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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
rige band währet/ und nicht auffgelöset ist. Zum exempel/ es ist nicht zu
zweifflen/ daß einer christlichen person/ wo sie in ihrem gewissen sich sonsten
zwahr zu einem heyrath resolvirt hat/ oblige/ allein in einen solchen heyrath
zu gehelln/ in dem sie mit weniger verhindernüß GOTT dienen möge/ und
also mit einem glaubens-genossen: Hingegen würde es nicht ohne unver-
antwortliche sünde und versuchung GOttes geschehen/ wo sich eine an eine
unglaubige oder auch sonsten gottlose person/ verheyrathen wolte/ da sie so of-
fenbare hinderungen aller übung der gottseligkeit erkennete. Jndessen/ wo der
mensch in solchem ehelichen bande stehet/ so lässet ihm Paulus nicht zu/ daß
er mehr das sonsten an sich bessere und zu dem gottesdienst dienlichere mittel
der freyheit ergreiffe/ sondern wofern der unglaubige nicht selbsten weichet
und die trennung machet/ will der Apostel 1. Cor. 7/ 12. 13. daß der glaubige
bleibe/ ob wol in einem solchen stand/ da man leicht erachten kan/ wie sonder-
lich zu solcher zeit/ denselben lieben leuten ihre übungen der gottseligkeit von
den unglaubigen ehegatten so schwehr gemachet worden. Aber das zwischen
ihnen befindliche band/ so ohne sünde nicht getrennet werden kan/ ist hievor-
zuziehen demjenigen/ was man sonst vor sich selbs wehlen würde/ und weh-
len solte. Nun erkenne ich zwahr gern/ daß es einen nicht geringen unter-
scheid habe/ unter dem ehestand/ dessen band von Gottes wegen unaufflöß-
lich gesetzet wird/ und einer dergleichen lebens-art/ die ohne solche sünde wie-
derum geändert werden kan. Jndessen aber ist nicht nur gewisen/ daß also
das zum grunde ligende principium, wo es ohne fernere consideration oder
restriction angenommen wird/ so gewiß nicht seye/ vielmehr seine excepti-
ones
leide/ sondern es stehet hie ein anderes band der schulden/ damit Anto-
nius
seinem nechsten also verbunden ist/ daß er sich nicht/ weil es mit sünden
geschähe/ davon loßreissen darff/ oder solche loßreissung mit dem schaden
der andern verletzete sein gewissen/ und hält ihn deswegen so lang in der that
verbunden/ als er jene nicht nach vermögen befriediget.
4. Daraus abzunehmen/ daß also nicht unser eigen belieben/ sondern
einig und allein göttlicher beruff in solchem fall die regel seye/ nach welcher
wir uns zu richten haben/ und solches nicht allein in ehe-sachen/ sondern wie
Paulus deutlich in folgenden worten zeiget/ auch in andern weltlichen obli-
gatio
nen/ da nicht so viel heiliges und göttliches erkant wird/ als in dem ehe-
stand. Jndem er auch von den knechten saget/ daß sie bleiben sollen/ wie sie
beruffen seyen. Nun die arten/ wie sie knechte wurden/ waren vielerley/
und nicht eben alle GOtt gefällig/ indem nicht nur einige in solchem stande
gebohren wurden/ sondern andere durch krieg und ander unglück in selbigen
gerathen sind/ wo man denselben nicht anders vor einen göttlichen beruff
bey ihnen halten könte/ als wie GOtt solches über sie verhänget hatte. So
waren
Das dritte Capitel.
rige band waͤhret/ und nicht auffgeloͤſet iſt. Zum exempel/ es iſt nicht zu
zweifflen/ daß einer chriſtlichen perſon/ wo ſie in ihrem gewiſſen ſich ſonſten
zwahr zu einem heyrath reſolvirt hat/ oblige/ allein in einen ſolchen heyrath
zu gehelln/ in dem ſie mit weniger verhindernuͤß GOTT dienen moͤge/ und
alſo mit einem glaubens-genoſſen: Hingegen wuͤrde es nicht ohne unver-
antwortliche ſuͤnde und verſuchung GOttes geſchehen/ wo ſich eine an eine
unglaubige oder auch ſonſten gottloſe perſon/ verheyrathen wolte/ da ſie ſo of-
fenbare hinderungen aller uͤbung der gottſeligkeit erkennete. Jndeſſen/ wo der
menſch in ſolchem ehelichen bande ſtehet/ ſo laͤſſet ihm Paulus nicht zu/ daß
er mehr das ſonſten an ſich beſſere und zu dem gottesdienſt dienlichere mittel
der freyheit ergreiffe/ ſondern wofern der unglaubige nicht ſelbſten weichet
und die trennung machet/ will der Apoſtel 1. Cor. 7/ 12. 13. daß der glaubige
bleibe/ ob wol in einem ſolchen ſtand/ da man leicht erachten kan/ wie ſonder-
lich zu ſolcher zeit/ denſelben lieben leuten ihre uͤbungen der gottſeligkeit von
den unglaubigen ehegatten ſo ſchwehr gemachet worden. Aber das zwiſchen
ihnen befindliche band/ ſo ohne ſuͤnde nicht getrennet werden kan/ iſt hievor-
zuziehen demjenigen/ was man ſonſt vor ſich ſelbs wehlen wuͤrde/ und weh-
len ſolte. Nun erkenne ich zwahr gern/ daß es einen nicht geringen unter-
ſcheid habe/ unter dem eheſtand/ deſſen band von Gottes wegen unauffloͤß-
lich geſetzet wird/ und einer dergleichen lebens-art/ die ohne ſolche ſuͤnde wie-
derum geaͤndert werden kan. Jndeſſen aber iſt nicht nur gewiſen/ daß alſo
das zum grunde ligende principium, wo es ohne fernere conſideration oder
reſtriction angenommen wird/ ſo gewiß nicht ſeye/ vielmehr ſeine excepti-
ones
leide/ ſondern es ſtehet hie ein anderes band der ſchulden/ damit Anto-
nius
ſeinem nechſten alſo verbunden iſt/ daß er ſich nicht/ weil es mit ſuͤnden
geſchaͤhe/ davon loßreiſſen darff/ oder ſolche loßreiſſung mit dem ſchaden
der andern verletzete ſein gewiſſen/ und haͤlt ihn deswegen ſo lang in der that
verbunden/ als er jene nicht nach vermoͤgen befriediget.
