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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
welches einen solchen guten schein hatte/ daß der gute Nathan/ ehe er abson-
derliche göttliche offenbahrung hierüber bekam/ solchen vorsatz selbs billigte/
auch kein zweiffel ist/ daß GOtt die gute meinung nicht mißfallen habe/ in-
dessen war es doch von GOtt verordnet/ daß ein anderer/ nemlich sein sohn
solches thun solte/ er aber muste von seinem vornehmen abstehen. Wie nun
dorten dem David durch Nathan göttlicher entgegen stehender wille ange-
deutet wurde/ also haben wir hie denselben aus denen seinem wort gemässen
oben angedeuteten gründen abzunehmen.

Auf solches alles würde mein christlicher rath seyn/ 1. Antonius stelle
eine genaue untersuchung seines lebens/ wie es bißher geführet worden/ an/
prüffe sich/ wie weit er in seinem Christenthum gekommen/ oder wo er noch
stehe; was er bißher in solchem unterlassen und zurücke geblieben; mit was ge-
müth er in die handlung getreten; wie er solche biß daher geführet; und in
summa/ was es vor eine bewandnüß mit seinem gantzen thun und lassen ge-
habt; nicht anders ob solte er solche stunde dem strengen richter seines lebens
rechenschafft geben/ und solches ohne schmeicheley/ die ihm nichts nutzet/ und er
wol weiß/ GOTT sehe noch tieffer in sein hertz als er dasselbe erforschet/ daß
also so viel weniger ihm das wenigste verhälet/ oder anders als es in der that
ist/ vorgestellet werden mag. Er stelle sich ferner vor/ was er vor gött-
liche gnade zeit lebens empfangen/ sonderlich wo ihm etwa die stim-
me des HERRN geruffen habe/ und er solcher nicht gehör gege-
ben/ die gefahr worinnen er etwa gestanden/ die gnade der gött-
lichen langmuth/ so ihm die frist bißher erlängert; um durch alle
solche betrachtung vermittels göttlicher würckung und mit dero anruf-
fung eine rechte göttliche traurigkeit bey sich zu erwecken/ und das hertz in
wahrer buß zu fernerm neuen gehorsam zu disponiren. 2. Worinnen er
findet/ daß er biß dahin an seiner christlichen pflicht es ermangeln gelassen/
oder des teuffels/ der welt und eignen fleisches verführung/ gefolget/ so mache
er den festen bund/ gegen solche sünde sich so vielmehr in göttlicher krafft zu
wapnen/ und sich zu ersetzung voriger säumigkeit zu ermuntern. Und da se-
he er die bey ihm erweckte bewegung seines hertzen[s] dahin an/ daß obwol das-
selbige auf ein mittel gefallen/ so sich dißmal noch nicht thun lasse/ gleichwol
göttlicher finger so fern dabey seye/ daß GOTT ein ander leben von ihm er-
fordere/ deswegen er demselben darinnen nicht ungehorsam seyn müßte/ wolte
er anders nicht eine schwehre verantwortung auf sich laden. 3. Findet er/
wie ers vielleicht finden wird/ daß die heutige handlungs-art dermassen be-
wandt seye/ daß es sehr schwehr/ ja wie Christus dorthin von den reichenre-
det/ unmüglich seye bey den menschen Matth. 19/ 26. in solcher sein gewissen
unverletzt zu erhalten/ so untersuche er vornemlich/ aus was intention er in

solche

Das dritte Capitel.
welches einen ſolchen guten ſchein hatte/ daß der gute Nathan/ ehe er abſon-
derliche goͤttliche offenbahrung hieruͤber bekam/ ſolchen vorſatz ſelbs billigte/
auch kein zweiffel iſt/ daß GOtt die gute meinung nicht mißfallen habe/ in-
deſſen war es doch von GOtt verordnet/ daß ein anderer/ nemlich ſein ſohn
ſolches thun ſolte/ er aber muſte von ſeinem vornehmen abſtehen. Wie nun
dorten dem David durch Nathan goͤttlicher entgegen ſtehender wille ange-
deutet wurde/ alſo haben wir hie denſelben aus denen ſeinem wort gemaͤſſen
oben angedeuteten gruͤnden abzunehmen.

