Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.ARTIC. II. SECTIO X. hen möchte/ der Apostel befehl nachkommen. 1. Tim. 2/ 9. 10. 1. Pet. 3/ 3. 4.Nicht weniger daß die christliche erkäntnüß dermassen bey allen menschen wäre/ daß niemand des höhern stands sich mit dergleichen eusserlichen be- dörffte einigerley massen eine autorität zu machen/ sondern die untergebene sonsten das göttliche den Obrigkeiten angehengte bild zu erkennen und zu eh- ren wüßten 2. Nachdem wir aber zu derjenigen zeit leben/ da um des durch- gehenden verderbnüß willen einige dinge wollen nöthig seyn/ die sonsten we- der nöthig noch nützlich wären/ so bleibet wol einiger zimlicher unterscheid der kleidung gegen anderen gantz gemeinen stand; aber wo eine demuth in dem hertzen redlich ist/ so wird sie solchem unterscheid wircklich allemal lieber etwas abziehen als beysetzen/ und sich immer mit dem noch geringsten begnü- gen lassen/ was sich thun lässet: nur zu dem ende/ damit nicht durch eine gäntzliche vergleichung mit den gemeinesten andere eher geärgert/ solches für etwas affectirtes gehalten/ und der verdacht geschöpfft werde/ ob setzte man das haupt-werck in dergleichen eusserlichen dingen/ und wolte insgesamt alle ordnung der eusserlichen stände abgeschaffet wissen. Welcher verdacht leicht die wahre gottseligkeit eher lästern machet/ als etwas gutes befördert. 3. Weil nach göttlichem befehl das weib dem mann unterworffen/ und an dessen willen in allem was nicht eigentlich und schlechter dings böse ist/ gebunden ist; so dann eine verständige person/ welche an ihrem Ehe-herrn noch vielmehr gu- tes mit christlichen exempel/ und auff andere weise mit der zeit auszurichten hoffen kan/ denselben ohne noth nicht beleidigen/ oder sein gemüth von sich abwenden solle/ und aber der selben geliebter Herr einiges mehreres von de- roselben noch in der tracht fodert/ als sie lieber unterlassen wolte/ so hat sie in einer solchen sache (wie kleidung an sich etwas ist/ so zu den mittel-din- gen gehöret/ und aus dem gemüth und absicht des tragenden geurtheilet/ gut und böß werden muß) ihres gemahls willen nicht mit einer härtigkeit zu wi- derstreben/ damit nicht das ansehen seye/ die vorgebende gottesfurcht wolte den befehl des HErrn in dem gehorsam der Ehe-frauen auffheben/ dadurch aber das gemüth mehr gereitzet werde/ auch in andern wichtigern dingen sich gutem vor haben zu wider setzen/ und also an statt der verhütung der sünden zu mehreren anlaß gegeben werde. Wie dann dasjenige was 1. Cor. 7/ 34. von einer verheuratheten stehet/ daß sie sorge/ wie sie dem mann gefalle/ nicht allein zu verstehen von der gantz sündlichen complacenz, wo man einem mann mit eigentlichen sünden zu gefallen zu seyn/ kein bedenckens hat; son- dern daß der Apostel darinnen eine unbequemlichkeit des ehestands vor den ledigen anzeiget/ daß nemlich wo jener schon nicht eben ausser der furcht Got- tes geführet wird/ dannoch die liebe/ welche das weib gegen den mann träget/ und D d 3
