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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. I. SECTIO VI.
linisch erkennen wollen/ praejudiciret dero würde und gültigkeit nichts; von
dero auch jetzo unsere kirche einmüthig sich versichert hält/ und wahrhafftig
die hoheit der göttlichen darinnen enthaltenen geheimnüssen und übrige
kennzeichen der göttlichen bücher/ wo wohl acht gegeben/ darinnen gnugsam
erkant werden wird. 5. Jst wohl zu mercken/ daß der eyd an und vor sich
selbs/ und ohne die mißbräuch genommen/ der liebe weder Gottes/ noch des
nechsten entgegen stehe: Nun aber hat der HErr alle gebotte in die liebe ver-
fasset. Vielmehr sind die rechte eidschwühre eine herrliche übung/ brüder-
licher gebotener liebe: wie dann es gleichwie eine ehre göttlichen nahmens
ist/ wo wir einen rechtmässigen eid thuende/ GOtt zu zeugen der wahrheit an-
ruffen/ und also seine gerechtigkeit und wahrheit preisen; also mag auch damit
offters dem nechsten eine sehr nützliche liebe erwiesen werden. Daher aber-
mal/ welche erklärung mit dem allgemeinen zweck aller gebote Christi über-
ein kommt/ von deroselben meinung nicht frembd zu achten ist. 6. Mag
auch einem christlichen gemüthe zu seiner versicherung in dergleichen sonsten
zweiffelhafftig scheinenden orten dienlich seyn/ wo es weiß/ wie die liebe erste
Christen/ so dem alter der heil. Apostel am nechsten gewesen/ des HErrn wort
verstanden und insgemein belebet haben. Nun finden wir/ daß die liebe
leute gleichwol in gantz wichtigen sachen eyd abgeleget/ obwol sich der jeni-
gen entschlagen haben/ welche einiges abgöttisches oder leichtfertiges in sich
hätten. Gleichwol werden auch einige väter auff die art reden/ wie die wor-
te Christi und Jacobi bloß dahin lauten: so uns aber dieses zeigen möchte/
daß so wol eine als andere nicht schlechterdings von jeglichen eydschwüh-
ren/ wie dieselbe auch seyn möchten/ zu verstehen seyen. Wann also ver-
hoffentlich erwiesen/ daß diese worte unseres theuren heylandes nicht ohne
einige restriction verstanden werden möchten/ weil ja derselbe selbs/ und Pau-
lus sein treuer nachfolger nicht allezeit schlecht dahin bey Ja und Nein geblie-
ben sind. So ist ferner in der Furcht des HErren zu untersuchen/ wo wir
die rechte limitation/ und also meinung des HErren finden mögen. Meine ein-
fältige gedancken hievon/ die ich seiner und anderer gottseeliger hertzen erwe-
gung und beurtheilung willig überlasse/ gehen dahin; Es seyen die eyde nicht
bloß dahin verboten/ sondern allein die jenige/ so man eigenen willens thut:
wie es sich auch mit andern dingen/ davon der HErr Matth. 5. handelt/ ver-
hält. Massen wir auch nicht macht haben zu zörnen/ den nechsten einen nar-
ren zu heissen und dergleichen/ für uns selbs und aus eigenem trieb unsers
verderbten rachgierigen hertzens/ als welches allezeit böse ist/ und doch nicht
gewehret wird/ daß GOtt in uns zörne/ und ein heiliger eiffer für Gottes
ehre unser gemüth gegen unsern nechsten/ nicht denselben zu hassen/ sondern
dem übel in ihm zu widerstehen/ bewege; Auch harte empfindliche wort zur

straffe
C

ARTIC. I. SECTIO VI.