Auf ſolches alles wuͤrde mein chriſtlicher rath ſeyn/ 1. Antonius ſtelle
eine genaue unterſuchung ſeines lebens/ wie es bißher gefuͤhret worden/ an/
pruͤffe ſich/ wie weit er in ſeinem Chriſtenthum gekommen/ oder wo er noch
ſtehe; was er bißher in ſolchem unterlaſſen und zuruͤcke geblieben; mit was ge-
muͤth er in die handlung getreten; wie er ſolche biß daher gefuͤhret; und in
ſumma/ was es vor eine bewandnuͤß mit ſeinem gantzen thun und laſſen ge-
habt; nicht anders ob ſolte er ſolche ſtunde dem ſtrengen richter ſeines lebens
rechenſchafft geben/ und ſolches ohne ſchmeicheley/ die ihm nichts nutzet/ und er
wol weiß/ GOTT ſehe noch tieffer in ſein hertz als er daſſelbe erforſchet/ daß
alſo ſo viel weniger ihm das wenigſte verhaͤlet/ oder anders als es in der that
iſt/ vorgeſtellet werden mag. Er ſtelle ſich ferner vor/ was er vor goͤtt-
liche gnade zeit lebens empfangen/ ſonderlich wo ihm etwa die ſtim-
me des HERRN geruffen habe/ und er ſolcher nicht gehoͤr gege-
ben/ die gefahr worinnen er etwa geſtanden/ die gnade der goͤtt-
lichen langmuth/ ſo ihm die friſt bißher erlaͤngert; um durch alle
ſolche betrachtung vermittels goͤttlicher wuͤrckung und mit dero anruf-
fung eine rechte goͤttliche traurigkeit bey ſich zu erwecken/ und das hertz in
wahrer buß zu fernerm neuen gehorſam zu diſponiren. 2. Worinnen er
findet/ daß er biß dahin an ſeiner chriſtlichen pflicht es ermangeln gelaſſen/
oder des teuffels/ der welt und eignen fleiſches verfuͤhrung/ gefolget/ ſo mache
er den feſten bund/ gegen ſolche ſuͤnde ſich ſo vielmehr in goͤttlicher krafft zu
wapnen/ und ſich zu erſetzung voriger ſaͤumigkeit zu ermuntern. Und da ſe-
he er die bey ihm erweckte bewegung ſeines hertzen[s] dahin an/ daß obwol daſ-
ſelbige auf ein mittel gefallen/ ſo ſich dißmal noch nicht thun laſſe/ gleichwol
goͤttlicher finger ſo fern dabey ſeye/ daß GOTT ein ander leben von ihm er-
fordere/ deswegen er demſelben darinnen nicht ungehorſam ſeyn muͤßte/ wolte
er anders nicht eine ſchwehre verantwortung auf ſich laden. 3. Findet er/
wie ers vielleicht finden wird/ daß die heutige handlungs-art dermaſſen be-
wandt ſeye/ daß es ſehr ſchwehr/ ja wie Chriſtus dorthin von den reichenre-
det/ unmuͤglich ſeye bey den menſchen Matth. 19/ 26. in ſolcher ſein gewiſſen
unverletzt zu erhalten/ ſo unterſuche er vornemlich/ aus was intention er in

ſolche
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[448/0456] Das dritte Capitel. welches einen ſolchen guten ſchein hatte/ daß der gute Nathan/ ehe er abſon- derliche goͤttliche offenbahrung hieruͤber bekam/ ſolchen vorſatz ſelbs billigte/ auch kein zweiffel iſt/ daß GOtt die gute meinung nicht mißfallen habe/ in- deſſen war es doch von GOtt verordnet/ daß ein anderer/ nemlich ſein ſohn ſolches thun ſolte/ er aber muſte von ſeinem vornehmen abſtehen. Wie nun dorten dem David durch Nathan goͤttlicher entgegen ſtehender wille ange- deutet wurde/ alſo haben wir hie denſelben aus denen ſeinem wort gemaͤſſen oben angedeuteten gruͤnden abzunehmen. Auf ſolches alles wuͤrde mein chriſtlicher rath ſeyn/ 1. Antonius ſtelle eine genaue unterſuchung ſeines lebens/ wie es bißher gefuͤhret worden/ an/ pruͤffe ſich/ wie weit er in ſeinem Chriſtenthum gekommen/ oder wo er noch ſtehe; was er bißher in ſolchem unterlaſſen und zuruͤcke geblieben; mit was ge- muͤth er in die handlung getreten; wie er ſolche biß daher gefuͤhret; und in ſumma/ was es vor eine bewandnuͤß mit ſeinem gantzen thun und laſſen ge- habt; nicht anders ob ſolte er ſolche ſtunde dem ſtrengen richter ſeines lebens rechenſchafft geben/ und ſolches ohne ſchmeicheley/ die ihm nichts nutzet/ und er wol weiß/ GOTT ſehe noch tieffer in ſein hertz als er daſſelbe erforſchet/ daß alſo ſo viel weniger ihm das wenigſte verhaͤlet/ oder anders als es in der that iſt/ vorgeſtellet werden mag. Er ſtelle ſich ferner vor/ was er vor goͤtt- liche gnade zeit lebens empfangen/ ſonderlich wo ihm etwa die ſtim- me des HERRN geruffen habe/ und er ſolcher nicht gehoͤr gege- ben/ die gefahr worinnen er etwa geſtanden/ die gnade der goͤtt- lichen langmuth/ ſo ihm die friſt bißher erlaͤngert; um durch alle ſolche betrachtung vermittels goͤttlicher wuͤrckung und mit dero anruf- fung eine rechte goͤttliche traurigkeit bey ſich zu erwecken/ und das hertz in wahrer buß zu fernerm neuen gehorſam zu diſponiren. 2. Worinnen er findet/ daß er biß dahin an ſeiner chriſtlichen pflicht es ermangeln gelaſſen/ oder des teuffels/ der welt und eignen fleiſches verfuͤhrung/ gefolget/ ſo mache er den feſten bund/ gegen ſolche ſuͤnde ſich ſo vielmehr in goͤttlicher krafft zu wapnen/ und ſich zu erſetzung voriger ſaͤumigkeit zu ermuntern. Und da ſe- he er die bey ihm erweckte bewegung ſeines hertzens dahin an/ daß obwol daſ- ſelbige auf ein mittel gefallen/ ſo ſich dißmal noch nicht thun laſſe/ gleichwol goͤttlicher finger ſo fern dabey ſeye/ daß GOTT ein ander leben von ihm er- fordere/ deswegen er demſelben darinnen nicht ungehorſam ſeyn muͤßte/ wolte er anders nicht eine ſchwehre verantwortung auf ſich laden. 3. Findet er/ wie ers vielleicht finden wird/ daß die heutige handlungs-art dermaſſen be- wandt ſeye/ daß es ſehr ſchwehr/ ja wie Chriſtus dorthin von den reichenre- det/ unmuͤglich ſeye bey den menſchen Matth. 19/ 26. in ſolcher ſein gewiſſen unverletzt zu erhalten/ ſo unterſuche er vornemlich/ aus was intention er in ſolche

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/456>, abgerufen am 23.11.2024.