ARTIC. II. SECTIO X. hen moͤchte/ der Apoſtel befehl nachkommen. 1. Tim. 2/ 9. 10. 1. Pet. 3/ 3. 4.Nicht weniger daß die chriſtliche erkaͤntnuͤß dermaſſen bey allen menſchen waͤre/ daß niemand des hoͤhern ſtands ſich mit dergleichen euſſerlichen be- doͤrffte einigerley maſſen eine autoritaͤt zu machen/ ſondern die untergebene ſonſten das goͤttliche den Obrigkeiten angehengte bild zu erkennen und zu eh- ren wuͤßten 2. Nachdem wir aber zu derjenigen zeit leben/ da um des durch- gehenden verderbnuͤß willen einige dinge wollen noͤthig ſeyn/ die ſonſten we- der noͤthig noch nuͤtzlich waͤren/ ſo bleibet wol einiger zimlicher unterſcheid der kleidung gegen anderen gantz gemeinen ſtand; aber wo eine demuth in dem hertzen redlich iſt/ ſo wird ſie ſolchem unterſcheid wircklich allemal lieber etwas abziehen als beyſetzen/ und ſich immer mit dem noch geringſten begnuͤ- gen laſſen/ was ſich thun laͤſſet: nur zu dem ende/ damit nicht durch eine gaͤntzliche vergleichung mit den gemeineſten andere eher geaͤrgert/ ſolches fuͤr etwas affectirtes gehalten/ und der verdacht geſchoͤpfft werde/ ob ſetzte man das haupt-werck in dergleichen euſſerlichen dingen/ und wolte insgeſamt alle ordnung der euſſerlichen ſtaͤnde abgeſchaffet wiſſen. Welcher verdacht leicht die wahre gottſeligkeit eher laͤſtern machet/ als etwas gutes befoͤrdert. 3. Weil nach goͤttlichem befehl das weib dem mann unterworffen/ und an deſſen willen in allem was nicht eigentlich und ſchlechter dings boͤſe iſt/ gebunden iſt; ſo dann eine verſtaͤndige perſon/ welche an ihrem Ehe-herrn noch vielmehr gu- tes mit chriſtlichen exempel/ und auff andere weiſe mit der zeit auszurichten hoffen kan/ denſelben ohne noth nicht beleidigen/ oder ſein gemuͤth von ſich abwenden ſolle/ und aber der ſelben geliebter Herr einiges mehreres von de- roſelben noch in der tracht fodert/ als ſie lieber unterlaſſen wolte/ ſo hat ſie in einer ſolchen ſache (wie kleidung an ſich etwas iſt/ ſo zu den mittel-din- gen gehoͤret/ und aus dem gemuͤth und abſicht des tragenden geurtheilet/ gut und boͤß werden muß) ihres gemahls willen nicht mit einer haͤrtigkeit zu wi- derſtreben/ damit nicht das anſehen ſeye/ die vorgebende gottesfurcht wolte den befehl des HErrn in dem gehorſam der Ehe-frauen auffheben/ dadurch aber das gemuͤth mehr gereitzet werde/ auch in andern wichtigern dingen ſich gutem vor haben zu wider ſetzen/ und alſo an ſtatt der verhuͤtung der ſuͤnden zu mehreren anlaß gegeben werde. Wie dann dasjenige was 1. Cor. 7/ 34. von einer verheuratheten ſtehet/ daß ſie ſorge/ wie ſie dem mann gefalle/ nicht allein zu verſtehen von der gantz ſuͤndlichen complacenz, wo man einem mann mit eigentlichen ſuͤnden zu gefallen zu ſeyn/ kein bedenckens hat; ſon- dern daß der Apoſtel darinnen eine unbequemlichkeit des eheſtands vor den ledigen anzeiget/ daß nemlich wo jener ſchon nicht eben auſſer der furcht Got- tes gefuͤhret wird/ dannoch die liebe/ welche das weib gegen den mann traͤget/ und D d 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0221" n="213"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ARTIC</hi>. II. <hi rendition="#g">SECTIO</hi> X.</hi></hi></fw><lb/> hen moͤchte/ der Apoſtel befehl nachkommen. <hi rendition="#fr">1. Tim. 2/ 9. 10. 1. Pet. 3/ 3. 4.