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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
6. Wozu auch kommet/ daß absonderlich der kauff-handel/ obwol wie
zu sehen Sirach c. 27. und 28. viele gelegenheit zu sündigen dabey ist/ die
nicht wenig gefahr nach sich ziehen/ an sich selbs gleichwol recht/ erlaubt/ und
gut ist: als eine sache/ die dem menschlichen geschlecht gantz nützlich und in ge-
wisser maaß nothwendig ist. Daher was vor fehler demselben anhangen/ sol-
che nicht desselben/ sondern der menschen schuld ist. Daher Antonius, da er
sich GOtt zu dienen hertzlich entschlossen/ es eben so wol in gegenwärtigem
seinem stande zu thun vermag/ und ihm nöthig ist. Und die gnade/ welche
ihn zu dem guten antreibet/ wird ihn so wol in führung seines kauff-handels
also regieren/ daß er sein gewissen mit willen nicht beschwehre/ als er von ihr
erwartete/ daß sie in solchem intendirenden secessu ihn zu dem rechten zweck
führete.
7. Aus allem solchen sehe ich noch nicht/ was Antonius zu sehen ver-
meint/ daß ihn GOtt von bißheriger lebens-art ab/ zu einer ruhigern und
stillern führen wolle: sondern ich erkenne vielmehr seinen weisesten finger/ daß
derselbe ihn bey seinem kauff-handel noch haben und wissen wolle/ da er ihm
alle wege/ durch die er derselben sich entbrechen möchte/ verleget. Woraus er
aber versichert ist/ weil es GOtt also haben wolle/ in solchem stand zu blei-
ben/ daß er dann auch in demselben alle verrichtungen dermassen werde se-
gnen/ daß wo er sich GOttes hand leiten lässet/ er in solchem stande sein heil
wol wircken möge. Und lässet sich hiemit gar unschwehr antworten auff die
erst movirte scrupulos. Jndeme 1. wir gern gestehen/ daß dem göttlichen
alles nachgesetzet werden/ und dem gottesdienst das zeitliche weichen müsse.
Dann was hülffe es wo der mensch die gantze welt gewinne/ und lidte
schaden an seiner seele/ oder was könt er geben/
wann er seine einmal
verlohrne seele löse. Matth. 16/ 26. Aber es lässet sich auff gegenwärti-
gen casum nicht appliciren/ dann seine weltliche profession gantz angeben/ und
nur allein nach der ersten taffel vornemlich GOtt dienen wollen/ ist nicht das
einige nothwendige/ vielweniger ein göttlicher dienst zu achten; wo man be-
trachtet/ daß er die von Gott so hoch gebotene liebe des nechsten/ wo er denselben
um einiger seiner bessern ruhe und bequemlichkeit willen in grossen schaden und
verlust auch etwa dadurch fernere gefahr stürtzen wolte/ verletzte. Also bleibet
es freylich wahr/ daß man lieber alles hindan setzen/ als muthwillig sündigen
wolte/ ja daß/ wo wir finden solten/ daß unsere geschäffte uns unvermeidlich
in sünde führen würden/ wir sie lieber abschaffeten/ als daß wir durch diesel-
be nach grossem gut und reichthum in der welt trachten wolten/ welches ohne
das dem Christenthum unanständig: da heißt es recht/ das göttliche/ worin-
nen wir allein unser heil erhalten mögen/ und hingegen mit der sünde gewiß
verschertzeten/ dem weltlichen vorziehen/ welches nothwendig ist: in jenem
exem-
Das dritte Capitel.
6. Wozu auch kommet/ daß abſonderlich der kauff-handel/ obwol wie
zu ſehen Sirach c. 27. und 28. viele gelegenheit zu ſuͤndigen dabey iſt/ die
nicht wenig gefahr nach ſich ziehen/ an ſich ſelbs gleichwol recht/ erlaubt/ und
gut iſt: als eine ſache/ die dem menſchlichen geſchlecht gantz nuͤtzlich und in ge-
wiſſer maaß nothwendig iſt. Daher was vor fehler demſelben anhangen/ ſol-
che nicht deſſelben/ ſondern der menſchen ſchuld iſt. Daher Antonius, da er
ſich GOtt zu dienen hertzlich entſchloſſen/ es eben ſo wol in gegenwaͤrtigem
ſeinem ſtande zu thun vermag/ und ihm noͤthig iſt. Und die gnade/ welche
ihn zu dem guten antreibet/ wird ihn ſo wol in fuͤhrung ſeines kauff-handels
alſo regieren/ daß er ſein gewiſſen mit willen nicht beſchwehre/ als er von ihr
erwartete/ daß ſie in ſolchem intendirenden ſeceſſu ihn zu dem rechten zweck
fuͤhrete.
7. Aus allem ſolchen ſehe ich noch nicht/ was Antonius zu ſehen ver-
meint/ daß ihn GOtt von bißheriger lebens-art ab/ zu einer ruhigern und
ſtillern fuͤhren wolle: ſondern ich erkenne vielmehr ſeinen weiſeſten finger/ daß
derſelbe ihn bey ſeinem kauff-handel noch haben und wiſſen wolle/ da er ihm
alle wege/ durch die er derſelben ſich entbrechen moͤchte/ verleget. Woraus er
aber verſichert iſt/ weil es GOtt alſo haben wolle/ in ſolchem ſtand zu blei-
ben/ daß er dann auch in demſelben alle verrichtungen dermaſſen werde ſe-
gnen/ daß wo er ſich GOttes hand leiten laͤſſet/ er in ſolchem ſtande ſein heil
wol wircken moͤge. Und laͤſſet ſich hiemit gar unſchwehr antworten auff die
erſt movirte ſcrupulos. Jndeme 1. wir gern geſtehen/ daß dem goͤttlichen
alles nachgeſetzet werden/ und dem gottesdienſt das zeitliche weichen muͤſſe.
