Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.ARTIC. III. SECTIO XI. wo man die gelder/ welche die andre nicht mehr nöthig haben/ und gerne wie-der ablegen wolten/ nicht wieder annehmen/ sondern den andern als einen stäten tributarium behalten will: dahin ich auch ziehe/ wo schuldner ein stär- ckeres capital nimmer auff einmal abzutragen vermögen/ und also der ursach wegen zu ihrer grossen beschwehrde unter solcher last mit ihren nachkommen- den bleiben müsten/ aber durch eine particular solution befreyet zu werden/ vermöchten/ und man diese (gleichwol auch auff eine solche art angestellet/ daß man dieser seit nicht hinwieder nachtheil davon leide) nicht annehmen will. Alles dieses und was dergleichen seyn mag/ kan das zinse nehmen un- recht machen. Denn weil mein darleyhen ein liebes-werck und gutthat seyn/ und von dem andern hinwiederum liebreiche danckbarkeit erfordern solle/ so muß dabey nichts auffgezwungenes seyn/ noch einer so wenig zu diesem als anderem contract genöthigt werden. Also alles kurtz zu fassen/ so bald etwas bey dem zinse-nehmen mit ein- Wann aber nun diese fehler auszuschliessen die frage völliger also for- nach- T t
ARTIC. III. SECTIO XI. wo man die gelder/ welche die andre nicht mehr noͤthig haben/ und gerne wie-der ablegen wolten/ nicht wieder annehmen/ ſondern den andern als einen ſtaͤten tributarium behalten will: dahin ich auch ziehe/ wo ſchuldner ein ſtaͤr- ckeres capital nimmer auff einmal abzutragen vermoͤgen/ und alſo der urſach wegen zu ihrer groſſen beſchwehrde unter ſolcher laſt mit ihren nachkommen- den bleiben muͤſten/ aber durch eine particular ſolution befreyet zu werden/ vermoͤchten/ und man dieſe (gleichwol auch auff eine ſolche art angeſtellet/ daß man dieſer ſeit nicht hinwieder nachtheil davon leide) nicht annehmen will. Alles dieſes und was dergleichen ſeyn mag/ kan das zinſe nehmen un- recht machen. Denn weil mein darleyhen ein liebes-werck und gutthat ſeyn/ und von dem andern hinwiederum liebreiche danckbarkeit erfordern ſolle/ ſo muß dabey nichts auffgezwungenes ſeyn/ noch einer ſo wenig zu dieſem als anderem contract genoͤthigt werden. Alſo alles kurtz zu faſſen/ ſo bald etwas bey dem zinſe-nehmen mit ein- Wann aber nun dieſe fehler auszuſchlieſſen die frage voͤlliger alſo for- nach- T t
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ARTIC. III. SECTIO XI.
wo man die gelder/ welche die andre nicht mehr noͤthig haben/ und gerne wie-
der ablegen wolten/ nicht wieder annehmen/ ſondern den andern als einen
ſtaͤten tributarium behalten will: dahin ich auch ziehe/ wo ſchuldner ein ſtaͤr-
ckeres capital nimmer auff einmal abzutragen vermoͤgen/ und alſo der urſach
wegen zu ihrer groſſen beſchwehrde unter ſolcher laſt mit ihren nachkommen-
den bleiben muͤſten/ aber durch eine particular ſolution befreyet zu werden/
vermoͤchten/ und man dieſe (gleichwol auch auff eine ſolche art angeſtellet/
daß man dieſer ſeit nicht hinwieder nachtheil davon leide) nicht annehmen
will. Alles dieſes und was dergleichen ſeyn mag/ kan das zinſe nehmen un-
recht machen. Denn weil mein darleyhen ein liebes-werck und gutthat ſeyn/
und von dem andern hinwiederum liebreiche danckbarkeit erfordern ſolle/ ſo
muß dabey nichts auffgezwungenes ſeyn/ noch einer ſo wenig zu dieſem als
anderem contract genoͤthigt werden.
Alſo alles kurtz zu faſſen/ ſo bald etwas bey dem zinſe-nehmen mit ein-
laufft/ welches der liebe und billichkeit zuwider iſt/ und ich in meinem hertzen
verſichert bin/ daß ich in gleichem fall von dem andern ein ſolches vor un-
recht halten wuͤrde (Matth. 6/ 12.) machet ſolches daſſelbe zur ſuͤnde/ wie
auch andre dinge/ ſo goͤttlicher ordnung an ſich ſelbs gemaͤß ſind/ durch miß-
brauch dergleichen werden koͤnnen. Daher auch ſo bald in der materie zwei-
felhaffte faͤlle entſtehen/ will das gewiſſen haben/ daß wir allezeit lieber we-
niger als zu viel nehmen: indem man ſich mit dieſem nicht aber jenen ver-
ſuͤndigen kan.
Wann aber nun dieſe fehler auszuſchlieſſen die frage voͤlliger alſo for-
miret wuͤrde/ ob in dem N. Teſt. von willig-auffgenommenen und zu
verzinſen behaltenen geldern von denjenigen/ welche ſolche alſo ge-
brauchen/ daß ſie ihren vortheil davon zu machen vermoͤgen/ und in
dem ſtande ſtehen/ daß ſie dergleichen abtragen koͤnnen/ doͤrffen lan-
desuͤbliche zinſe genommen werden? So traue ich dieſe frage von uns in
dem N. T. allerdings zu bejahen. Das haupt-fundament meiner bejahung
iſt dieſes/ daß wir nun kein ander geſetz in dem N. T. was die pflichten gegen
den nechſten anlangt/ haben/ als das geſetz der liebe: das unſer Koͤnigli-
ches gebot iſt; und bleibet alſo allerdings wahr/ alle gebot ſeyen in dieſem
wort verfaſſet: Du ſolt deinen nechſten lieben als dich ſelbs: und/ ſo
bleibet die liebe des geſetzes erfuͤllung/ und wer den andern liebet/ der
hat das geſetz erfuͤllet. Rom. 13/ 8. 9. 10. Welches wir in dem N. T. in
ſo viel mehrerm rigor anſehen koͤnnen/ weil was uͤber dieſes gebot der liebe in
dem A. T. zur regel der Juͤdiſchen policey weiter vorgeſchrieben iſt (davon
nach-
T t
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