</hi><lb/> Nicht weniger daß die chriſtliche erkaͤntnuͤß dermaſſen bey allen menſchen<lb/> waͤre/ daß niemand des hoͤhern ſtands ſich mit dergleichen euſſerlichen be-<lb/> doͤrffte einigerley maſſen eine autoritaͤt zu machen/ ſondern die untergebene<lb/> ſonſten das goͤttliche den Obrigkeiten angehengte bild zu erkennen und zu eh-<lb/> ren wuͤßten 2. Nachdem wir aber zu derjenigen zeit leben/ da um des durch-<lb/> gehenden verderbnuͤß willen einige dinge wollen noͤthig ſeyn/ die ſonſten we-<lb/> der noͤthig noch nuͤtzlich waͤren/ ſo bleibet wol einiger zimlicher unterſcheid<lb/> der kleidung gegen anderen gantz gemeinen ſtand; aber wo eine demuth in<lb/> dem hertzen redlich iſt/ ſo wird ſie ſolchem unterſcheid wircklich allemal lieber<lb/> etwas abziehen als beyſetzen/ und ſich immer mit dem noch geringſten begnuͤ-<lb/> gen laſſen/ was ſich thun laͤſſet: nur zu dem ende/ damit nicht durch eine<lb/> gaͤntzliche vergleichung mit den gemeineſten andere eher geaͤrgert/ ſolches fuͤr<lb/> etwas <hi rendition="#aq">affecti</hi>rtes gehalten/ und der verdacht geſchoͤpfft werde/ ob ſetzte man<lb/> das haupt-werck in dergleichen euſſerlichen dingen/ und wolte insgeſamt alle<lb/> ordnung der euſſerlichen ſtaͤnde abgeſchaffet wiſſen. Welcher verdacht leicht<lb/> die wahre gottſeligkeit eher laͤſtern machet/ als etwas gutes befoͤrdert. 3.<lb/> Weil nach goͤttlichem befehl das weib dem mann unterworffen/ und an deſſen<lb/> willen in allem was nicht eigentlich und ſchlechter dings boͤſe iſt/ gebunden iſt;<lb/> ſo dann eine verſtaͤndige perſon/ welche an ihrem Ehe-herrn noch vielmehr gu-<lb/> tes mit chriſtlichen exempel/ und auff andere weiſe mit der zeit auszurichten<lb/> hoffen kan/ denſelben ohne noth nicht beleidigen/ oder ſein gemuͤth von ſich<lb/> abwenden ſolle/ und aber der ſelben geliebter Herr einiges mehreres von de-<lb/> roſelben noch in der tracht fodert/ als ſie lieber unterlaſſen wolte/ ſo hat ſie<lb/> in einer ſolchen ſache (wie kleidung an ſich etwas iſt/ ſo zu den mittel-din-<lb/> gen gehoͤret/ und aus dem gemuͤth und abſicht des tragenden geurtheilet/ gut<lb/> und boͤß werden muß) ihres gemahls willen nicht mit einer haͤrtigkeit zu wi-<lb/> derſtreben/ damit nicht das anſehen ſeye/ die vorgebende gottesfurcht wolte<lb/> den befehl des HErrn in dem gehorſam der Ehe-frauen auffheben/ dadurch<lb/> aber das gemuͤth mehr gereitzet werde/ auch in andern wichtigern dingen ſich<lb/> gutem vor haben zu wider ſetzen/ und alſo an ſtatt der verhuͤtung der ſuͤnden<lb/> zu mehreren anlaß gegeben werde. Wie dann dasjenige was <hi rendition="#fr">1. Cor. 7/ 34.</hi><lb/> von einer verheuratheten ſtehet/ <hi rendition="#fr">daß ſie ſorge/ wie ſie dem mann gefalle/</hi><lb/> nicht allein zu verſtehen von der gantz ſuͤndlichen <hi rendition="#aq">complacenz,</hi> wo man einem<lb/> mann mit eigentlichen ſuͤnden zu gefallen zu ſeyn/ kein bedenckens hat; ſon-<lb/> dern daß der Apoſtel darinnen eine unbequemlichkeit des eheſtands vor den<lb/> ledigen anzeiget/ daß nemlich wo jener ſchon nicht eben auſſer der furcht Got-<lb/> tes gefuͤhret wird/ dannoch die liebe/ welche das weib gegen den mann traͤget/<lb/> <fw place="bottom" type="sig">D d 3</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [213/0221]
ARTIC. II. SECTIO X.
hen moͤchte/ der Apoſtel befehl nachkommen. 1. Tim. 2/ 9. 10. 1. Pet. 3/ 3. 4.