Dann was huͤlffe es wo der menſch die gantze welt gewinne/ und lidte
ſchaden an ſeiner ſeele/ oder was koͤnt er geben/
wann er ſeine einmal
verlohrne ſeele loͤſe. Matth. 16/ 26. Aber es laͤſſet ſich auff gegenwaͤrti-
gen caſum nicht appliciren/ dann ſeine weltliche profeſſion gantz angeben/ und
nur allein nach der erſten taffel vornemlich GOtt dienen wollen/ iſt nicht das
einige nothwendige/ vielweniger ein goͤttlicher dienſt zu achten; wo man be-
tꝛachtet/ daß er die von Gott ſo hoch gebotene liebe des nechſten/ wo eꝛ denſelbẽ
um einiger ſeiner beſſern ruhe und bequemlichkeit willen in groſſen ſchaden uñ
verluſt auch etwa dadurch fernere gefahr ſtuͤrtzen wolte/ verletzte. Alſo bleibet
es freylich wahr/ daß man lieber alles hindan ſetzen/ als muthwillig ſuͤndigen
wolte/ ja daß/ wo wir finden ſolten/ daß unſere geſchaͤffte uns unvermeidlich
in ſuͤnde fuͤhren wuͤrden/ wir ſie lieber abſchaffeten/ als daß wir durch dieſel-
be nach groſſem gut und reichthum in der welt trachten wolten/ welches ohne
das dem Chriſtenthum unanſtaͤndig: da heißt es recht/ das goͤttliche/ worin-
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[446/0454] Das dritte Capitel. 6. Wozu auch kommet/ daß abſonderlich der kauff-handel/ obwol wie zu ſehen Sirach c. 27. und 28. viele gelegenheit zu ſuͤndigen dabey iſt/ die nicht wenig gefahr nach ſich ziehen/ an ſich ſelbs gleichwol recht/ erlaubt/ und gut iſt: als eine ſache/ die dem menſchlichen geſchlecht gantz nuͤtzlich und in ge- wiſſer maaß nothwendig iſt. Daher was vor fehler demſelben anhangen/ ſol- che nicht deſſelben/ ſondern der menſchen ſchuld iſt. Daher Antonius, da er ſich GOtt zu dienen hertzlich entſchloſſen/ es eben ſo wol in gegenwaͤrtigem ſeinem ſtande zu thun vermag/ und ihm noͤthig iſt. Und die gnade/ welche ihn zu dem guten antreibet/ wird ihn ſo wol in fuͤhrung ſeines kauff-handels alſo regieren/ daß er ſein gewiſſen mit willen nicht beſchwehre/ als er von ihr erwartete/ daß ſie in ſolchem intendirenden ſeceſſu ihn zu dem rechten zweck fuͤhrete. 7. Aus allem ſolchen ſehe ich noch nicht/ was Antonius zu ſehen ver- meint/ daß ihn GOtt von bißheriger lebens-art ab/ zu einer ruhigern und ſtillern fuͤhren wolle: ſondern ich erkenne vielmehr ſeinen weiſeſten finger/ daß derſelbe ihn bey ſeinem kauff-handel noch haben und wiſſen wolle/ da er ihm alle wege/ durch die er derſelben ſich entbrechen moͤchte/ verleget. Woraus er aber verſichert iſt/ weil es GOtt alſo haben wolle/ in ſolchem ſtand zu blei- ben/ daß er dann auch in demſelben alle verrichtungen dermaſſen werde ſe- gnen/ daß wo er ſich GOttes hand leiten laͤſſet/ er in ſolchem ſtande ſein heil wol wircken moͤge. Und laͤſſet ſich hiemit gar unſchwehr antworten auff die erſt movirte ſcrupulos. Jndeme 1. wir gern geſtehen/ daß dem goͤttlichen alles nachgeſetzet werden/ und dem gottesdienſt das zeitliche weichen muͤſſe. Dann was huͤlffe es wo der menſch die gantze welt gewinne/ und lidte ſchaden an ſeiner ſeele/ oder was koͤnt er geben/ wann er ſeine einmal verlohrne ſeele loͤſe. Matth. 16/ 26. Aber es laͤſſet ſich auff gegenwaͤrti- gen caſum nicht appliciren/ dann ſeine weltliche profeſſion gantz angeben/ und nur allein nach der erſten taffel vornemlich GOtt dienen wollen/ iſt nicht das einige nothwendige/ vielweniger ein goͤttlicher dienſt zu achten; wo man be- tꝛachtet/ daß er die von Gott ſo hoch gebotene liebe des nechſten/ wo eꝛ denſelbẽ um einiger ſeiner beſſern ruhe und bequemlichkeit willen in groſſen ſchaden uñ verluſt auch etwa dadurch fernere gefahr ſtuͤrtzen wolte/ verletzte. Alſo bleibet es freylich wahr/ daß man lieber alles hindan ſetzen/ als muthwillig ſuͤndigen wolte/ ja daß/ wo wir finden ſolten/ daß unſere geſchaͤffte uns unvermeidlich in ſuͤnde fuͤhren wuͤrden/ wir ſie lieber abſchaffeten/ als daß wir durch dieſel- be nach groſſem gut und reichthum in der welt trachten wolten/ welches ohne das dem Chriſtenthum unanſtaͤndig: da heißt es recht/ das goͤttliche/ worin- nen wir allein unſer heil erhalten moͤgen/ und hingegen mit der ſuͤnde gewiß verſchertzeten/ dem weltlichen vorziehen/ welches nothwendig iſt: in jenem exem-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/454>, abgerufen am 22.11.2024.