liniſch erkennen wollen/ præjudiciret dero wuͤrde und guͤltigkeit nichts; von
dero auch jetzo unſere kirche einmuͤthig ſich verſichert haͤlt/ und wahrhafftig
die hoheit der goͤttlichen darinnen enthaltenen geheimnuͤſſen und uͤbrige
kennzeichen der goͤttlichen buͤcher/ wo wohl acht gegeben/ darinnen gnugſam
erkant werden wird. 5. Jſt wohl zu mercken/ daß der eyd an und vor ſich
ſelbs/ und ohne die mißbraͤuch genommen/ der liebe weder Gottes/ noch des
nechſten entgegen ſtehe: Nun aber hat der HErr alle gebotte in die liebe ver-
faſſet. Vielmehr ſind die rechte eidſchwuͤhre eine herrliche uͤbung/ bruͤder-
licher gebotener liebe: wie dann es gleichwie eine ehre goͤttlichen nahmens
iſt/ wo wir einen rechtmaͤſſigen eid thuende/ GOtt zu zeugen der wahrheit an-
ruffen/ und alſo ſeine gerechtigkeit und wahrheit preiſen; alſo mag auch damit
offters dem nechſten eine ſehr nuͤtzliche liebe erwieſen werden. Daher aber-
mal/ welche erklaͤrung mit dem allgemeinen zweck aller gebote Chriſti uͤber-
ein kommt/ von deroſelben meinung nicht frembd zu achten iſt. 6. Mag
auch einem chriſtlichen gemuͤthe zu ſeiner verſicherung in dergleichen ſonſten
zweiffelhafftig ſcheinenden orten dienlich ſeyn/ wo es weiß/ wie die liebe erſte
Chriſten/ ſo dem alter der heil. Apoſtel am nechſten geweſen/ des HErrn wort
verſtanden und insgemein belebet haben. Nun finden wir/ daß die liebe
leute gleichwol in gantz wichtigen ſachen eyd abgeleget/ obwol ſich der jeni-
gen entſchlagen haben/ welche einiges abgoͤttiſches oder leichtfertiges in ſich
haͤtten. Gleichwol werden auch einige vaͤter auff die art reden/ wie die wor-
te Chriſti und Jacobi bloß dahin lauten: ſo uns aber dieſes zeigen moͤchte/
daß ſo wol eine als andere nicht ſchlechterdings von jeglichen eydſchwuͤh-
ren/ wie dieſelbe auch ſeyn moͤchten/ zu verſtehen ſeyen. Wann alſo ver-
hoffentlich erwieſen/ daß dieſe worte unſeres theuren heylandes nicht ohne
einige reſtriction verſtanden werden moͤchten/ weil ja derſelbe ſelbs/ und Pau-
lus ſein treuer nachfolger nicht allezeit ſchlecht dahin bey Ja und Nein geblie-
ben ſind. So iſt ferner in der Furcht des HErren zu unterſuchen/ wo wir
die rechte limitation/ und alſo meinung des HErren finden moͤgen. Meine ein-
faͤltige gedancken hievon/ die ich ſeiner und anderer gottſeeliger hertzen erwe-
gung und beurtheilung willig uͤberlaſſe/ gehen dahin; Es ſeyen die eyde nicht
bloß dahin verboten/ ſondern allein die jenige/ ſo man eigenen willens thut:
wie es ſich auch mit andern dingen/ davon der HErr Matth. 5. handelt/ ver-
haͤlt. Maſſen wir auch nicht macht haben zu zoͤrnen/ den nechſten einen nar-
ren zu heiſſen und dergleichen/ fuͤr uns ſelbs und aus eigenem trieb unſers
verderbten rachgierigen hertzens/ als welches allezeit boͤſe iſt/ und doch nicht
gewehret wird/ daß GOtt in uns zoͤrne/ und ein heiliger eiffer fuͤr Gottes
ehre unſer gemuͤth gegen unſern nechſten/ nicht denſelben zu haſſen/ ſondern
dem uͤbel in ihm zu widerſtehen/ bewege; Auch harte empfindliche wort zur

ſtraffe
C
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[17/0025] ARTIC. I. SECTIO VI. liniſch erkennen wollen/ præjudiciret dero wuͤrde und guͤltigkeit nichts; von dero auch jetzo unſere kirche einmuͤthig ſich verſichert haͤlt/ und wahrhafftig die hoheit der goͤttlichen darinnen enthaltenen geheimnuͤſſen und uͤbrige kennzeichen der goͤttlichen buͤcher/ wo wohl acht gegeben/ darinnen gnugſam erkant werden wird. 5. Jſt wohl zu mercken/ daß der eyd an und vor ſich ſelbs/ und ohne die mißbraͤuch genommen/ der liebe weder Gottes/ noch des nechſten entgegen ſtehe: Nun aber hat der HErr alle gebotte in die liebe ver- faſſet. Vielmehr ſind die rechte eidſchwuͤhre eine herrliche uͤbung/ bruͤder- licher gebotener liebe: wie dann es gleichwie eine ehre goͤttlichen nahmens iſt/ wo wir einen rechtmaͤſſigen eid thuende/ GOtt zu zeugen der wahrheit an- ruffen/ und alſo ſeine gerechtigkeit und wahrheit preiſen; alſo mag auch damit offters dem nechſten eine ſehr nuͤtzliche liebe erwieſen werden. Daher aber- mal/ welche erklaͤrung mit dem allgemeinen zweck aller gebote Chriſti uͤber- ein kommt/ von deroſelben meinung nicht frembd zu achten iſt. 6. Mag auch einem chriſtlichen gemuͤthe zu ſeiner verſicherung in dergleichen ſonſten zweiffelhafftig ſcheinenden orten dienlich ſeyn/ wo es weiß/ wie die liebe erſte Chriſten/ ſo dem alter der heil. Apoſtel am nechſten geweſen/ des HErrn wort verſtanden und insgemein belebet haben. Nun finden wir/ daß die liebe leute gleichwol in gantz wichtigen ſachen eyd abgeleget/ obwol ſich der jeni- gen entſchlagen haben/ welche einiges abgoͤttiſches oder leichtfertiges in ſich haͤtten. Gleichwol werden auch einige vaͤter auff die art reden/ wie die wor- te Chriſti und Jacobi bloß dahin lauten: ſo uns aber dieſes zeigen moͤchte/ daß ſo wol eine als andere nicht ſchlechterdings von jeglichen eydſchwuͤh- ren/ wie dieſelbe auch ſeyn moͤchten/ zu verſtehen ſeyen. Wann alſo ver- hoffentlich erwieſen/ daß dieſe worte unſeres theuren heylandes nicht ohne einige reſtriction verſtanden werden moͤchten/ weil ja derſelbe ſelbs/ und Pau- lus ſein treuer nachfolger nicht allezeit ſchlecht dahin bey Ja und Nein geblie- ben ſind. So iſt ferner in der Furcht des HErren zu unterſuchen/ wo wir die rechte limitation/ und alſo meinung des HErren finden moͤgen. Meine ein- faͤltige gedancken hievon/ die ich ſeiner und anderer gottſeeliger hertzen erwe- gung und beurtheilung willig uͤberlaſſe/ gehen dahin; Es ſeyen die eyde nicht bloß dahin verboten/ ſondern allein die jenige/ ſo man eigenen willens thut: wie es ſich auch mit andern dingen/ davon der HErr Matth. 5. handelt/ ver- haͤlt. Maſſen wir auch nicht macht haben zu zoͤrnen/ den nechſten einen nar- ren zu heiſſen und dergleichen/ fuͤr uns ſelbs und aus eigenem trieb unſers verderbten rachgierigen hertzens/ als welches allezeit boͤſe iſt/ und doch nicht gewehret wird/ daß GOtt in uns zoͤrne/ und ein heiliger eiffer fuͤr Gottes ehre unſer gemuͤth gegen unſern nechſten/ nicht denſelben zu haſſen/ ſondern dem uͤbel in ihm zu widerſtehen/ bewege; Auch harte empfindliche wort zur ſtraffe C

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/25>, abgerufen am 23.11.2024.