Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.Das dritte Capitel. nachmal geredet werden solle) uns nicht mehr angehet/ sondern allein die lie-be übrig bleibet. Daher ist mir dieses eine beständige regel/ alles was nicht wider die liebe streitet/ sondern vielmehr eine übung derselben gibet/ ist uns Christen in dem N. T. erlaubt. Nun unter diesem Majori lassen sich die an- geführte und auff obige art eingeschrenckte zinse mit allem recht begreiffen/ al- so sind sie uns nicht verboten/ sondern erlaubt. 1. Sind sie nicht wider die liebe/ indem kein schade jemand dadurch zugefüget wird/ sondern vielmehr was einigen schaden und unbilligkeit in sich fassen möchte/ durch obige ein- schrenckungen bereits abgelehnet ist. 2. Vielmehr ist auch dieser contract so wol als andere/ so in dem mensch- keit
Das dritte Capitel. nachmal geredet werden ſolle) uns nicht mehr angehet/ ſondern allein die lie-be uͤbrig bleibet. Daher iſt mir dieſes eine beſtaͤndige regel/ alles was nicht wider die liebe ſtreitet/ ſondern vielmehr eine uͤbung derſelben gibet/ iſt uns Chriſten in dem N. T. erlaubt. Nun unter dieſem Majori laſſen ſich die an- gefuͤhrte und auff obige art eingeſchrenckte zinſe mit allem recht begreiffen/ al- ſo ſind ſie uns nicht verboten/ ſondern erlaubt. 1. Sind ſie nicht wider die liebe/ indem kein ſchade jemand dadurch zugefuͤget wird/ ſondern vielmehr was einigen ſchaden und unbilligkeit in ſich faſſen moͤchte/ durch obige ein- ſchrenckungen bereits abgelehnet iſt. 2. Vielmehr iſt auch dieſer contract ſo wol als andere/ ſo in dem menſch- keit
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0338" n="330"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das dritte Capitel.</hi></fw><lb/> nachmal geredet werden ſolle) uns nicht mehr angehet/ ſondern allein die lie-<lb/> be uͤbrig bleibet. Daher iſt mir dieſes eine beſtaͤndige regel/ alles was nicht<lb/> wider die liebe ſtreitet/ ſondern vielmehr eine uͤbung derſelben gibet/ iſt uns<lb/> Chriſten in dem N. T. erlaubt. Nun unter dieſem <hi rendition="#aq">Majori</hi> laſſen ſich die an-<lb/> gefuͤhrte und auff obige art eingeſchrenckte zinſe mit allem recht begreiffen/ al-<lb/> ſo ſind ſie uns nicht verboten/ ſondern erlaubt. 1. Sind ſie nicht wider die<lb/> liebe/ indem kein ſchade jemand dadurch zugefuͤget wird/ ſondern vielmehr<lb/> was einigen ſchaden und unbilligkeit in ſich faſſen moͤchte/ durch obige ein-<lb/> ſchrenckungen bereits abgelehnet iſt.</p><lb/> <p>2. Vielmehr iſt auch dieſer <hi rendition="#aq">contract</hi> ſo wol als andere/ ſo in dem menſch-<lb/> lichen leben ohne einigen ſcrupul gebrauchet werden/ eine uͤbung der liebe.<lb/> Es iſt demjenigen eine liebe/ welcher ſonſten vor ſich die mittel nicht hat/ zu<lb/> einem fernern ſtuͤck brodt zu kommen/ als darzu gemeiniglich einiger verlag<lb/> erfordert wird/ daß ihm ſolcher von andern/ die es vermoͤgen/ ertheilet/ und<lb/> alſo zur nahrung geholffen wird. Es iſt eine uͤbung der liebe/ daß derjeni-<lb/> ge/ der des andern mittel genoſſen/ und damit ſeinen nutzen geſchaffet hat/<lb/> hinwieder auch demſelben einen theil ſeiner errungenſchafft/ (welches die O-<lb/> brigkeit/ um aller ungerechtigkeit und mißhelligkeit vorzukommen/ auff ein<lb/> gewiſſes <hi rendition="#aq">quantum</hi> hat <hi rendition="#aq">determini</hi>ren koͤnnen) zukommen laſſe/ damit auch<lb/> ſolches ſtuͤck ſeines vermoͤgens ihm nicht unfruchtbahr bleibe; nicht zwahr<lb/> nur reichthum vor ſich zu ſammlen/ ſondern immer in dem ſtande zu ſeyn/<lb/> daß er auch moͤge an guten wercken deſto reicher werden. Es iſt eine uͤbung<lb/> der liebe gegen das <hi rendition="#aq">publicum,</hi> welchem an beforderung der <hi rendition="#aq">commerci</hi>en ein<lb/> groſſes gelegen iſt/ die aber menſchlicher weiſe ohne dergleichen zinſe nicht<lb/> wol moͤchten zu ſtand gebracht oder erhalten werden. Was demnach dasje-<lb/> nige/ von deſſen nutzen ſo viele <hi rendition="#aq">participi</hi>ren/ befordert/ gehoͤret allerdings un-<lb/> ter die pflichten der liebe. Man moͤchte zwahr einwenden/ alles ſolches koͤn-<lb/> te geſchehen/ nemlich ſo wol des nechſten abſonderliche wohlfahrt und nah-<lb/> rung befordert/ als zum behuff des gemeinen beſten die <hi rendition="#aq">commerci</hi>en in gu-<lb/> tem ſtand erhalten werden/ wo diejenige/ welche uͤbrige mittel haͤtten/ ſolche<lb/> ohne entgeld andern/ welche damit nutzen ſchaffen koͤnten/ darliehen: aber<lb/> ich will nicht nur dieſes ſagen/ daß wir ſchwehrlich zu hoffen haben/ es insge-<lb/> mein bey vielen zu ſolcher vollkommenheit zu bringen/ daß ſie das ihrige (und<lb/> zwahr mit gefahr durch unterſchiedliche ungluͤcke/ welche ſonderlich die hand-<lb/> lende vor andern betreffen/ gar um das ihrige zu kommen) andern ertheilen<lb/> wuͤrden; dadurch das <hi rendition="#aq">publicum</hi> und viele liebes-wercke unterbleiben muͤſ-<lb/> ſen; ſondern ich halte ſolche art ſelbs der gerechtigkeit/ und alſo der liebe/<lb/> weniger gemaͤß/ als jene art. Dann man forderte entweder von denſelben/<lb/> welche ihre mittel andern austhun/ daß ſie allerdings davon keine ergoͤtzlig-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">keit</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [330/0338]
Das dritte Capitel.