Nicht weniger daß die chriſtliche erkaͤntnuͤß dermaſſen bey allen menſchen
waͤre/ daß niemand des hoͤhern ſtands ſich mit dergleichen euſſerlichen be-
doͤrffte einigerley maſſen eine autoritaͤt zu machen/ ſondern die untergebene
ſonſten das goͤttliche den Obrigkeiten angehengte bild zu erkennen und zu eh-
ren wuͤßten 2. Nachdem wir aber zu derjenigen zeit leben/ da um des durch-
gehenden verderbnuͤß willen einige dinge wollen noͤthig ſeyn/ die ſonſten we-
der noͤthig noch nuͤtzlich waͤren/ ſo bleibet wol einiger zimlicher unterſcheid
der kleidung gegen anderen gantz gemeinen ſtand; aber wo eine demuth in
dem hertzen redlich iſt/ ſo wird ſie ſolchem unterſcheid wircklich allemal lieber
etwas abziehen als beyſetzen/ und ſich immer mit dem noch geringſten begnuͤ-
gen laſſen/ was ſich thun laͤſſet: nur zu dem ende/ damit nicht durch eine
gaͤntzliche vergleichung mit den gemeineſten andere eher geaͤrgert/ ſolches fuͤr
etwas affectirtes gehalten/ und der verdacht geſchoͤpfft werde/ ob ſetzte man
das haupt-werck in dergleichen euſſerlichen dingen/ und wolte insgeſamt alle
ordnung der euſſerlichen ſtaͤnde abgeſchaffet wiſſen. Welcher verdacht leicht
die wahre gottſeligkeit eher laͤſtern machet/ als etwas gutes befoͤrdert. 3.
Weil nach goͤttlichem befehl das weib dem mann unterworffen/ und an deſſen
willen in allem was nicht eigentlich und ſchlechter dings boͤſe iſt/ gebunden iſt;
ſo dann eine verſtaͤndige perſon/ welche an ihrem Ehe-herrn noch vielmehr gu-
tes mit chriſtlichen exempel/ und auff andere weiſe mit der zeit auszurichten
hoffen kan/ denſelben ohne noth nicht beleidigen/ oder ſein gemuͤth von ſich
abwenden ſolle/ und aber der ſelben geliebter Herr einiges mehreres von de-
roſelben noch in der tracht fodert/ als ſie lieber unterlaſſen wolte/ ſo hat ſie
in einer ſolchen ſache (wie kleidung an ſich etwas iſt/ ſo zu den mittel-din-
gen gehoͤret/ und aus dem gemuͤth und abſicht des tragenden geurtheilet/ gut
und boͤß werden muß) ihres gemahls willen nicht mit einer haͤrtigkeit zu wi-
derſtreben/ damit nicht das anſehen ſeye/ die vorgebende gottesfurcht wolte
den befehl des HErrn in dem gehorſam der Ehe-frauen auffheben/ dadurch
aber das gemuͤth mehr gereitzet werde/ auch in andern wichtigern dingen ſich
gutem vor haben zu wider ſetzen/ und alſo an ſtatt der verhuͤtung der ſuͤnden
zu mehreren anlaß gegeben werde. Wie dann dasjenige was 1. Cor. 7/ 34.
von einer verheuratheten ſtehet/ daß ſie ſorge/ wie ſie dem mann gefalle/
nicht allein zu verſtehen von der gantz ſuͤndlichen complacenz, wo man einem
mann mit eigentlichen ſuͤnden zu gefallen zu ſeyn/ kein bedenckens hat; ſon-
dern daß der Apoſtel darinnen eine unbequemlichkeit des eheſtands vor den
ledigen anzeiget/ daß nemlich wo jener ſchon nicht eben auſſer der furcht Got-
tes gefuͤhret wird/ dannoch die liebe/ welche das weib gegen den mann traͤget/
und
D d 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |