Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

Das andere Capitel.
der HERR flihen aus einer stadt in die andere/ wo wir verfolget/ uns eus-
serlich gewalt angethan/ und die verkündigung des worts des HERRN
verwehret wird/ nicht aber wo wir gelästert/ in verdacht gezogen/ aber noch
dabey unsere unschuld und das gegentheil mit treuer beharrung und treibung
des worts des HERRN zu erweisen gelegenheit gelassen wird. 6. Der liebe
Apostel Paulus sonderte sich Actor. 19. nicht von den Christen und bekehr-
ten/ sondern von den Juden/ an welchen er/ sie zu der erkäntnüß Christi zu
bringen/ eine weil gearbeitet/ und zwahr da nicht von ihm und seiner person
sondern von dem weg übel geredet wurde/ und also da er die hoffnung gantz
verlohren gehen sahe/ weil viele offentlich die heilige lehre von JESU lä-
sterten. Hie aber sehe noch keine lästerung der lehre von der gottseligkeit
selbs/ sondern daß einer der dieselbe treibet/ ob er vor seine person richtig
seye/ in zweiffel gezogen worden. Nun kan ihm zwahr darinnen unrecht
geschehen seyn/ aber es ist kein gleicher fall mit jenem Paulinischen. 7. Also
lässet sich auch nicht wol der ort Actor. 16/ 6. 7. zum behuff anführen/
denn weil derselbe selbs protestiret/ daß er sich keines extraordinarii an-
masse/ noch einen unmittelbahren befehl/ ihres orts sein amt nicht weiter
zu führen/ habe/ mag das jenige/ das ihm das hertz und freudigkeit genom-
men/ noch nicht gnug seyn zu der resignation, sondern wolte hertzlich
bitten/ sich vor dem HERRN nach dem grund des hertzens zu prüffen/ ob
solches niederschlagen des muths/ so zur verlassung des amts angeführet
wird/ eine eigentliche wirckung des heiligen Geistes seye/ oder ob nicht
sorglich es einiges von dem fleisch/ ungedult und unwillen über zugefügtes
unrecht/ welches er davor achtet/ in sich haben möchte/ deme man vielmehr
zu widerstreben als es vor göttlich zu achten hat. Aus allem deme wäre
der meynung/ daß derselbe aus angeführter ursach seinen dienst noch nicht
quittiren/ sondern in demselben als lang ihn der HErr lässet bestehen/ bleiben
solte/ um die jenige/ so ihn jemal geschmähet oder mit ungegründeten ver-
dachten beschwehret/ mit anderer bezeugung und thätlicher erweisung
seiner unschuld zu überzeugen/ welches viel ein edlers mittel ist eines gott-
seligen siegels/ als wo man sich auffs neue in den verdacht einer un-
leidsamkeit und ungedult setzen wolte. So bringen auch die angeführte
rationes das jenige nicht mit sich/ wozu sie angeführet werden/ sind auch
der krafft nach oben widerleget. 8. Wofern aber es der HERR also
geschehen hätte lassen/ daß vor ankunfft dieses er die dimission angenom-

men/

Das andere Capitel.
der HERR flihen aus einer ſtadt in die andere/ wo wir verfolget/ uns euſ-
ſerlich gewalt angethan/ und die verkuͤndigung des worts des HERRN
verwehret wird/ nicht aber wo wir gelaͤſtert/ in verdacht gezogen/ aber noch
dabey unſere unſchuld und das gegentheil mit treuer beharrung und treibung
des worts des HERRN zu erweiſen gelegenheit gelaſſen wird. 6. Der liebe
Apoſtel Paulus ſonderte ſich Actor. 19. nicht von den Chriſten und bekehr-
ten/ ſondern von den Juden/ an welchen er/ ſie zu der erkaͤntnuͤß Chriſti zu
bringen/ eine weil gearbeitet/ und zwahr da nicht von ihm und ſeiner perſon
ſondern von dem weg uͤbel geredet wurde/ und alſo da er die hoffnung gantz
verlohren gehen ſahe/ weil viele offentlich die heilige lehre von JESU laͤ-
ſterten. Hie aber ſehe noch keine laͤſterung der lehre von der gottſeligkeit
ſelbs/ ſondern daß einer der dieſelbe treibet/ ob er vor ſeine perſon richtig
ſeye/ in zweiffel gezogen worden. Nun kan ihm zwahr darinnen unrecht
geſchehen ſeyn/ aber es iſt kein gleicher fall mit jenem Pauliniſchen. 7. Alſo
laͤſſet ſich auch nicht wol der ort Actor. 16/ 6. 7. zum behuff anfuͤhren/
denn weil derſelbe ſelbs proteſtiret/ daß er ſich keines extraordinarii an-
maſſe/ noch einen unmittelbahren befehl/ ihres orts ſein amt nicht weiter
zu fuͤhren/ habe/ mag das jenige/ das ihm das hertz und freudigkeit genom-
men/ noch nicht gnug ſeyn zu der reſignation, ſondern wolte hertzlich
bitten/ ſich vor dem HERRN nach dem grund des hertzens zu pruͤffen/ ob
ſolches niederſchlagen des muths/ ſo zur verlaſſung des amts angefuͤhret
wird/ eine eigentliche wirckung des heiligen Geiſtes ſeye/ oder ob nicht
ſorglich es einiges von dem fleiſch/ ungedult und unwillen uͤber zugefuͤgtes
unrecht/ welches er davor achtet/ in ſich haben moͤchte/ deme man vielmehr
zu widerſtreben als es vor goͤttlich zu achten hat. Aus allem deme waͤre
der meynung/ daß derſelbe aus angefuͤhrter urſach ſeinen dienſt noch nicht
quittiren/ ſondern in demſelben als lang ihn der HErꝛ laͤſſet beſtehen/ bleiben
ſolte/ um die jenige/ ſo ihn jemal geſchmaͤhet oder mit ungegruͤndeten ver-
dachten beſchwehret/ mit anderer bezeugung und thaͤtlicher erweiſung
ſeiner unſchuld zu uͤberzeugen/ welches viel ein edlers mittel iſt eines gott-
ſeligen ſiegels/ als wo man ſich auffs neue in den verdacht einer un-
leidſamkeit und ungedult ſetzen wolte. So bringen auch die angefuͤhrte
rationes das jenige nicht mit ſich/ wozu ſie angefuͤhret werden/ ſind auch
der krafft nach oben widerleget. 8. Wofern aber es der HERR alſo
geſchehen haͤtte laſſen/ daß vor ankunfft dieſes er die dimiſſion angenom-

men/
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0764" n="748"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das andere Capitel.</hi></fw><lb/>
der HERR flihen aus einer &#x017F;tadt in die andere/ wo wir verfolget/ uns eu&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erlich gewalt angethan/ und die verku&#x0364;ndigung des worts des <hi rendition="#g">HERRN</hi><lb/>
verwehret wird/ nicht aber wo wir gela&#x0364;&#x017F;tert/ in verdacht gezogen/ aber noch<lb/>
dabey un&#x017F;ere un&#x017F;chuld und das gegentheil mit treuer beharrung und treibung<lb/>
des worts des HERRN zu erwei&#x017F;en gelegenheit gela&#x017F;&#x017F;en wird. 6. Der liebe<lb/>
Apo&#x017F;tel Paulus &#x017F;onderte &#x017F;ich <hi rendition="#fr">Actor.</hi> 19. nicht von den Chri&#x017F;ten und bekehr-<lb/>
ten/ &#x017F;ondern von den Juden/ an welchen er/ &#x017F;ie zu der erka&#x0364;ntnu&#x0364;ß Chri&#x017F;ti zu<lb/>
bringen/ eine weil gearbeitet/ und zwahr da nicht von ihm und &#x017F;einer per&#x017F;on<lb/>
&#x017F;ondern von dem weg u&#x0364;bel geredet wurde/ und al&#x017F;o da er die hoffnung gantz<lb/>
verlohren gehen &#x017F;ahe/ weil viele offentlich die heilige lehre von JESU la&#x0364;-<lb/>
&#x017F;terten. Hie aber &#x017F;ehe noch keine la&#x0364;&#x017F;terung der lehre von der gott&#x017F;eligkeit<lb/>
&#x017F;elbs/ &#x017F;ondern daß einer der die&#x017F;elbe treibet/ ob er vor &#x017F;eine per&#x017F;on richtig<lb/>
&#x017F;eye/ in zweiffel gezogen worden. Nun kan ihm zwahr darinnen unrecht<lb/>
ge&#x017F;chehen &#x017F;eyn/ aber es i&#x017F;t kein gleicher fall mit jenem Paulini&#x017F;chen. 7. Al&#x017F;o<lb/>
la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich auch nicht wol der ort <hi rendition="#fr">Actor.</hi> 16/ 6. 7. zum behuff anfu&#x0364;hren/<lb/>
denn weil der&#x017F;elbe &#x017F;elbs <hi rendition="#aq">prote&#x017F;ti</hi>ret/ daß er &#x017F;ich keines <hi rendition="#aq">extraordinarii</hi> an-<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;e/ noch einen unmittelbahren befehl/ ihres orts &#x017F;ein amt nicht weiter<lb/>
zu fu&#x0364;hren/ habe/ mag das jenige/ das ihm das hertz und freudigkeit genom-<lb/>
men/ noch nicht gnug &#x017F;eyn zu der <hi rendition="#aq">re&#x017F;ignation,</hi> &#x017F;ondern wolte hertzlich<lb/>
bitten/ &#x017F;ich vor dem HERRN nach dem grund des hertzens zu pru&#x0364;ffen/ ob<lb/>
&#x017F;olches nieder&#x017F;chlagen des muths/ &#x017F;o zur verla&#x017F;&#x017F;ung des amts angefu&#x0364;hret<lb/>
wird/ eine eigentliche wirckung des heiligen Gei&#x017F;tes &#x017F;eye/ oder ob nicht<lb/>
&#x017F;orglich es einiges von dem flei&#x017F;ch/ ungedult und unwillen u&#x0364;ber zugefu&#x0364;gtes<lb/>
unrecht/ welches er davor achtet/ in &#x017F;ich haben mo&#x0364;chte/ deme man vielmehr<lb/>
zu wider&#x017F;treben als es vor go&#x0364;ttlich zu achten hat. Aus allem deme wa&#x0364;re<lb/>
der meynung/ daß der&#x017F;elbe aus angefu&#x0364;hrter ur&#x017F;ach &#x017F;einen dien&#x017F;t noch nicht<lb/><hi rendition="#aq">quitti</hi>ren/ &#x017F;ondern in dem&#x017F;elben als lang ihn der HEr&#xA75B; la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et be&#x017F;tehen/ bleiben<lb/>
&#x017F;olte/ um die jenige/ &#x017F;o ihn jemal ge&#x017F;chma&#x0364;het oder mit ungegru&#x0364;ndeten ver-<lb/>
dachten be&#x017F;chwehret/ mit anderer bezeugung und tha&#x0364;tlicher erwei&#x017F;ung<lb/>
&#x017F;einer un&#x017F;chuld zu u&#x0364;berzeugen/ welches viel ein edlers mittel i&#x017F;t eines gott-<lb/>
&#x017F;eligen &#x017F;iegels/ als wo man &#x017F;ich auffs neue in den verdacht einer un-<lb/>
leid&#x017F;amkeit und ungedult &#x017F;etzen wolte. So bringen auch die angefu&#x0364;hrte<lb/><hi rendition="#aq">rationes</hi> das jenige nicht mit &#x017F;ich/ wozu &#x017F;ie angefu&#x0364;hret werden/ &#x017F;ind auch<lb/>