nachmal geredet werden ſolle) uns nicht mehr angehet/ ſondern allein die lie-
be uͤbrig bleibet. Daher iſt mir dieſes eine beſtaͤndige regel/ alles was nicht
wider die liebe ſtreitet/ ſondern vielmehr eine uͤbung derſelben gibet/ iſt uns
Chriſten in dem N. T. erlaubt. Nun unter dieſem Majori laſſen ſich die an-
gefuͤhrte und auff obige art eingeſchrenckte zinſe mit allem recht begreiffen/ al-
ſo ſind ſie uns nicht verboten/ ſondern erlaubt. 1. Sind ſie nicht wider die
liebe/ indem kein ſchade jemand dadurch zugefuͤget wird/ ſondern vielmehr
was einigen ſchaden und unbilligkeit in ſich faſſen moͤchte/ durch obige ein-
ſchrenckungen bereits abgelehnet iſt.
2. Vielmehr iſt auch dieſer contract ſo wol als andere/ ſo in dem menſch-
lichen leben ohne einigen ſcrupul gebrauchet werden/ eine uͤbung der liebe.
Es iſt demjenigen eine liebe/ welcher ſonſten vor ſich die mittel nicht hat/ zu
einem fernern ſtuͤck brodt zu kommen/ als darzu gemeiniglich einiger verlag
erfordert wird/ daß ihm ſolcher von andern/ die es vermoͤgen/ ertheilet/ und
alſo zur nahrung geholffen wird. Es iſt eine uͤbung der liebe/ daß derjeni-
ge/ der des andern mittel genoſſen/ und damit ſeinen nutzen geſchaffet hat/
hinwieder auch demſelben einen theil ſeiner errungenſchafft/ (welches die O-
brigkeit/ um aller ungerechtigkeit und mißhelligkeit vorzukommen/ auff ein
gewiſſes quantum hat determiniren koͤnnen) zukommen laſſe/ damit auch
ſolches ſtuͤck ſeines vermoͤgens ihm nicht unfruchtbahr bleibe; nicht zwahr
nur reichthum vor ſich zu ſammlen/ ſondern immer in dem ſtande zu ſeyn/
daß er auch moͤge an guten wercken deſto reicher werden. Es iſt eine uͤbung
der liebe gegen das publicum, welchem an beforderung der commercien ein
groſſes gelegen iſt/ die aber menſchlicher weiſe ohne dergleichen zinſe nicht
wol moͤchten zu ſtand gebracht oder erhalten werden. Was demnach dasje-
nige/ von deſſen nutzen ſo viele participiren/ befordert/ gehoͤret allerdings un-
ter die pflichten der liebe. Man moͤchte zwahr einwenden/ alles ſolches koͤn-
te geſchehen/ nemlich ſo wol des nechſten abſonderliche wohlfahrt und nah-
rung befordert/ als zum behuff des gemeinen beſten die commercien in gu-
tem ſtand erhalten werden/ wo diejenige/ welche uͤbrige mittel haͤtten/ ſolche
ohne entgeld andern/ welche damit nutzen ſchaffen koͤnten/ darliehen: aber
ich will nicht nur dieſes ſagen/ daß wir ſchwehrlich zu hoffen haben/ es insge-
mein bey vielen zu ſolcher vollkommenheit zu bringen/ daß ſie das ihrige (und
zwahr mit gefahr durch unterſchiedliche ungluͤcke/ welche ſonderlich die hand-
lende vor andern betreffen/ gar um das ihrige zu kommen) andern ertheilen
wuͤrden; dadurch das publicum und viele liebes-wercke unterbleiben muͤſ-
ſen; ſondern ich halte ſolche art ſelbs der gerechtigkeit/ und alſo der liebe/
weniger gemaͤß/ als jene art. Dann man forderte entweder von denſelben/
welche ihre mittel andern austhun/ daß ſie allerdings davon keine ergoͤtzlig-
keit
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |