titius illo caſu
ſelbs den judicem um diſſolutionem bitten/ und alſo ſententiam facilitiren/
oder auf die conſummationem, ſie mit zwang zu erhalten/ tringen ſolle/ und
welches alsdenn das rathſamſte waͤre? wo ich alsdenn wegen der beſorglichen

trau-
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[597/0605] SECTIO XV. aufhebung der ehe gezehlet/ ſondern die bina ſponſalia ſonſten auf andere weiſe geſtrafft. Alſo daß ich mich nicht eines einigen/ der de cauſis matri- monii geſchrieben/ zu entſinnen wuͤſte/ welcher durch die poſteriora ſponſa- lia als eine dem adulterio gleichmaͤßige urſache die priora aufgehoben zu- ſeyn lehrete. Dazu auch noch dieſes kommt/ daß dieſe miſera durch andere ver- fuͤhrung uñ verblendung zu ſolchem verſpruch gekom̃en/ ſo dann derſelbe auf gewiſſe condition, wo nemlich die priora ſponſalia caſſirt werden moͤchten/ gegruͤndet. Da alſo non extante conditione das daꝛauf geſchloſſene hinfaͤllet. Wolte man aber die diſſolutionem ſuchen ex capite veneficii, daß ſich Sem- pronia durch ſolches verſprechen dẽ teuffel ergeben/ ſo iſt droben gezeiget/ ein- mal daßnicht veꝛmuthlich/ daß der teuffel geweſẽ/ ferner wo eꝛs geweſen ſeyn ſolte/ daß ſie ſich doch nicht andeꝛs mit ihm als mit einẽ menſchen verſpꝛochen/ uñ alſo damit zu keiner zauberinworden ſeye. Wenn nun dieſes richtig/ daß keine hebruch vorgegangẽ/ ſo wird die frage nicht mehr wol formiret/ ob Titio zu rathen ſeye/ dieſe braut zu heyrathen/ indem die ſache nicht mehr in termi- nis conſilii ſtehet/ ſondern er/ ſo wenig als ſie ſich durch anderwertliches ver- ſprechen von ihm loßwircken koͤnnen/ eben ſo wenig ſich der ſchuldigkeit ent- ſchuͤtten mag/ ſeinen verſpruch zu vollenziehen/ ja alle gehoͤrige mittel/ daß ſolches werckſtellig gemacht werde/ darunter die imploratio poteſtatis civi- lis oder des Conſiſtorii zu gebrauchen: um von ſeiten ſeiner alles zu thun/ was an ihm waͤre. Denn hie zu verbindet ihn ſeine pflicht. Was aber die andere urſach anlanget/ nemlich die ſorge vieles erfolgenden ungluͤcks/ ſo iſt dieſelbe vielmehr eine ratio diſſuaſoria, wo die ſache noch integra iſt/ nicht a- ber/ daß bloſſer dings um der ſelben willen/ die ehe zernichtet werden koͤnte. Gleichwol moͤchte die frage bey andeꝛn umſtaͤnden platz auf dieſe weiſe finden: Wo bey beharrlicher widerſetzlichkeit (denn ſonſten wird kein zweiffel ſeyn/ das matrimonium zu conſummiren/ wo Sempronia ſich ſelbs gibet) Titius den Magiſtrat oder das Conſiſtorium angeruffen/ dieſelbe auch ihre autorita- tem interponiret/ guͤtlich nichts ausgerichtet wuͤrde/ und nunmehro zu den zwangs-mitteln zu ſchreiten waͤre/ alſo daß ſich endlich zeigte/ daß die wider- ſetzlichkeit entweder ſo boßhafft oder nunmehr gleichſam in die natur verwan- delt/ daß Sempronia ihn Titium hinkuͤnfftig nicht wuͤrde noch wolte lieben; da denn ſolches nunmehr inimicitia capitalis waͤre/ welche zu dem repudio gnugſam erkant wird (D. Carpzov. Jur. Conſiſt. L. 2. t. 10. d. 176.) doch gleich- wol/ wo Titius auf ſeinen rechten beharren wuͤrde/ ſo viel ſchwehrer darzu ge- ſchritten werden wuͤrde; ſo haͤtte denn die frage platz: Ob Titius illo caſu ſelbs den judicem um diſſolutionem bitten/ und alſo ſententiam facilitiren/ oder auf die conſummationem, ſie mit zwang zu erhalten/ tringen ſolle/ und welches alsdenn das rathſamſte waͤre? wo ich alsdenn wegen der beſorglichen trau- F f f f 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/605>, abgerufen am 23.11.2024.