der krafft nach oben widerleget. 8. Wofern aber es der <hi rendition="#g">HERR</hi> al&#x017F;o<lb/>
ge&#x017F;chehen ha&#x0364;tte la&#x017F;&#x017F;en/ daß vor ankunfft die&#x017F;es er die <hi rendition="#aq">dimi&#x017F;&#x017F;ion</hi> angenom-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">men/</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[748/0764] Das andere Capitel. der HERR flihen aus einer ſtadt in die andere/ wo wir verfolget/ uns euſ- ſerlich gewalt angethan/ und die verkuͤndigung des worts des HERRN verwehret wird/ nicht aber wo wir gelaͤſtert/ in verdacht gezogen/ aber noch dabey unſere unſchuld und das gegentheil mit treuer beharrung und treibung des worts des HERRN zu erweiſen gelegenheit gelaſſen wird. 6. Der liebe Apoſtel Paulus ſonderte ſich Actor. 19. nicht von den Chriſten und bekehr- ten/ ſondern von den Juden/ an welchen er/ ſie zu der erkaͤntnuͤß Chriſti zu bringen/ eine weil gearbeitet/ und zwahr da nicht von ihm und ſeiner perſon ſondern von dem weg uͤbel geredet wurde/ und alſo da er die hoffnung gantz verlohren gehen ſahe/ weil viele offentlich die heilige lehre von JESU laͤ- ſterten. Hie aber ſehe noch keine laͤſterung der lehre von der gottſeligkeit ſelbs/ ſondern daß einer der dieſelbe treibet/ ob er vor ſeine perſon richtig ſeye/ in zweiffel gezogen worden. Nun kan ihm zwahr darinnen unrecht geſchehen ſeyn/ aber es iſt kein gleicher fall mit jenem Pauliniſchen. 7. Alſo laͤſſet ſich auch nicht wol der ort Actor. 16/ 6. 7. zum behuff anfuͤhren/ denn weil derſelbe ſelbs proteſtiret/ daß er ſich keines extraordinarii an- maſſe/ noch einen unmittelbahren befehl/ ihres orts ſein amt nicht weiter zu fuͤhren/ habe/ mag das jenige/ das ihm das hertz und freudigkeit genom- men/ noch nicht gnug ſeyn zu der reſignation, ſondern wolte hertzlich bitten/ ſich vor dem HERRN nach dem grund des hertzens zu pruͤffen/ ob ſolches niederſchlagen des muths/ ſo zur verlaſſung des amts angefuͤhret wird/ eine eigentliche wirckung des heiligen Geiſtes ſeye/ oder ob nicht ſorglich es einiges von dem fleiſch/ ungedult und unwillen uͤber zugefuͤgtes unrecht/ welches er davor achtet/ in ſich haben moͤchte/ deme man vielmehr zu widerſtreben als es vor goͤttlich zu achten hat. Aus allem deme waͤre der meynung/ daß derſelbe aus angefuͤhrter urſach ſeinen dienſt noch nicht quittiren/ ſondern in demſelben als lang ihn der HErꝛ laͤſſet beſtehen/ bleiben ſolte/ um die jenige/ ſo ihn jemal geſchmaͤhet oder mit ungegruͤndeten ver- dachten beſchwehret/ mit anderer bezeugung und thaͤtlicher erweiſung ſeiner unſchuld zu uͤberzeugen/ welches viel ein edlers mittel iſt eines gott- ſeligen ſiegels/ als wo man ſich auffs neue in den verdacht einer un- leidſamkeit und ungedult ſetzen wolte. So bringen auch die angefuͤhrte rationes das jenige nicht mit ſich/ wozu ſie angefuͤhret werden/ ſind auch der krafft nach oben widerleget. 8. Wofern aber es der HERR alſo geſchehen haͤtte laſſen/ daß vor ankunfft dieſes er die dimiſſion angenom- men/

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/764
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 748. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/764>, abgerufen am 22.11.2024.