Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.Das vierdte Capitel. traurigen zufälle das erste erwehlte/ und Titio rathen wolte. Es wird aberin solcher beschaffenheit der judex von selbsten diese prudenz adhibiren/ eine solche sententiam dissolutoriam nicht zugeben/ es seye denn mit zimlicher mora versucht/ ob successu alicujus temporis das gemüth sich änderte. Wel- ches auch bey dieser person wegen der beybefindenden melancholia so viel nö- thiger/ um zu erkennen/ ob vielleicht der affectus sich bessern/ und damit der widerwillen auch vergehen möchte. 5. Wie ein pfarrer mit der braut in so kürtzer zeit umgehen solle? Jst ad quaestionem secundam zugleich beantwortet: 6. Ob die aufflösung des letzteren versprechens nöthig/ und pri- vatim zwischen seelsorger und beicht-kind allein geschehen könne? 1. Dieses letzte habe ich kein bedencken zu bejahen. Und solches weil um
Das vierdte Capitel. traurigen zufaͤlle das erſte erwehlte/ und Titio rathen wolte. Es wird aberin ſolcher beſchaffenheit der judex von ſelbſten dieſe prudenz adhibiren/ eine ſolche ſententiam diſſolutoriam nicht zugeben/ es ſeye denn mit zimlicher mora verſucht/ ob ſucceſſu alicujus temporis das gemuͤth ſich aͤnderte. Wel- ches auch bey dieſer perſon wegen der beybefindenden melancholia ſo viel noͤ- thiger/ um zu erkennen/ ob vielleicht der affectus ſich beſſern/ und damit der widerwillen auch vergehen moͤchte. 5. Wie ein pfarrer mit der braut in ſo kuͤrtzer zeit umgehen ſolle? Jſt ad quæſtionem ſecundam zugleich beantwortet: 6. Ob die auffloͤſung des letzteren verſprechens noͤthig/ und pri- vatim zwiſchen ſeelſorger und beicht-kind allein geſchehen koͤnne? 1. Dieſes letzte habe ich kein bedencken zu bejahen. Und ſolches weil um
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Das vierdte Capitel.
traurigen zufaͤlle das erſte erwehlte/ und Titio rathen wolte. Es wird aber
in ſolcher beſchaffenheit der judex von ſelbſten dieſe prudenz adhibiren/ eine
ſolche ſententiam diſſolutoriam nicht zugeben/ es ſeye denn mit zimlicher
mora verſucht/ ob ſucceſſu alicujus temporis das gemuͤth ſich aͤnderte. Wel-
ches auch bey dieſer perſon wegen der beybefindenden melancholia ſo viel noͤ-
thiger/ um zu erkennen/ ob vielleicht der affectus ſich beſſern/ und damit der
widerwillen auch vergehen moͤchte.
5. Wie ein pfarrer mit der braut in ſo kuͤrtzer zeit umgehen
ſolle?
Jſt ad quæſtionem ſecundam zugleich beantwortet:
6. Ob die auffloͤſung des letzteren verſprechens noͤthig/ und pri-
vatim zwiſchen ſeelſorger und beicht-kind allein geſchehen
koͤnne?
1. Dieſes letzte habe ich kein bedencken zu bejahen. Und ſolches weil
das zweyte verſprechen an ſich nichtig/ unbuͤndig und niemalen guͤltig gewe-
ſen. Welches alſo erweiſe. 1. Jſt derſelbe verſpruch conditionatè geſche-
hen/ wo die erſte ſponſalia caſſirt moͤchten werden. Non ex tante conditione
aber faͤllet auch conditionatum, und bedarff keine diſſolution. 2. War
Sempronia keine perſon/ die ſich zu verſprechen macht gehabt/ als die unter
der eltern gewalt und mit dero willen publica ſponſalia bereits mit Titio ce-
lebriret/ dahero ſie uͤber ſich zu diſponiren keine gewalt hatte/ und deßwegen
ſolcher verſpruch ſo wenig buͤndig waͤre/ als wenig ein kauff wuͤrde anders als
null von jedem geachtet werden/ ſo einer eine ſache/ die offenbarlich nicht ſein/
ſondern einem andern verkaufft waͤre/ jemanden wiederum verkauffen wolte.
3. Haben die letzte ſponſalia vitium clandeſtinitatis, ſo wol proprie, weil ſie
allerdinges ohne einiges zeugen beyweſen geſchehen: Als auch/ welches auch
ſponſalia clandeſtina machet/ wegen ermangelnden conſenſus parentum,.
Nun aber ſind auch clandeſtina ipſo jure nulla. Es iſt zwahr an dem/ daß
zuweilen/ was an ſich ſelbs null iſt/ dannoch einer declarationis nullitatis noͤ-
thig hat/ nemlich wo die ſache noch dubia iſt/ wo die verhuͤtung des aͤrgernuͤß
es erfordert/ und anderer intereſſe darinn verſirt. Hier aber iſt die ſache in-
dubia, nemlich/ daß die erſte ſponſalia, nemine contradicente, gewiß valida
geweſen/ daß deßwegen in denſelben GOTT/ und demnach unauffloͤßlich/ ſie
zuſammen gefuͤhret/ und alſo was dergleichen clandeſtinum ſubſequens pro-
miſſum geweſt ſeyn mag/ jene nicht habe koͤnnen auffheben. So erfordert
auch evitatio ſcandali ſolches nicht/ indem wir in caſu præſenti darvon han-
deln/ da niemand als Sempronia und der pfarrer davon wiſſen; denn waͤre die
ſache offenbar/ ſo moͤchte die declaratio judicis erfordert werden/ wenn Titius
um
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/606>, abgerufen am 16.02.2025. |