4. Daraus abzunehmen/ daß alſo nicht unſer eigen belieben/ ſondern
einig und allein goͤttlicher beruff in ſolchem fall die regel ſeye/ nach welcher
wir uns zu richten haben/ und ſolches nicht allein in ehe-ſachen/ ſondern wie
Paulus deutlich in folgenden worten zeiget/ auch in andern weltlichen obli-
gatio
nen/ da nicht ſo viel heiliges und goͤttliches erkant wird/ als in dem ehe-
ſtand. Jndem er auch von den knechten ſaget/ daß ſie bleiben ſollen/ wie ſie
beruffen ſeyen. Nun die arten/ wie ſie knechte wurden/ waren vielerley/
und nicht eben alle GOtt gefaͤllig/ indem nicht nur einige in ſolchem ſtande
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[444/0452] Das dritte Capitel. rige band waͤhret/ und nicht auffgeloͤſet iſt. Zum exempel/ es iſt nicht zu zweifflen/ daß einer chriſtlichen perſon/ wo ſie in ihrem gewiſſen ſich ſonſten zwahr zu einem heyrath reſolvirt hat/ oblige/ allein in einen ſolchen heyrath zu gehelln/ in dem ſie mit weniger verhindernuͤß GOTT dienen moͤge/ und alſo mit einem glaubens-genoſſen: Hingegen wuͤrde es nicht ohne unver- antwortliche ſuͤnde und verſuchung GOttes geſchehen/ wo ſich eine an eine unglaubige oder auch ſonſten gottloſe perſon/ verheyrathen wolte/ da ſie ſo of- fenbare hinderungen aller uͤbung der gottſeligkeit erkennete. Jndeſſen/ wo der menſch in ſolchem ehelichen bande ſtehet/ ſo laͤſſet ihm Paulus nicht zu/ daß er mehr das ſonſten an ſich beſſere und zu dem gottesdienſt dienlichere mittel der freyheit ergreiffe/ ſondern wofern der unglaubige nicht ſelbſten weichet und die trennung machet/ will der Apoſtel 1. Cor. 7/ 12. 13. daß der glaubige bleibe/ ob wol in einem ſolchen ſtand/ da man leicht erachten kan/ wie ſonder- lich zu ſolcher zeit/ denſelben lieben leuten ihre uͤbungen der gottſeligkeit von den unglaubigen ehegatten ſo ſchwehr gemachet worden. Aber das zwiſchen ihnen befindliche band/ ſo ohne ſuͤnde nicht getrennet werden kan/ iſt hievor- zuziehen demjenigen/ was man ſonſt vor ſich ſelbs wehlen wuͤrde/ und weh- len ſolte. Nun erkenne ich zwahr gern/ daß es einen nicht geringen unter- ſcheid habe/ unter dem eheſtand/ deſſen band von Gottes wegen unauffloͤß- lich geſetzet wird/ und einer dergleichen lebens-art/ die ohne ſolche ſuͤnde wie- derum geaͤndert werden kan. Jndeſſen aber iſt nicht nur gewiſen/ daß alſo das zum grunde ligende principium, wo es ohne fernere conſideration oder reſtriction angenommen wird/ ſo gewiß nicht ſeye/ vielmehr ſeine excepti- ones leide/ ſondern es ſtehet hie ein anderes band der ſchulden/ damit Anto- nius ſeinem nechſten alſo verbunden iſt/ daß er ſich nicht/ weil es mit ſuͤnden geſchaͤhe/ davon loßreiſſen darff/ oder ſolche loßreiſſung mit dem ſchaden der andern verletzete ſein gewiſſen/ und haͤlt ihn deswegen ſo lang in der that verbunden/ als er jene nicht nach vermoͤgen befriediget. 4. Daraus abzunehmen/ daß alſo nicht unſer eigen belieben/ ſondern einig und allein goͤttlicher beruff in ſolchem fall die regel ſeye/ nach welcher wir uns zu richten haben/ und ſolches nicht allein in ehe-ſachen/ ſondern wie Paulus deutlich in folgenden worten zeiget/ auch in andern weltlichen obli- gationen/ da nicht ſo viel heiliges und goͤttliches erkant wird/ als in dem ehe- ſtand. Jndem er auch von den knechten ſaget/ daß ſie bleiben ſollen/ wie ſie beruffen ſeyen. Nun die arten/ wie ſie knechte wurden/ waren vielerley/ und nicht eben alle GOtt gefaͤllig/ indem nicht nur einige in ſolchem ſtande gebohren wurden/ ſondern andere durch krieg und ander ungluͤck in ſelbigen gerathen ſind/ wo man denſelben nicht anders vor einen goͤttlichen beruff bey ihnen halten koͤnte/ als wie GOtt ſolches uͤber ſie verhaͤnget hatte. So waren

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/452>, abgerufen am 23.11.2024.